von Kristin Frauenhoffer
Noch einmal ganz neu anfangen, die Großstadt hinter sich lassen und das einfache Leben auf dem Land genießen … Davon träumt die Protagonistin Enni in Gerda Stauners neuestem Roman „Wo ist dieses Glück noch mal?“. Doch verläuft ihr neues Leben in einem kleinen Dorf in der Oberpfalz nicht ganz so ruhig wie geplant. Ein altes Tonband und ein Freund aus Kindertagen wirbeln ihr Leben heftig durcheinander und sorgen für einen spektakulären Showdown –nicht schlecht für die Provinz.
Die Sprache hat es meiner Kollegin Gerda angetan. Da konnte auch ein BWL-Studium nichts daran ändern. Und so ist sie nicht nur Redakteurin bei good news for you, sondern verfasst auch Theaterstücke und Hörspiele, hostet zwei Podcasts (einen davon mit mir gemeinsam) und schreibt Romane. Ihr mittlerweile vierter Roman ist vor kurzem im Gmeiner Verlag erschienen.
Er spielt in der oberpfälzischen Provinz, aus der sie selbst stammt. Allerdings an einem fiktiven Ort namens Waidmannsthal. Er erzählt die Geschichte der 35-jährigen Grafikdesignerin Enni, die aus der Großstadt München in das Haus ihrer verstorbenen Großtante Monika zieht. Erst vor ein paar Jahren sind ihre Eltern verstorben und auch ihre Beziehung zu Alexander ist mit anderthalb Jahren noch relativ frisch. Man erfährt nie wirklich, warum sich Enni für ein Leben auf dem Land entscheidet, doch scheinen ihre Kindheitserinnerungen und ihre Liebe zur Natur eine große Rolle zu spielen. Als Kind verbrachte Enni viel Zeit im Haus ihrer Großtante.
Wo ist dieses Glück noch mal? In der Stadt? Auf dem Land?
Beim Lesen hat man nie den Eindruck, dass sich Enni besonders schwer damit tut, sich auf dem Land wohlzufühlen. Sie genießt Waldspaziergänge, Sonnenuntergänge und den Blick aus ihrem Fenster auf den Waldrand. Sie sucht Zuflucht und Ruhe in der Natur und findet sie. Auch mit „Rufus“, wie sie den Rufbus liebevoll nennt, hadert sie anfangs nur kurz. Statt wie in München im 5-Minuten-Takt, fährt dieser nur zweimal am Tag in den nächsten Ort mit Supermarkt – und auch nur, wenn sie sich für die Mitfahrt anmeldet. Da Enni kein Auto hat, muss sie sich notgedrungen fügen und beginnt schon bald, die Fahrten und die damit einhergehende Entschleunigung ihres Alltags zu genießen. Mit ihren Nachbarinnen und Nachbarn hat Enni auch keine Probleme. Im Gegenteil, sie knüpft schnell Kontakte und pflegt einen netten Umgang mit ihnen. Das Landleben wird im Roman als einfach, aber schön beschrieben.
Wirkliche Konflikte hat sie nur mit den Daheimgebliebenen – ihrem Freund Alexander und ihrer besten Freundin Silvia, die sie ein paar mal besuchen kommt. Die beiden scheinen mit Ennis Entscheidung, aufs Land zu ziehen, nicht ganz einverstanden zu sein. Die Fernbeziehung zu Alexander läuft mehr schlecht als recht. Er scheint das Leben in der Stadt weiterhin zu bevorzugen. Außerdem hat er einige Geheimnisse, die im Laufe der Geschichte ans Licht kommen. Doch der Roman hält noch weitere Überraschungen bereit, die den Leser, die Leserin neugierig machen.
Elvis Presley in der Oberpfalz und im neuen Roman „Wo ist dieses Glück noch mal?“
So findet Enni ein altes Tonband im Haus ihrer Großtante, auf dem vermutlich Elvis Presley, der King of Rock´n Roll, zu hören ist. Er war während seiner Armeezeit in den Fünfziger Jahren tatsächlich in der Oberpfalz stationiert, dieser Teil ist wirklich passiert. Und aus dieser Tatsache strikt Gerda gekonnt eine fiktive Geschichte um eine angebliche Affäre von Ennis Großtante mit Elvis. Erst ganz am Ende wird aufgelöst, worum es dabei geht. Das hat mich als Leserin wirklich in Atem gehalten.
Und dann ist da noch Tobias, Ennis Sandkastenfreund, der auch wieder nach Waidmannsthal gezogen ist und den Enni sehr schnell zufällig trifft. Die Unterüberschrift des Romans lautet „Verliebt in der Provinz“, daher kann der oder die Leser*in schon ahnen, in welche Richtung sich die Sache entwickelt. Tatsächlich erzählt Gerda aber nicht plump eine Liebesgeschichte oder gar Affäre, denn Enni ist ja vergeben, sondern stellt die zarte Zuneigung, die Unsicherheit und die Zweifel und Zerrissenheit der beiden sehr glaubwürdig dar. Bis zum Ende weiß man nicht, ob sie sich kriegen und das soll hier auch nicht verraten werden.
Zudem ist der Roman nicht als Liebesroman aufgebaut. Es geht um vieles: Liebe, Freundschaft, die Suche nach dem Glück, Freiheit und nicht zuletzt die Natur und deren Schutz. Enni ist überzeugte Veganerin und lehnt jegliches Töten von Tieren ab. Doch im Laufe der Geschichte lernt sie – duch die Figur des Jägers Reinwald –, dass es nicht immer so einfach ist, wie sie geglaubt hat. Auch ich habe einiges über das Leben im Wald und seine Bewohner gelernt. Und schließlich endet der Roman fast als Krimi, so spannend sind die letzten Seiten. Es gibt Verrat, eine Verfolgungsjagd und eine Enthüllung. Ein toller Lesestoff!
Gerda Stauner über ihr neues Buch „Wo ist dieses Glück noch mal?“

Im Interview hat Gerda mir noch ein paar Hintergünde zum Roman erzählt:
Liebe Gerda, wie bist du auf die Idee zu „Wo ist dieses Glück noch mal?“ gekommen? Hast du die Geschichte schon lange mit dir „herumgetragen“ oder kam sie eher spontan?
Wir haben zwischen 2020 und 2022 das Elternhaus meines Mannes renoviert. Seither fahre ich oft zum Schreiben in dieses Haus, das in einem kleinen Oberpfälzer Dorf liegt. Ich selbst bin auch in einem Dorf aufgewachsen, wusste aber schon früh, dass ich nach meiner Schulzeit in einer Stadt leben möchte. Nachdem ich fast 30 Jahre in Regensburg gelebt habe, komme ich nun quasi zurück zu meinen Wurzeln. Die Idee zum Roman kam mir, als ich mal wieder im Wald unterwegs war. Ich stellte mir vor, wie es ist, sein Leben komplett umzukrempeln, das temporeiche Großstadtleben hinter sich zu lassen und gegen die Stille der Provinz einzutauschen.
Wieviel Gerda steckt in Enni?
Enni ist ja um einiges jünger als ich. Und auch deutlich mutiger. Sie hat sich ganz konsequent für ein anderes Leben entschieden. Ich pendle ja immer zwischen Stadt und Land. Es ist eher so, dass ich mir manachmal wünsche, ein bisschen mehr wie Enni zu sein.
Die Natur spielt in deinem Buch eine wichtige Rolle – als Schutz- und Ruhegeberin, aber auch als etwas Schützenswertes. Wieviel Neues hast du bei der Recherche zum Buch selbst über die Natur erfahren oder gelernt?
Oft habe ich das Gefühl, dass ich in der Stadt recht abgekoppelt von der Natur lebe. Natürlich gibt es dort auch Parks oder stadtnahe Wälder, aber es ist immer mit Aufwand verbunden, die Natur zu erleben. Auf dem Land ist die Natur ein ganz normaler Teil des Lebens. Hier kann ich viel eher beobachten, wie z. B. die Tage jetzt wieder heller werden, wie sich der Wald mit den Jahreszeiten verändert und und wie die Vögel und Insekten im Frühjahr langsam wieder munter werden. Hier kann ich die Natur nicht nur erleben, ich tauche in dieses Leben ein. Das habe ich erst wieder mit dem Umbau entdeckt und dieses Gefühl wollte ich im Roman vermitteln.
Neues habe ich erfahren, als ich mit einem Jäger unterwegs war, der im Roman eine nicht unerhebliche Rolle spielt. Da ich vom Jagen überhaupt nichts wusste, bin ich mit dem Jäger zum Ansitzen gegangen. D. h., wir haben uns frühmorgens oder zur Dämmerung getroffen, sind zu einem Hochsitz gefahren und haben dort Tiere beobachtet. Dabei habe ich viel darüber erfahren, welche Aufgaben ein Jäger hat und wie er für ein Gleichgewicht im Wald sorgt. Das hat meinen Blick auf das Jagen sehr verändert.
Wie läuft der Schreibprozess bei dir ab?
Eine neue Geschichte entsteht immer zuerst in meinem Kopf. Ich trage alles eine Zeitlang mit mir herum, träume manchmal sogar davon. Wenn die Idee dann rund ist, Anfang, Mitte und Ende stimmig sind, beginne ich zu schreiben. Das Schreiben dauert ungefähr sechs Monate. Dann lasse ich alles liegen und nach einiger Zeit überarbeite ich die Geschichte. Danach kommt der große Moment und ich gebe das Manuskript an erste Testleser*innen und an meine Lektorin. Ab da läuft der Veröffentlichungsprozess. In diesem Fall hatte ich ein Jahr später das gedruckte Buch in der Hand.

Wer jetzt Lust auf das Buch „Wo ist dieses Glück noch mal?“ bekommen hat, kann es hier bestellen. Wer Gerda persönlich kennenlernen möchte, kann zu einer ihrer Lesungen kommen. Die Termine findet ihr hier.
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