von Gerda Stauner
„Altwerden ist nichts für Feiglinge.“ So könnte man vielleicht in einem Satz zusammenfassen, wie betagtere Menschen über die zweite Lebenshälfte denken. Plötzlich schmerzt hier und da etwas beim Aufstehen, man hört nicht mehr so gut oder vergisst, wo man die Lesebrille hingelegt hat. Jeder Tag kann zu einer neuen Herausforderung werden. Der fast 90-jährige Psychiater Rhee Kun Hoo aus Korea fügt dem Älterwerden aber auch noch einen positiven Aspekt hinzu. „Wenn du schon hundert wirst, kannst du genauso gut auch glücklich sein“ heißt sein neues Buch, das gerade bei Rowohlt erschienen ist. Darin beschreibt er einerseits die physischen und psychischen Begleiterscheinungen, die der Alterungsprozess mit sich bringen kann. Gleichzeitig aber erkennt er auch das Potenzial, das das Leben einem mit knapp neunzig noch bietet, wenn man das Gute im Blick behält.
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Sein ganzes Leben lang musste Rhee Kun Hoo kämpfen. In seiner Kindheit verlor seine vermögende Familie durch den Krieg ihre Nudelfabrik. Der Vater erkrankte daraufhin und starb früh. Diese Erfahrung prägte den späteren Psychiater und er wurde zum Unabhängigkeitsaktivisten. Doch 1960 wurde er verhaftet und kam als Studentenführer der Aprilrevolution ins Gefängnis. Nach seiner Freilassung setzte er sich für die Veränderung des missbräuchlichen psychiatrischen Systems in Südkorea ein. Er war der Erste, der im koreanischen Gesundheitssektor ein offenes Stationssystem und patientenfreundliche Behandlungsmethoden wie die Psychodrama-Therapie einführte.
Altern in Würde
Heute ist Rhee Kun Hoo in Korea ein gefeierter Essayist. Er verkaufte bereits mehr als eine Million Bücher. Nun, mit knapp 90 Jahren, wendet er sich der Frage zu, wie man alt und gleichzeitig glücklich werden kann. In seinem neuen Buch „Wenn du schon hundert wirst, kannst du genauso gut auch glücklich sein“ zeigt er, wie man auch im hohen Alter Gelassenheit und Freude in sein Leben holen kann. Darin lädt Rhee Kun Hoo seine Leser*innen zu einem vergnüglichen Gedankenspaziergang ein und berichtet dabei aus seinem Leben, erzählt Anekdoten und man folgt seinem Lebenslauf. Wie an einer Schnur reihen sich verschiedene Themen aneinander, die der Autor in kurzen, prägnanten Kapiteln bearbeitet.
„Für Zögern und Aufschieben ist das Leben zu kurz.“
Rhee Kun Hoo beschönigt den Alterungsprozess und die damit verbundenen Veränderungen nicht. Dennoch ist er der Meinung, dass das letzte Lebensviertel noch viel für uns bereithalten kann. Er plädiert dafür, die Dinge so zu sehen, wie sie sind, ohne Selbstbetrug, mit unverstelltem Blick – und immer mit einer Prise Humor. Sein Tonfall ist dabei durchgängig leicht und locker, obwohl er immer wieder tiefergehende Betrachtungen anstellt. Er gibt z. B. Tipps, die es leichter machen sollen, sich mehr in den Hintergrund zu stellen und Jüngeren den Vortritt zu lassen. „Wie schön ist der Rücken eines Menschen, der geht, weil er weiß, dass es Zeit ist“, zitiert er im Buch ein Gedicht von Lee Hyeonggi.
An einer anderen Stelle mahnt er, nicht zu zögern und Kontakt mit Menschen aufzunehmen, die man vermisse. „Für Zögern und Aufschieben ist das Leben zu kurz“, schreibt er kurz und prägnant. „Einsamkeit ist der Feind eines glücklichen Lebens. Die einfachste Methode, diesen Feind zu bekämpfen, besteht darin, Zeit mit Freunden zu verbringen.“
Mischung aus Ratgeber und persönlichen Betrachtungen
Das Buch ist weit mehr als ein Ratgeber zur Lebensbewältigung für Menschen ab der zweiten Lebenshälfte. Es ist eine Mischung aus psychologisch fundierten Tipps eines weisen, lebensklugen Menschen, kombiniert mit Informationen über die Kultur und das Leben in Korea. Wer für beides offen ist, wird lohnende Lesestunden vor sich haben.
Weitere Infos zum Buch findet ihr hier: Rowohlt Verlag
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