von Isabel Lemper
Wäre es nicht wundervoll, das Grau der Städte langfristig in ein Grün umzuwandeln? Und das auch in großen Städten, die dicht besiedelt sind? Wenn es an jedem Gebäude summt und zwitschert, blüht und grünt? Wenn wir an den Hausfassaden stehen bleiben, weil es so angenehm kühl ist, auch weit entfernt vom nächsten Park? Die wilde Klimawand zeigt, wie es funktionieren kann.
Ihr seid bestimmt schon einmal an einem mit Efeu oder wildem Wein bewachsenen Haus vorbeigekommen. Das hat meist etwas Uriges und strahlt Gemütlichkeit aus. Von Fassadenbegrünung hat man vielleicht auch schon einmal gehört. Hierfür gibt es Ranksysteme, an denen man zum Beispiel Blauregen, Rosen, Clematis, Spalierobst und noch vieles mehr hochranken lassen kann. Optisch sehr reizvoll, aber für die Biodiversität (biologische Vielfalt) gibt es noch mehr Möglichkeiten – zum Beispiel die wilde Klimawand.
Stadtgrün ist nicht nur hübsch anzuschauen
Das Stadtgrün kann noch viel mehr als nur dekorativ sein. Es trägt zu unserem Wohlbefinden und unserer Gesundheit bei, verkleinert städtische Hitzeinseln, speichert Regenwasser und bietet einen wertvollen Lebensraum für die urbane Pflanzen- und Tierwelt.
Da die Städte einer enormen Flächenkonkurrenz ausgesetzt sind und der Bedarf an Bauland stetig steigt, findet man leider immer weniger wilde Ecken in den Städten. Zudem werden die letzten Flecken Grün aufgeräumt und geputzt, damit alles seine Ordnung hat. Wildnis in der Stadt? Fehl am Platz!
Das Grün in der Stadt soll bunter werden

Dass ein Umdenken stattfinden muss, zeigen Forschende in einem Gemeinschaftsprojekt mit Beteiligung des Fraunhofer-Instituts für Bauphysik IBP in Stuttgart, dem Institut für Akustik und Bauphysik sowie dem Institut für Landschaftsplanung und Ökologie der Universität Stuttgart und der HELIX Pflanzensysteme GmbH.
Gemeinsam entwickelte das Projektteam ein biodiversitätsförderndes Grünfassadensystem, das gezielt mit vielen verschiedenen Wildstauden, Kräutern und Gräsern bestückt ist. Außerdem bietet es Insekten, Vögeln und Fledermäusen Nahrung sowie Unterschlupf und wirkt zugleich klimaregulierend.
Die wilde Klimawand war geschaffen

Die wilde Klimawand ist ein Forschungsprojekt, das der Stuttgarter Klima-Innovationsfonds über einen Zeitraum von zwei und drei Jahren fördert. Nach der Entwicklung des Systems wurden circa 80 Quadratmeter einer Bestandsfassade auf dem Fraunhofer Campus in Stuttgart begrünt. Über die Projektlaufzeit wird die Fassade wissenschaftlich begleitet und ein Pflegekonzept erstellt.
Die wilde Klimawand als Vorbild: Ein Leitfaden für mehr Natur in der Stadt
Mittlerweile hat das Team auch einen Leitfaden herausgebracht, den man sich auf der Homepage der Universität Stuttgart kostenlos herunterladen kann: https://www.iabp.uni-stuttgart.de/forschung/Umweltgerechtes-Bauen-fuer-Menschen-Flora-und-Fauna/die-wilde-klimawand/
Der Leitfaden konzentriert sich nicht nur auf vertikales Grün. Vielmehr soll der Leitfaden vor allem Bürger*Innen ermuntern, mehr Natur in ihre Umgebung zu bringen – sei es im eigenen Vorgarten, auf dem Balkon oder an der Hausfassade.
Für unsere Stadtlandschaften lässt das Projekt auf neue ästhetische und ökologische Qualitäten hoffen. Eine von vielen Antworten auf die Herausforderungen des Klimawandels.
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Wäre es nicht schön, wenn bei jedem Neubau zur Frage nach der Farbe für den Fassadenanstrich automatisch die Anmerkung käme: „Naja, bei der Seite der Fassadenbegrünung haben Sie sich ja bereits für eine bunte summende Mischung mit Schwerpunkt auf Grün entschieden: für die wilde Klimawand. Eine tolle Wahl, die Sie nicht bereuen werden!“
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