von Franziska Iwanow
Wie in fast jedem Jahr hat mich die Geschwindigkeit überrascht, mit der sich der Sommer verabschiedet hat und der Herbst einzog. Gerade war es doch noch heiß, ich habe über Mückenstiche gejammert und meine Tage mit Zitroneneis beendet. Und auf einmal, gefühlt von einem Tag auf den anderen, hülle ich mich in Schal und Pulli. Ich habe die Jackentaschen voll mit Kastanien und freue mich auf warme Suppe und heißen Kakao.
Zur dunklen Jahreszeit gesellt sich oft der Winterblues
Obwohl ich die vielen Sonnenstunden des Sommers durchaus zu schätzen weiß, liebe ich den Herbst. Ich mag die schillernden Farben der Natur, das Rascheln der Blätter beim Gehen, den Geruch von Herbstregen. Nebel hat für mich etwas Umhüllendes, Gemütliches. Das vermittelt mir ein Gefühl von Geborgenheit. Eine besondere Form von Stille, in die ich eintauchen kann.
Ich weiß, dass viele meine Begeisterung nicht teilen können. In meinem Umfeld gibt es nicht wenige Menschen, die es furchtbar finden, dass es noch dunkel ist, wenn sie morgens das Haus verlassen, und sich der Tag bereits verabschiedet hat, wenn sie abends nach Hause kommen. Die die eigene Stimmung in Erwartung des alljährlichen Stimmungstiefs besorgt beobachten. Menschen, denen die fehlenden Sonnenstunden Angst machen, weil mit dem Lichtmangel erfahrungsgemäß auch graue Gefühle und Erschöpfung einhergehen. Manchen begegnet in der dunklen Zeit des Jahres auch besonders die Einsamkeit, die erst dann wieder laut und sichtbar wird, wenn sich die Menschen abends in ihre warmen Häuser zurückziehen statt draußen unterwegs, aktiv und gesellig zu sein.
So werden die Monate, die ich mit Gemütlichkeit und Geborgenheit verbinde, für andere eher die Zeit der Melancholie und des anstrengenden Durchhaltens. Ein Winterblues kann doch sehr zusetzen.
Warum fühlen wir uns in der dunklen Jahreszeit leichter antriebslos oder erschöpft?
Ohne Frage haben anhaltende Dunkelheit, Kälte und Regen einen erheblichen Einfluss auf das menschliche Gemüt und unsere körperliche Verfassung. In der Dunkelheit produziert der Körper mehr Melatonin, was zu Müdigkeit und Erschöpfung führen kann. Ein Mangel an Sonnenlicht beeinflusst den Serotonin- und Vitamin-D-Spiegel, was ebenfalls Erschöpfung und Stimmungsschwankungen zur Folge haben kann. Vor allem Menschen, die zu saisonaler Depression neigen, kämpfen häufig mit erhöhter Antriebslosigkeit. Der Gedanke an einen ausgedehnten Winterschlaf in einer kuschligen Bärenhöhle hat dann durchaus etwas Verlockendes.
Ich bin überzeugt, dass wir uns etwas Gutes tun, wenn wir uns an den Rhythmus der Natur anpassen: da, wo es möglich ist, langsamer werden, zur Ruhe kommen und über den Winter für den neuen Frühling Kraft sammeln. Gleichzeitig können wir mit gezielten Routinen auch die dunkle Zeit des Jahres gestalten und unser Wohlbefinden stärken.
Eine gute Vorbeugung bei Winterblues: Das Tageslicht nutzen, so gut es geht
So ist es zum Beispiel sinnvoll, das Tageslicht, so gut es geht, zu nutzen, um den Serotoninspiegel und damit die Stimmung zu heben. … Und wenn es nur ein kurzer Spaziergang in der Mittagspause ist. Lässt das der eigene Tagesablauf nicht oder zu wenig zu, können Tageslichtlampen helfen (vor allem ein Tageslichtwecker ermöglicht einen viel sanfteren Start in den Tag). Ich persönlich nutze über den Winter seit vielen Jahren zusätzlich Vitamin-D-Präparate zum Ausgleich.
Dazu kommen gezielte Bewegungseinheiten, um den Körper zur Ausschüttung von Endorphin einzuladen.
Bei mir als altem Sportmuffel heißt das nicht unbedingt vorzeigbare Workouts, aber auf jeden Fall regelmäßige Spaziergänge und lange Entdeckungstouren durch den Wald, den ich in jeder Jahreszeit bezaubernd finde.
10 persönliche Top Ten, um bei Winterblues besser gewappnet zu sein
Wenn du zu den Menschen gehörst, die am liebsten ganzjährig Sommer hätten, kann ich dich wahrscheinlich nicht von der Magie der dunklen Zeit überzeugen, aber vielleicht stimmt dich der ein oder andere Punkt aus meinen Herbst- und Winter-Best-of’s versöhnlicher.
Winterblues? Meine persönlichen Top 10 in der dunklen Zeit des Jahres
- Endlich wieder besserer Schlaf! Eingehüllt in Kuscheldecken ohne das lästige Dauerschwitzen.
- Keine nervig juckenden Mückenstiche mehr, keine Wespen beim Essen. Der Hund ist kein ständiges Zeckentaxi … Im Ernst, wir wohnen am Wasser und ich zähle jeden Sommer die Tage, bis die Mücken Ruhe geben.
- Heiße Schokolade, die mich auf Knopfdruck glücklich macht (am besten mit Sahne und Streuseln!), duftender Tee, dampfende Eintöpfe, Kürbissuppe, Mandarinen, Weihnachtsgebäck …
So lecker Wassermelonen, Erdbeeren und Eis auch schmecken: Herbst und Winter sind wirklich großzügig mit kulinarischen Genüssen. - Sauna, Kaminfeuer, Wärmflaschen, Kuschelsocken … Die Wärme der Sommersonne ist himmlisch, die kuschlige Winterwärme auch!
- Der Duft von Herbstlaub, Vanille und Zimt, Orangen, Tannenzweigen und harzigen Kieferzapfen
- Klare Luft, eingehüllt in Nebel, goldenes Oktoberlicht, das Leuchten von rot-gelbem Herbstlaub, Hagebutten, Eicheln, Bucheckern, Kastanien … Im Herbst gibt es an jeder Ecke Natur zu entdecken und es wirkt, als gibt sie farblich noch einmal alles vor der Winterpause.
Und dann folgen von Frost überzogene Zweige, Schneeflocken, Eiszapfen, sichtbar funkelnde Kälte. - Ich liebe die Beleuchtung in den Gassen unserer Stadt, das warme Kerzenlicht und die Lichterketten in den Gärten um uns herum, die ihre Wirkung erst entfalten können, wenn es richtig dunkel ist.
- In dieser Zeit umgibt mich eine andere Art von Ruhe. Wie im Tier- und Pflanzenreich merke ich jedes Jahr, dass es Zeit wird für Rückzug, Entschleunigung, mehr Schlaf und Erholung. An hellen Sommerabenden früh ins Bett zu gehen, macht deutlich weniger Freude.
- Wenn es draußen nass, kalt und dunkel ist, kann ich mich ohne schlechtes Gewissen oder Angst, etwas zu verpassen, gemütlich zuhause einmummeln und die Ruhe nutzen zum Lesen, Serie schauen, Puzzeln und nebenbei einem Hörbuch lauschen. Oder um Dinge nachzuholen, die im Sommer liegengeblieben sind.
Ist doch genug Elan für Gesellschaft da, laden Herbst und Winter ein zum Pilze sammeln, Wintergrillen oder Schlendern über Weihnachtsmärkte. - Da in die dunkle Zeit auch unser kalendarisches Jahresende fällt, ist es ein guter Zeitpunkt, um das Jahr Revue passieren zu lassen. Was waren erfüllende Begegnungen und Momente? Was möchte ich loslassen, so wie es uns der Herbst vormacht? Für was möchte ich Kraft sammeln, um im Frühling wieder gut ausbalanciert starten zu können?
Mit den ersten Schneeglöckchen weiß der Winterblues, dass seine Zeit zu Ende geht
Ich könnte die Liste aus überzeugter Begeisterung noch ergänzen und gleichzeitig geht auch mir ehrlicherweise irgendwann die Puste aus. Wenn das bunte Herbstlaub braun geworden ist, statt Schnee nur noch Matsch auf den Straßen liegt und mir Regen und Kälte in die Knochen gekrochen sind, bin ich der Pullis und Wärmflaschen müde. Irgendwann habe ich genug heiße Schokolade getrunken und sehne mich nach Sonne, T-Shirt-Temperaturen und Zitroneneis.
Dann ist mein Lichtblick das Auftauchen der ersten Schneeglöckchen, die ich jedes Jahr aufs Neue mit einem Triumphgeheul begrüße. Eine liebe Freundin und ich schicken uns schon sehr lange jährlich jeweils ein Foto der ersten Kastanie, die in die Jackentasche wandert und des ersten Schneeglöckchens, das wir entdecken.
2024 war das am 25. Januar. Das heißt, schon Ende Januar, wenn die Lust auf Winter schwindet, erscheint das manifestierte Versprechen, dass auch diese dunkle Periode ein Ende haben wird. Auch nach diesem Winter scheint uns die Sonne wieder ins Gesicht, die Vögel singen lauter, die Natur erwacht von Neuem und unsere Kräfte kehren zurück. Ab da kann ich die Knospen zählen, bis endlich wieder Frühling ist.
Die dunkle Jahreszeit hat auch ihr Gutes
So muss man vielleicht gar nicht unbedingt Fan der dunklen Zeit werden. Wenn man für die farbenfrohe Magie des Herbstes oder die Mystik des Winters nicht empfänglich ist, ist es vielleicht der Rhythmus der Jahreszeiten, der daran erinnert, dass wir Teil der Natur sind und Balance nur durch den Wechsel von Aktivität und Rückzug entsteht. Nach ein paar dunklen Monaten ist es leichter, Licht, Sonne und Wärme wieder zu schätzen. … Und der Winterblues schmilzt auch weg.
Gebt der dunklen Zeit eine Chance. 🙂
Franziska Iwanow
… lebt mit ihrem Mann, 4 Kindern und einem Familienhund in Regensburg.
Seit 2009 arbeitet sie in eigener Praxis als Systemische Beraterin und Entspannungspädagogin. Sie leitet Familienaufstellungen und veröffentlicht seit 2020 zusammen mit ihrer Freundin Sophie den Podcast Mutmachgespräche.
Franziska liebt Theater, Opernbesuche, Konzerte, lange Spaziergänge an der Donau und ist immer gespannt auf Lebensgeschichten, die Mut und Zuversicht wecken. „Etwas zu good news for you beitragen zu dürfen, ist mir eine große Freude!“
Zum Nachhören: https://franziska-iwanow.com/podcast-mutmachgespraeche/
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Eine Antwort
Hallo Frau Iwanow,
vielen Dank für den tollen Artikel. Sie sprechen mir aus der Seele. Ich bin auch ein Freund der dunklen Jahreszeit. Für mich fängt die schönste Zeit des Jahres mit den Herbstmonaten an. Ich finde der Herbst und Winter bietet eine Zeit indem man früher am Tag zur Ruhe kommt. Der Sommer treibt mich noch abends aus dem Haus, obwohl ich es nicht möchte. Der Herbst und Winter ist einfach gemütlich und ich mag es mich zurück zuziehen. Die Zeitumstellung im März auf die Sommerzeit fällt mir sehr schwer. Es ist einfach zu lange hell. Lange Rede kurzer Sinn. Gratulation zu Ihrem Beitrag zu Gunsten der dunklen Jahreszeit. Ich fühle mich verstanden
Liebe Grüße
Christel
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