von Isolde Hilt
Ich hatte mich selbst vor die Wahl gestellt: ein erstes eigenes Buch schreiben oder ein Online-Portal für konstruktive Nachrichten aufsetzen. good news for you hat gewonnen. Glücklicherweise können wir nicht in die Zukunft sehen. Vieles würden wir sonst gar nicht erst anfangen. Heute, nach acht Jahren, bin ich zuallererst einmal dankbar und auch stolz, dass es uns nach wie vor gibt und wir es so weit geschafft haben. Das ist in einer Medienlandschaft, die sich grundlegend verändert (hat), in der gefühlt irgendwie alle kämpfen, und nicht nur der Einsatz von KI die Art der Berichterstattung tiefgreifend beeinflusst, in meinen Augen ein kleines Wunder. Doch wie geht es weiter? Ich möchte gerne ein paar persönliche Einsichten, Gedanken mit euch teilen, eine Bestandsaufnahme, und euch um Unterstützung bitten.
1. Über die Kraft der Naivität und dass man es am Anfang glücklicherweise nicht besser weiß
Zu Beginn dachte ich: „So cool! Jede Woche drei konstruktive Beiträge – als Artikel, Interview, Podcast, Video … Wir lernen viele Leute kennen, die sich mit ihrer Arbeit für eine bessere Welt einsetzen. Wir vernetzen uns und stärken uns so gegenseitig. Und ich bin die meiste Zeit gut drauf.“
Nun, ich bin inzwischen nicht schlecht drauf, aber ernüchtert. Oft denke ich an einen Appell, den Dr. Jane Goodall letztes Jahr in München am Day of Hope an ihr Publikum richtete. Sinngemäß mahnte sie, nicht nur sein eigenes Vorhaben im Blick zu haben, sondern vernetzt zu denken und zu handeln, wenn man etwas erreichen möchte.
Eine Erkenntnis: Unser Denken ist immer noch zu stark von Wettbewerb und wer der oder die Bessere ist, geprägt. Es bleibt ein Kampf um Likes, sich Bemerkbarmachen, etwas ganz Besonderes sein, um zu überleben.
Kann man sich, wenn man nicht zu den großen Playern gehört und eine andere Haltung leben möchte, auf diesem Markt auf Dauer behaupten?
2. Gemeinwohlorientiertem Journalismus fehlt der starke Rücken
Ende Juli hieß es, Bund und Länder hätten sich darauf verständigt, die Bedingungen für gemeinnützigen Journalismus zu verbessern. Es soll eine Änderung im Anwendungserlass zur Abgabenordnung geben. Wie Netzwerk Recherche festhält, gibt es jedoch dazu kein neues Gesetz, das etwas verbindlich regelt, sondern nur eine Interpretationshilfe für Finanzämter. Anders gesprochen:
Die Anerkennung der Gemeinnützigkeit für Non-Profit-Journalismus liegt im Ermessen der jeweiligen Finanzbehörde. Hier wird entschieden, ob man den „§ 52 Absatz 2 Nummer 7 Abgabenordnung“ erfüllt – die „Förderung der Bildung“.
Was das u. a. zur Folge hat, haben Reporter ohne Grenzen in einem offenen Brief im Sommer an Medien- und Finanzpolitiker*innen adressiert: „Die Zahl der Stiftungen, die in Deutschland gewinnzweckfreie journalistische Projekte unterstützen, ist überschaubar. Das liegt nicht zuletzt daran, dass philanthropische Geldgeber bei der Projektauswahl ihrerseits auf Rechtssicherheit angewiesen sind und sich daher an der Liste gemeinnütziger Zwecke in der Abgabenordnung orientieren.“
Fakt ist: Wir können bisher für eingegangene Spenden keine Spendenquittungen ausstellen, die man steuerlich absetzen kann. Jede Spende haben wir als normale Einnahme zu versteuern. Ich danke an dieser Stelle allen, die uns trotzdem schon seit vielen Jahren unterstützen oder uns zwischendurch eine Spende zukommen lassen.
3. Bewirkt unsere Arbeit von good news for you etwas?
Wieviele Kinder konnten mit frischem Trinkwasser oder einer Schulmahlzeit versorgt werden? Aus dem Meer wurden in diesem Jahr so und so viele Tonnen Plastik gefischt. Bei der Notruf-Hotline melden sich etwa 10- bis 15.000 Menschen pro Jahr, denen geholfen werden konnte …
Zahlen, die wir so nicht vorlegen können, zu denen wir aber indirekt beitragen. Über uns erfahren Menschen von der Arbeit gerade kleinerer Organisationen, die kein oder wenig Geld für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit haben, und spenden dann. Wir genießen eine hohe Glaubwürdigkeit. Andere Medien entdecken gerne einmal auch ein Thema bei uns.
Hinter den Kulissen sind wir oft Anlaufstelle für Sorgen und Nöte von Menschen. Wir nehmen uns die Zeit, um weiterzuhelfen und auf passende Beratungsangebote hinzuweisen. Und immer wieder erreicht uns auch ein Dankeschön, weil eine Spende, ein neuer wertvoller Kontakt nur über uns zustande gekommen sein kann.
Fazit: Im Verborgenen bewirken wir eine Menge. Nicht zuletzt geben wir viele Denkanstöße und regen zum Austausch an.
PS: Im Jahr 2020 hat es good news for you in der Studie „Nachrichten mit Perspektive. Lösungsorientierter und konstruktiver Journalismus“ der Otto Brenner Stiftung auf die Liste der Best Practice-Beispiele geschafft – gemeinsam mit internationalen Medien. Da war selbst ich baff.
4. Mag man die ganze Zeit konstruktive Nachrichten hören, lesen, sehen?
Ich bin mir da nicht mehr so sicher. Zu stark sind unsere Interessen und Neigungen von dem geprägt, was den Ton angibt. Konstruktive Nachrichten können auf Dauer anstrengend bis unbequem sein. Sie lassen einen nicht in der Komfortzone, wie das bei schlechten Nachrichten eher der Fall ist. Bei letzteren kann man sich leichter aufregen und dann distanzieren, weil man da ja doch nichts ändern kann.
Ich spreche aus eigener Erfahrung. Unsere Entscheidung für konstruktive Nachrichten geht nicht spurlos an mir vorbei. Zunehmend mehr hinterfrage ich in meinem Leben das eine oder andere: Was verursache ich mit meiner Art zu leben? Wie bin ich zum Beispiel unterwegs? Was esse ich, welche Kleidung kaufe ich bei wem? Wo trage ich meinen Teil zu etwas bei und wo mache ich mir selber etwas vor?
Erkenntnis: Und eines „muss“ ich mir immer wieder auch selbst eingestehen: Wir können als Einzelne so viel mehr bewegen als wir uns allgemeinhin bewusst machen. Es gibt genügend Menschen wie dich und mich, die neue Perspektiven aufzeigen und mit Leben füllen.
5. Ist eine Arbeit wie unsere gesellschaftlich überhaupt gewollt?
Auch da bin ich mir nicht sicher … Ab und an eine zuversichtliche, lösungsorientierte Nachricht – das ist doch eine feine Sache. Viele große Medien haben diese Idee in ihr Programm aufgenommen. Doch die ganze Zeit?
Ein Gedankenspiel: Stellen wir uns vor, wir erhalten – sagen wir einen Monat lang – Nachrichten, die uns bei all dem Schlimmen, das passiert, zugleich Möglichkeiten mit aufzeigen, was wir tun können … Das Bild, das dazu bei mir im Kopf entsteht: Es brächte Menschen wieder mehr zusammen. Bei gemeinsamen Aktionen würden sie nicht nur die Kraft einer Gemeinschaft neu erleben, sondern auch ihre ganz persönliche. Das macht selbstbewusst. Je mehr ich mich mit mir und anderen auseinandersetze, umso besser kann ich Entscheidungen treffen, was ich will und was nicht. Die Angst und das Manipuliert-Werden-Können, die in unserer Gesellschaft insbesondere auch aufgrund der Digitalisierung zunehmend stärker um sich greifen, hätten nicht mehr dieses große Spielfeld.
An dieser Stelle sei noch einmal auf Punkt 2. verwiesen.
6. Vielleicht doch mit dem Trend gehen, weil es die anderen auch so machen?
Ist das nicht genial? Bei dieser gigantischen Nachrichtenflut, die niemand mehr bewältigen kann, eine Auswahl erhalten – zugeschnitten auf meine vermeintlichen Interessen, formuliert in der Sprache, die zu mir und meiner Zielgruppe passt. Mit KI und all den Möglichkeiten, die sie bietet, immer weniger ein Problem.
Doch was bedeutet das auf Dauer? Viele andere Themen, von denen ich gar nichts weiß, Perspektiven, von denen ich noch nie gehört habe (und deshalb auch nicht auf die Idee komme, danach zu fragen und zu suchen), erreichen mich nicht mehr. Meine Bereitschaft, generell offen für Neues zu sein, erhöht sich dadurch nicht.
Die Algorhythmen auf Social Media-Kanälen machen es vor. Du folgst Accounts, die du einmal interessant fandest, bekommst aber nichts mit, weil dir ihre Inhalte in deinem Feed nicht angezeigt werden.
Die Vielfalt des Lebens, die so groß scheint wie nie zuvor, geht uns persönlich verloren, weil wir von ihr zunehmend abgeschnitten sind. Für demokratische Systeme, die auf der Grundlage von Meinungsvielfalt und der Fähigkeit, sich selbst ein Urteil bilden zu können, fußen, ist das ein Damoklesschwert.
7. Wie wir bei good news for you arbeiten und warum es bisher immer noch gegangen ist
Seit knapp acht Jahren veröffentlichen wir kostenfrei jede Woche drei redaktionelle Beiträge als Artikel, Interview, Podcast, Portrait, Reportage, Video – darunter die good news der Woche. Unser Team besteht aus Medien- und Kommunikationsprofis. Jedem einzelnen Mitglied bin ich zutiefst dankbar, dass es sein Know-how einbringt, auch wenn nur ein Anerkennungs- und kein adäquates Honorar möglich ist. Alle teilen mit mir die Hoffnung, dass wir mit unserer Arbeit sehr wohl einen nützlichen Beitrag zu einer umsichtigeren, friedlicheren und liebevolleren Welt leisten.
Und vielleicht das Wichtigste: Uns geht es nicht nur um Inhalte. Wir möchten zu einer Haltung beitragen, die hilft, dass wir uns wieder mehr zuhören, andere ausreden lassen, auch wenn wir diese Meinung nicht teilen. Dass wir uns in einem Ton und einer Sprache verständigen, die andere wertschätzt, auf Augenhöhe sieht und nicht abwertet, lächerlich macht, diffamiert.
Ich habe uns oft als ein kleines Boot im großen Medienteich im Kopf, das robust und wendig ist. Ich hoffe und wünsche mir sehr, dass wir noch eine ganze Weile mit von der Partie sind.
Dass wir so lange bestanden haben, ist insbesondere auch all den Menschen zu verdanken, die unsere Arbeit mit Spenden unterstützen. Von Herzen Danke!
8. Unser Wunsch, unsere Bitte an dich und euch
Sagt dir zu, was wir tun? Magst du uns unterstützen? Das würde uns sehr helfen!
Eine kleine Übersicht an Möglichkeiten:
- Wir freuen uns über redaktionelle Unterstützung, auch in Form von Zweitverwertung von Beiträgen, die für good news for you passen könnten und die ein weiteres Mal veröffentlicht werden dürfen. Es kann nicht genug Mutmachendes, Lösungsorientiertes hinaus in die Welt!
- Ihr helft uns, wenn ihr uns auf Instagram, Youtube, LinkedIn folgt und unsere Beiträge bei Gefallen liked oder kommentiert. Leider spielen Zahlen dort doch eine erhebliche Rolle.
- Hältst du schon länger nach einer Möglichkeit Ausschau, etwas, das du gut findest, zu unterstützen Und wir würden da gut passen? Dann melde dich gerne!
- Bist du evtl. ein Vertriebsprofi, hast Zeit, Know-how und Lust zu gucken, was geht? Im Sinne von: „Ich habe da eine Idee, wie wir anders für euch Einnahmen generieren können.“ Hierzu ist zu sagen, dass wir alle Zeit und finanzielle Ressourcen insbesondere in das Betreiben unserer Plattform und in redaktionelle Arbeit gesteckt haben und stecken. Wir üben alle einen Hauptberuf aus, der uns den Lebensunterhalt sichert.
- Vor allem sind wir aber auch auf Spenden angewiesen, die in der Zeit nach Corona deutlich zurückgegangen sind. Wir freuen uns über jeden Betrag – ein Abo, eine Einmalspende –, weil wir ihn zugleich auch als eine Anerkennung unserer Arbeit verstehen.
Vielen Dank, dass ihr euch die Zeit zum Lesen genommen habt!
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PS: good news for you hat auch Novalis wieder zum Leben erweckt 🙂
Diese Zeilen – ein Gedicht des deutschen Schriftstellers und Philosophen aus dem Jahr 1800 – folgen mir seit Tagen. Ich füge sie deshalb hier noch mit an:
Wenn nicht mehr Zahlen und Figuren
sind Schlüssel aller Kreaturen
wenn die, so singen oder küssen,
mehr als die Tiefgelehrten wissen,
wenn sich die Welt ins freie Leben
und in die Welt wird zurückbegeben,
wenn dann sich wieder Licht und Schatten
zu echter Klarheit werden gatten
und man in Märchen und Gedichten
erkennt die wahren Weltgeschichten,
dann fliegt von einem geheimen Wort
das ganze verkehrte Wesen fort.
Novalis (1772 bis 1801)
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Eine Antwort
Vielen Dank, liebe Isolde und liebes Team, für eure Arbeit. Ich habe seit langem den negativen Nachrichten abgeschworen und genieße deshalb, dass es solche Portale wie dieses hier gibt.
Es ist eine Art „Entwöhnung“, die sich aber für mich auszahlt. Ich wünsche mir noch mehr, viel mehr von euch. Alles Gute und Durchhalten. Das Gute setzt sich durch.
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