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Den "Urlaubsblues" überwinden:

„Ich setze mir Puffer, bevor ich wieder in den Alltag einsteige.“

Nach dem Urlaub kommt der „Urlaubsblues“. Der Alltag scheint grau und belastend. Wie man ihm begegnet und sich den Übergang erleichtert, haben wir mit Psychotherapeut Steffen Landgraf im Interview besprochen.
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Interview: Kristin Frauenhoffer

Kennt ihr das auch? Je mehr man sich der Heimat annähert, wenn man aus dem Urlaub kommt, umso mehr macht sich eine gewisse Melancholie breit. Das mag vielleicht daran liegen, dass das Ende eines Urlaubs meist mit endlosen Fahrten auf öden Autobahnen oder an ungastlichen Orten wie Flughäfen oder Bahnhöfen endet. Zum größeren Teil aber an der Aussicht, dass jetzt der Alltag wieder einzieht und die Unbeschwertheit der freien Zeit endet. Der Urlaubsblues macht sich breit!

Da wird schon auf der Rückreise die To-Do-Liste in Gedanken durchgegangen und manchmal stellt man mit Erschrecken fest, dass man direkt am Montag einen wichtigen Termin hat. Wenn dann auch noch – wie jetzt – das Wetter eher Richtung Herbst tendiert, sinkt die Stimmung meist noch tiefer in den Keller. Zumindest ist das bei mir so. Am Ende jedes schönen Urlaubs erfasst mich dieser „Urlaubsblues“, den ich früher das „Ferienlagersyndrom“ nannte. Der Moment, in dem man merkt, dass der Zauber verschwindet. Und weil mich dieses Gefühl schon seit meinen Kindertagen nach den Ferien begleitet, habe ich mich mit einem Experten, dem Psychotherapeuten Steffen Landgraf, ausgetauscht. Welche Tipps hat er, um besser damit umzugehen?

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Hallo Steffen, du bist auch gerade aus dem Urlaub zurück. Wo warst du denn?

Wir waren in Berlin bei der Familie und in Italien am Gardasee.

 

Viele Menschen tun sich schwer, nach dem Urlaub zurück in den Alltag zu kommen. Eine gewisse Melancholie macht sich breit – der Urlaubsblues. Kennst du das auch?

Ja, das kenne ich gut, und es ist etwas, das viele Menschen erleben. Diese sogenannte „Post-Urlaubs-Melancholie“ oder auch „Urlaubsblues“ ist ein bekanntes Phänomen. Gerade, wenn man nach einer Abwesenheit aus dem Alltag wieder einsteigt, berichten viele, dass sie eine gewisse Beklommenheit verspüren. Ich persönlich habe es mal nach einem langen Urlaub in den USA erlebt, dass ich mich gefühlt habe, als käme ich zurück ins Hamsterrad.

 

Warum ist das so?

Nun, während des Urlaubs haben wir oft die Gelegenheit, uns von den alltäglichen Verpflichtungen zu lösen und uns auf Dinge zu konzentrieren, die uns Freude bereiten – sei es Erholung, neue Erlebnisse oder einfach Zeit mit den Liebsten. Zurück im Alltag fällt dann oft auf, wie stark der Kontrast zwischen der freien Urlaubszeit und dem stressigen Alltag sein kann.

Interessanterweise sagt uns die Melancholie etwas über unsere Alltagsgestaltung. Wenn wir uns im Alltag dauerhaft überlastet oder unzufrieden fühlen, wird der Urlaub als befreiend wahrgenommen. Die Rückkehr fühlt sich umso schwerer an.

 

Wie kann man den Übergang von einem eher sorglosen Leben wie im Urlaub hin zu einem normalen Alltag mit diversen Verpflichtungen leicht(er) gestalten? Hast du Tipps?

Der Übergang vom sorglosen Urlaubsleben in den Alltag mit all seinen Verpflichtungen kann herausfordernd sein. Hier ein paar Tipps, die man darunter zusammenfassen kann: Den Urlaub (noch ein bisschen) mit nach Hause nehmen.

  • Den Übergang sanft gestalten: Wenn möglich, nicht direkt nach dem Urlaub wieder voll durchstarten. Einen oder mehrere Tage zu Hause einplanen, um anzukommen, Haushalt etc. zu erledigen und sich auf die Arbeit einzustellen.
  • Kleine Freuden im Alltag einbauen: Kleine Rückzugsorte oder -phasen – wie ein gutes Buch am Abend, Zeit für ein gemeinsames Essen oder einen Spaziergang. So fühlt sich der Alltag nicht nur nach „Pflichten“ an.
  • Rituale beibehalten: Gab es etwas, das im Urlaub regelmäßig gemacht wurde? Wie etwa gemeinsames Kaffeetrinken, Eisessen oder ein paar Minuten auf einer Bank sitzen? Man könnte versuchen, einiges vom Ablauf des Urlaubs auch im Alltag zu integrieren.

 

Für Eltern:
Der Alltag mit Kindern kann stressig sein. Daher ist es wichtig, auch für die Familie feste Pausen oder schöne gemeinsame Aktivitäten zu schaffen. Gleichzeitig kann es helfen, die Kinder sanft wieder an den Alltag zu gewöhnen – durch Routinen, aber auch durch Spiel und Spaß, um den Übergang leichter zu machen.

 

Was kann man tun bei Urlaubsblues und Verstimmungen, die mit dem Einfinden im Alltag einhergehen?

Es ist sinnvoll, den Alltag so zu gestalten, dass man ihn mag. Ich gebe zu, das ist leichter gesagt als getan. Aber es lohnt sich. Beispielsweise eine Tätigkeit suchen, die einem gefällt und Spaß macht. Oder regelmäßig Zeit für sich einplanen, um dadurch mehr Energie zu haben. Auch die Urlaubsgefühle in den Alltag zu integrieren, kann helfen: sei es durch Hobbys, soziale Kontakte oder das Planen von etwas, auf das man sich freut wie etwa ein Wochenendausflug oder ein netter Abend. Das alles kann helfen, diese Übergangszeit leichter zu überbrücken. Als Tipp noch: Es ist auch vollkommen okay, sich die Urlaubs-Melancholie zu erlauben. Der Urlaubsblues zeigt, dass der Urlaub eine wertvolle Zeit war.

 

Manche Menschen fahren ja gar nicht gern weg. Haben die es leichter, nach einer Pause wieder einzusteigen?

Ja, Menschen, die nicht gern verreisen, haben oft weniger Schwierigkeiten, nach einer Pause wieder in den Alltag einzusteigen. Für sie ist das Zuhause ein vertrauter, sicherer Ort. Der Übergang in die Umgebung und in Routinen fühlt sich nicht so abrupt an. Das kann den Wiedereinstieg in den Alltag erleichtern.

Allerdings bedeutet das nicht unbedingt, dass sie weniger Erholung brauchen. Auch wenn sie lieber zu Hause bleiben, ist es wichtig, dass sie sich gezielt Auszeiten nehmen und bewusst entspannen. Das kann genauso erholsam sein wie ein Urlaub in der Ferne.

 

Brauchen wir eigentlich Urlaub?

Als ehemaliger Leichtathlet fällt mir dazu immer das Beispiel meines Trainers zum Einhundertmeter-Lauf ein: Wenn man sich einmal in Zeitlupe die 100 Meter-Sprinter oder -Sprinterinnen anschaut, sieht man, dass sie die Muskeln im Wechsel voll anspannen und dann auch wieder voll entspannen. Je besser sie sie entspannen, desto besser können sie sie auch anspannen. Oder auf den Urlaub übertragen: Ja, wir brauchen definitiv Urlaub. Urlaub ist essenziell, weil er uns die Möglichkeit gibt, physisch und mental abzuschalten, zu regenerieren und den Verpflichtungen, dem Stress und der Hektik des Alltags zu entkommen. Damit wir unsere „Batterien wieder aufladen“. Es geht dabei nicht darum, wegzufahren oder etwas Bestimmtes zu tun. Es geht darum, im Urlaub Zeit für Schönes zu haben, Abstand von der Routine zu gewinnen und neue Perspektiven zu entwickeln. Damit wir im Wechsel zwischen Erholung und Leistungserbringung unser Wohlbefinden stärken.

 

Wie leicht oder schwer fällt dir das Zurückkommen? Hast du bestimmte Rituale, um einen Urlaubsblues zu überwinden?

Auch mir fällt das Zurückkommen manchmal leichter, manchmal schwerer. Aus diesem harten und anstrengenden Zurückkommen aus meinem oben erwähnten USA-Urlaub habe ich ein paar Sachen mitgenommen, die mir jetzt helfen:

  • Langsam Ankommen: Ich setze mir jetzt bewusst einen Puffer, bevor ich wieder in den Alltag einsteige. Nicht nur ein paar Tage an sich, sondern auch die Intensität, mit der ich wieder einsteige, habe ich heruntergeschraubt. Also in den ersten Tagen arbeiten, weniger Arbeit planen.
  • Erinnerungen pflegen: Ich habe es mir zur Routine gemacht, den Urlaub nachzuerleben. Mir Fotos mit der Familie anzuschauen, einen kleinen Film zu produzieren oder mich darüber zu unterhalten. Das bringt mich auf positive Gedanken, die mir durch den Alltagsstress helfen.
  • Ich freue mich auf etwas: So setze ich mir ganz bewusst in den ersten Tagen und Wochen nach dem Urlaub bestimmte Highlights. Ich bin Sport-Fan und schaue mir dann beispielsweise in Regensburg ein Fußball- oder ein Eishockey-Spiel im Stadion an, gehe auf ein Kinderfest mit meiner Familie oder esse ein leckeres Stück Kuchen. Kleine Dinge, die die Laune heben und den Alltag auflockern eben.

 

Wie kann man die Leichtigkeit des Urlaubs dauerhaft in den Alltag retten? Oder macht gerade der Kontrast den Urlaub zu etwas Besonderem? 

Steffen Landgraf ist Psychotherapeut, Coach und Autor.

Spannende Frage! Natürlich kann man versuchen, durch kleine Verhaltensweisen wie etwa bewusste Pausen, durch die Übernahme von Urlaubsritualen oder einen gelasseneren Umgang mit Stress etwas von der Leichtigkeit der Urlaubszeit in den Alltag mitzunehmen. Aber macht das denn eigentlich Sinn? Ist nicht gerade der Kontrast zwischen Alltag und Urlaub, das, was die Urlaubszeit so besonders macht?

Meiner Meinung nach benötigen wir Stress genauso wie Ruhe, Herausforderungen genauso wie Leichtigkeit und eben Urlaub genauso wie Alltag. Wohlbefinden ist ein Prozess des Gleichgewicht-Haltens. Sich darüber freuen, dass der Urlaub gewesen ist und die neuen Herausforderungen anzugehen, ist eine Art, dieses Gleichgewicht zu leben.

Mehr Infos zu Steffen Landgraf: https://www.praxislandgraf.net/

 

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2 Antworten

  1. Als Kind war ich am letzten Urlaubstag immer unendlich traurig. Ich erinnere mich noch genau an das Gefühl, wenn wir im Transferbus zum Flughafen saßen. So extrem spüre ich das jetzt nicht mehr. Was mir hilft:

    1. Auf der Rückreise bereits den nächsten Urlaub oder Kurztrip andenken.
    2. Mir klar machen, wie unglaublich dankbar ich dafür bin, überhaupt diesen Urlaub gehabt zu haben.
    3. Die Nachbarn einladen (passen auf unseren Kater auf) und ein Menü aus der Urlaubsregion zaubern inkl. passender Musik

    🙂

  2. Danke für diesen Beitrag. Ich habe mich immer sehr alleine gefühlt mit meiner Schwierigkeit , hier wieder anzukommen. Nun habe ich wertvolle Tipps bekommen und fühle mich weniger alleine.

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