Interview: Isolde Hilt

„Fermentieren liegt im Trend. Die Menschen wollen zurück zu den Wurzeln, Dinge selbst machen, wissen, was in ihren Lebensmitteln steckt. Und dabei vielleicht noch Geld sparen oder auf Nahrungsergänzungsmittel verzichten.“ Stellt Thore Hildebrandt fest, der sich als veganer Koch einen ausgezeichneten Ruf erworben hat. Leicht und herrlich undogmatisch vermittelt er, dass Kochen generell Spaß machen kann. Zugleich hat er ein gutes Gespür und immer im Blick, wie man sich gesund und auch kostengünstig ernährt. Fermentieren, das natürliche Haltbarmachen von Lebensmitteln, nimmt da einen wichtigen Platz ein.
In diesem Gespräch macht einem Thore das Fermentieren schmackhaft. Seine Kurse, ob persönlich oder online, begeistern auch absolute Neulinge. Mit Humor und leicht verständlich erklärt, sind die ersten Erfolgserlebnisse gleich mit haltbar gemacht.
Thore, wie hast du das Fermentieren für dich entdeckt?
Meine Entdeckung war ein glücklicher Zufall. Kimchi (fermentiertes Gemüse) kannte ich schon aus meiner Zeit in Asien, aber selbst fermentiert hatte ich nie. Eines Tages wollte ich Blumenkohlröschen einkochen, denn ich liebe Gewürzgurken. Ich übergoss sie mit einem heißen Sud und dachte: „Alles klar, fertig, passt.“ Doch dann passierte etwas Unerwartetes:
Die Bio-Blumenkohlröschen begannen zu fermentieren! Die heiße Lake hatte die Milchsäurebakterien nicht abgetötet – sie sterben erst ab etwa 72 °C, egal, ob gute oder schlechte Bakterien. Als ich das Glas öffnete, perlte es leicht, es roch angenehm säuerlich, und der Geschmack war spannend. Freunde nannten sie Champagner-Röschen. Neugierig, was da passiert war, recherchierte ich und stellte fest: Ich hatte versehentlich fermentiert und mich dabei sofort in diese Methode verliebt.
Wie läuft der Vorgang des Fermentierens im Detail?
Es gibt viele Arten der Fermentation: Brot, Bier, Wein oder Käse, um nur einige zu nennen. Heute geht es hier aber um die Fermentation durch Milchsäurebakterien, die auf zwei Hauptmethoden basiert:
Salzkneten, z. B. für Sauerkraut:
Hierbei wird das Gemüse, beispielsweise Weißkohl, fein geschnitten und mit Salz geknetet. Durch das Kneten tritt Flüssigkeit aus, die das Gemüse in seinem eigenen Saft einlegt. Das sorgt für die perfekte Umgebung für die Milchsäurebakterien.
Salzlake, z. B. für Blumenkohlröschen oder Karottensticks:
Diese Methode eignet sich, wenn die Form des Gemüses erhalten bleiben sollen. Hier wird eine 2%-ige Salzlake (2 g Salz auf 100 ml Wasser) zubereitet und über das Gemüse gegossen. Milchsäurebakterien lieben ein Milieu mit einem Salzgehalt von 2 bis 7 Prozent. Da zu viel Salz für uns ungesund ist, sind 2 Prozent eine gute Faustregel. Egal, ob du Salzlake aufgießt oder das Gemüse direkt mit Salz einreibst: Beide Methoden schaffen die ideale Umgebung für eine erfolgreiche Fermentation.
Du hast dich auf veganes Fermentieren spezialisiert. Worin besteht der Unterschied?
Grundsätzlich kannst du alles fermentieren, was du roh essen kannst. Das ist ein guter Startpunkt. Beim Fermentieren gibt es kleine, aber feine Unterschiede. Die meisten Gemüsesorten, die milchsauer fermentiert werden, sind ohnehin vegan. Aber beim klassischen Kimchi wird es spannend: Traditionell kommen Fischsoße und getrocknete Garnelen ins Spiel. In meiner veganen Variante, die ich liebevoll “Kraut nach Kimchi-Art” nenne, lasse ich diese Zutaten einfach weg.
Stattdessen kannst du den Geschmack des Meeres durch Zugabe von Wakame- oder Kombu-Algen erreichen, wenn du möchtest. Aber selbst ohne solche Zusätze funktioniert veganes Fermentieren wunderbar. Es bleibt genauso aromatisch und natürlich tierfrei – perfekt für alle, die pflanzliche Optionen bevorzugen.
Welche Lebensmittel lassen sich fermentieren? Worauf sollte man bei der Auswahl achten?
Die Faustregel ist einfach: Alles, was du roh essen kannst, kannst du auch fermentieren. Ein kleines Beispiel: Süßkartoffeln eignen sich, normale Kartoffeln nicht. Wichtig zu wissen ist, dass bei der Fermentation alles saurer wird – perfekt, um Aromen zu konservieren, aber der Zucker wird umgewandelt. Das süße Obst von heute wird also das säuerliche Ferment von morgen. Ein zweiter Punkt: Die Textur verändert sich, alles wird weicher. Weiches Obst oder Gemüse, aber auch zarte Kräuter werden oft matschig. Das solltest du im Hinterkopf behalten.
Bei der Auswahl der Zutaten ist Frische entscheidend. Ältere Lebensmittel können Keime enthalten, die dein Ferment ruinieren. Setze außerdem auf Bio-Qualität: Bio-Obst und -Gemüse haben oft mehr natürliche Milchsäurebakterien. Und chemische Pestizide oder Fungizide auf konventioneller Ware willst du weder in deinem Glas noch auf deinem Teller haben. Mit frischen, unbehandelten Zutaten legst du den Grundstein für leckere und erfolgreiche Fermente.
Wie schmecken die dann?
Fermente haben einen ganz besonderen Geschmack: leicht säuerlich, manchmal mit einem angenehmen Prickeln auf der Zunge. Die Konsistenz ist oft etwas weicher als bei der frischen Rohkost. Je nach Zugabe von Gewürzen wird das Aroma intensiver. Wenn du zum Beispiel Chili oder Koriandersaat hinzufügst, entfalten diese mit der Zeit ein kräftiges, tiefes Geschmacksprofil.
Bei Obst bleibt das Aroma erhalten, aber die Fruchtsüße verschwindet fast vollständig, je länger die Fermentation dauert. Am Ende hast du ein herrlich saures, milchsaures Obst – wunderbar gesund, aber nicht mehr süß. Ein echter Geschmacksschatz für alle, die neue kulinarische Horizonte entdecken wollen!
Fermentierte Lebensmittel sollen sehr gesund sein. Weshalb?
Fermentierte Lebensmittel sind kleine Gesundheitswunder. Das liegt an der Milchsäure und den Enzymen, die während der Fermentation entstehen. Sie wirken wie Wellness für unser Mikrobiom, also die Gemeinschaft der Darmbakterien.
Unser Darm beherbergt etwa 1,5 bis 2 Kilogramm Bakterien, die essenziell für ein starkes Immunsystem und unser allgemeines Wohlbefinden sind. Ungesunde Ernährung, Stress, Rauchen, Alkohol oder zu viel Zucker können dieses Gleichgewicht jedoch durcheinanderbringen. Die „guten“ Bakterien ziehen sich zurück und die „schlechten“ übernehmen das Kommando.
Hier kommen unsere Fermente ins Spiel: Sie helfen, das Gleichgewicht wiederherzustellen, indem sie die guten Bakterien fördern. Das stärkt nicht nur unsere Immunabwehr, sondern sorgt auch für mehr Energie und ein gutes Bauchgefühl. Ein echtes Plus für deine Gesundheit!
Vertragen das alle?
Leider nein, fermentierte Lebensmittel sind nicht für jede*n geeignet. Besonders Menschen mit einer Histaminunverträglichkeit können Probleme bekommen, denn fermentierte Lebensmittel enthalten oft hohe Mengen an Histamin. Falls du bemerkst, dass dir Rotwein, Sojasauce, Miso-Paste, Tomaten oder bestimmte Käsesorten Magen-Darm-Beschwerden bereiten oder Kopfschmerzen auslösen, könnte das ein Hinweis auf eine Histaminintoleranz sein.
Typische Reaktionen sind Bauchgrummeln, Unwohlsein oder sogar Kopfschmerzen nach dem Verzehr. In diesem Fall ist Vorsicht geboten. Da sollte man auf fermentierte Lebensmittel lieber verzichten, auch wenn sie sonst so gesund sind. Gesundheit geht immer vor. Dann lieber ärztlich abchecken lassen.
Du bietest Fermentieren für Anfänger*innen an. Was brauche ich dafür alles? Wie sieht der Einstieg aus?
Zum Fermentieren brauchst du wirklich nicht viel, das meiste hast du wahrscheinlich schon zu Hause. Ein Schneidebrett, eine Schüssel, ein scharfes Messer und ein paar Schraub- oder Bügelgläser reichen völlig aus. Was du allerdings mitbringen solltest, ist Neugier! Wenn du Lust hast, Neues zu lernen, und Spaß daran findest, selbst Hand anzulegen, dann bist du bereit.
In meinen Kursen zeige ich Schritt für Schritt, wie das Fermentieren funktioniert. Bei Präsenzkursen gibt’s oft auch gleich was zu probieren. Und wenn wir online zusammen fermentieren, kannst du nach 2 bis 3 Wochen dein erstes selbstgemachtes Ferment genießen. Es ist einfacher, als du denkst und macht richtig Laune. Aber du brauchst etwas Geduld!
Geduld … Du meintest, die eigene Ungeduld sei der größte Feind des Fermentierens. Wieso?
Ganz einfach: Fermentation ist ein Prozess, bei dem Mikroben ihre Arbeit machen, um Lebensmittel zu konservieren – unter Ausschluss von Sauerstoff. Das nennt man „anaerobe Fermentation“.
Der größte Feind? Deine Neugier! Wenn du das Glas vorzeitig aufmachst, um nachzusehen, zu schnuppern oder gar zu probieren, können Keime und Bakterien aus der Luft eindringen, die dein Ferment verderben könnten. Also, Geduld ist gefragt: Lass das Glas geschlossen, auch wenn’s schwerfällt. Du kannst ruhig mal etwas Kohlensäuregas ablassen, aber den Deckel schön geschlossen halten. Luft raus ist okay, Luft rein ist nicht so toll. Aber es lohnt sich!
Wie lange muss ich warten, bis ich Fermentiertes essen kann?
Wenn du es kaum erwarten kannst, dann kannst du dein Kraut oder Kimchi durchaus schon nach einer Woche probieren. Aber für das perfekte Ergebnis – also ein schön ausgereiftes, milchsaures Produkt, das richtig gut für dein Mikrobiom ist – empfehle ich mindestens drei bis vier Wochen. Die Milchsäurebakterien brauchen einfach Zeit, um sich richtig zu vermehren und den vollen Geschmack zu entfalten. Zimmertemperatur lieben sie.
Einige mögen es vielleicht nicht ganz so sauer und bevorzugen es etwas knackiger. Dann kannst du auch schon nach ein bis zwei Wochen kosten. Wichtig: Sobald das Glas geöffnet ist, ab in den Kühlschrank. Und immer mit sauberen Utensilien ran, damit dein Ferment auch wirklich lange frisch bleibt.
Wie lange halten solche Lebensmittel?
Fermentierte Lebensmittel haben eine erstaunlich lange Haltbarkeit. In der Regel sprechen Fachleute von einer Mindestzeit von neun bis zwölf Monaten bei dunkler Lagerung. Aber ich habe auch schon Kraut probiert, das über zwei Jahre im Glas und noch top war!
Auch fermentierte Orangen und Zitronen, die ich nach drei Jahren geöffnet habe, waren noch super. Du kannst sie dann sogar pürieren und wieder ins Glas packen. Sie bleiben weiterhin genießbar, solange sie keinen Schimmel angesetzt haben, nicht eigenartig riechen oder schmecken.
Kurz gesagt: Solange alles gut aussieht und riecht, kannst du dein fermentiertes Essen ohne Probleme auch lange genießen.
Welche fermentierten Lebensmittel begeistern deine Kursteilnehmer*innen am meisten?
Eindeutig Klassiker wie Sauerkraut und Kimchi! Das Kimchi, das ich mache, ist etwas milder und weniger scharf, was viele Teilnehmer*innen richtig schätzen. Aber auch ausgefallenere Sachen kommen super an wie eine Orangenpaste aus 100 Prozent Orangen oder fermentierte Cashewcreme. Die kannst du übrigens auch auf meiner Webseite finden. Diese beiden Leckereien sind echte Geheimtipps. Nicht zu vergessen, die fermentierten Blumenkohlröschen, die ich schon zu Beginn erwähnt habe. Die sind nicht nur lecker, sondern auch richtig schön anzusehen – ein echter Hingucker und tolles Geschenk!
Noch etwas, das dir wichtig ist zu erwähnen?
Traut euch, eure eigenen Fermente herzustellen! Es ist nicht nur eine kreative, sondern auch eine gesunde Erfahrung. Kürzlich war ich zu Gast bei der Apotheken Umschau, wo ich zwölf Videos rund ums Fermentieren für ihren YouTube Kanal gedreht habe. Schaut dort unbedingt mal vorbei, um zu sehen, was alles fermentiert werden kann.
Wenn ihr Lust habt, unter Anleitung zu fermentieren, dann kommt zu einem meiner Präsenzkurse hier in Berlin oder zu einem meiner Online-Kurse – egal, wo ihr gerade seid.
Lust, Fermentieren auszuprobieren?
Dann schreibt uns doch gleich an neues@goodnews-for-you.de mit dem Stichwort „#bindabei: Fermentieren!“. Thore Hildebrandt und wir von good news for you spendieren zwei Plätze für die Online-Kurse „Fermentieren“ im Februar und März! Auf Thores Webseite findet ihr viele kostenlose, tolle Rezepte, auch fürs Fermentieren, bei denen man augenblicklich selbst starten will. Einsendeschluss ist Mittwoch, der 29. Januar 2025. Der erste Online-Kurs findet bereits am Samstag, den 1. Februar 2025 um 10 Uhr statt. Viel Glück und lasst die Mikroben toben!
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