von Isolde Hilt

Man muss keiner Konfession angehören, um sich von diesen Bildern angezogen zu fühlen. Mag sein, dass man sich mit der Übersetzung des Sonnengesangs, so wie er vor 800 Jahren entstand, ins Deutsche nicht leicht tut. Jede Zeit hat ihre Ausdrucksweise, jede Kultur ihre eigenen Metaphern. Die Ausstellung „Sonnengesang“ von Thomas Ratjen aber, die er zu Ehren des Heiligen Franz von Assisi konzipiert hat, spricht ihre ganz eigene Sprache. Augenblicke des Lebens, der Schöpfung, an unterschiedlichen Orten auf dieser Welt eingefangen, berühren tief und lassen ahnen, dass wir doch alle miteinander verbunden sind.
In der Fotoausstellung „Sonnengesang“ im Kloster Pupping in Eferding bei Linz setzt Thomas Ratjen seinen Zugang zum Sonnengesang des heiligen Franziskus in Bilder um: „Fotografe bedeutet für mich immer Begegnung – mit den Menschen, die ich fotografiere, mit der Natur und letztlich mit mir selbst. Fotografieren empfinde ich oft als spirituelle Tätigkeit, die es mir ermöglicht, mit den Spuren Gottes in der mich umgebenden Wirklichkeit in Kontakt zu treten.“ Der Sonnengesang des heiligen Franziskus, so der Fotograf, sei ihm ein großes Vorbild und Inspiration, seinen eigenen Blick in dieser Welt auf Lebensfreude und Dankbarkeit auszurichten.
800 Jahre Sonnengesang des heiligen Franziskus von Assisi
Nachfolgend einige Bilder aus der Fotoausstellung „Sonnengesang“:
Sonnengesang: Nachdenklichkeit und selbstvergessenes Glück
Thomas Ratjen: „Die beiden Fotos entstanden in einem Kinderprojekt in der Stadt Garanhuns im Nordosten Brasiliens. Die creche (Kindergarten) Sta. Terezina begleite ich schon über viele Jahre und mit ihrem Gründer Msgn. Nelson verbindet mich tiefe Freundschaft. Ich dokumentierte im Februar 25 mit meiner Fotografie die Arbeit der creche für die Spender. Die Kinder kommen aus den nahen Elendsvierteln, in den Familien herrschen Gewalt und Hunger. Immer wieder sind Väter im Gefängnis, und die Kinder wachsen mit Müttern oder Großeltern auf. Neben Ernährung und medizinischer Versorgung nimmt in der creche das Spielen einen wichtigen Platz ein.
Selten sah ich so viel unverstellte kindliche Begeisterung, Schaukeln, Rutsche, einarmige Puppen, es wird gespielt und der Augenblick gefeiert mit aller Kraft. Kind sein dürfen, geschützt sein für ein paar Stunden am Tag. Der nachdenkliche Blick eines Mädchens prägt das erste Bild, in ihm drücken sich erfahrenes Leid
und Zukunftssorgen aus. Das kleine Mädchen auf dem zweiten Bild sitzt auf der Schaukel und genießt voll und ganz den Augenblick. Selbstvergessene Freude und Hingabe an das Schaukeln, an das Spiel und die Leichtigkeit. Auch in solchen besonderen geschenkten Momenten, in denen wir uns ganz an das Leben hingeben können, blitzt für mich göttliche Gegenwart auf.
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Sonnengesang: Umarmung
Thomas Ratjen: „Die Ruine der „Igreija do bom sucesso (Kirche des guten Erfolges)“ wird von einem mächtigen Feigenbaum beschattet, dessen Wurzeln die Kirchenmauern außen und innen ganz umschließen. Die verlassene Kirche liegt inmitten des Küstenurwaldes nahe der Stadt Joao Pessoa im Nordosten Brasiliens. Ich war am Faschingsdienstag früh am Morgen auf abenteuerlichen Wegen über halb überschwemmte Lehmstraßen mit dem Auto bis nahe der Kirche vorgedrungen. Ein einsamer alter Mann mit Fahrrad, der Müll sammelte, wies mir schließlich den Weg. Kaum hatte ich in der Stille einige Bilder gemacht, kamen Familien über Familien und der Platz belebte sich zu einer Art Fest.
Seit vielen Jahrzehnten ist diese alte Kirche nur noch Ruine, mit Hilfe des Baumes wächst ihr ein neues schützendes Dach.“
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Sonnengesang: Wassertropfen am Blatt des Olivenbaums
Thomas Ratjen: „Nach einem großen Regen hatte ich den Impuls, mit dem Makroobjektiv die Regentropfen an den Blättern der Olivenbäume zu fotografieren. Manche leuchteten wie Edelsteine, brachen das Licht, andere wiederum wirkten wie Vergrößerungslupen und man sah in ihnen die auf dem Kopf stehende Landschaft in Miniatur. Vergängliche Kunstwerke, nur für Momente beständig und geschaffen. In meiner Aufmerksamkeit teile ich diesen kurzen Moment mit ihnen.“
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Fotoausstellung „Sonnengesang“ von Thomas Ratjen
Die Ausstellung ist im Innenhof des Franziskanerklosters Shalom (Pupping 4, 4070 Pupping) bis einschließlich 1. November 2025 zu sehen. Geöffnet ist ganztägig. Der Eintritt ist frei, das Kloster freut sich über eine Spenden.
Und hier haben wir einen ersten Eindruck zur Fotoausstellung „Sonnengesang“ für euch, den Thomas aufgenommen und musikalisch begleitet hat:
Thomas Ratjen
… lebt als freier Fotograf und Musiker in Regensburg und Landshut. Nach langjähriger Tätgkeit in der sozialen Arbeit machte er seine Leidenschaf zum Beruf und studierte Fotografie an der Triagon Academie Berlin bei Stefan Maria Rother, einem Schüler des berühmten, vor kurzem verstorbenen brasilianischen Fotografen Sebastao Salgado.

2024 beauftragte das Deutsche Institut für Menschenrechte Berlin Thomas Ratjen, den jährlichen Bericht für den Deutschen Bundestag mit seiner Bilderserie „Heimat und Zukunfstraum“ zu gestalten. In Landshut betreibt er „DAS ATELIER“ als Fotostudio und Platz für freie Kunst und Kultur.
Zur katholischen Kirche im Nordosten Brasiliens hat Thomas einen besonderen Bezug. Er lebte dort über mehrere Jahre, arbeitete in Basisgemeinden mit, fuhr als Chaufeur der Kinderpastoral in die Elendsviertel. Einige brasilianische Bilder finden auf diese Weise ebenfalls Eingang in seine jüngste Ausstellung „Sonnengesang“.
Weitere Infos zu
Thomas Ratjen: https://www.ratjenphoto.com/
Franziskanerkloster Shalom Pupping: https://pupping.franziskaner.at/
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