good news in English!

Das Nachrichten-Portal für eine bessere Welt.

Das Migräne-Gehirn:

Schmerz und Hochleistung zugleich

Weitaus mehr Menschen, als man denkt, leiden unter Migräne. Was genau macht der Kopf da eigentlich? Und warum kann man das Gehirn auch als eine Hochleistungsmaschine bezeichnen?

Ein Beitrag zu UN-Ziel:

1

10

17

 

von Isabel Lemper

Ein Mensch,der sitzt und sich einen riesengroßen Kaktus vor den Kopf hält, der das ganze Gesicht verdeckt

Migräne ist eine recht komplexe und eine der häufigsten neurologischen Erkrankungen. Sie hat erhebliche gesundheitliche sowie gesellschaftliche Auswirkungen. Etwa 10 bis 15 Prozent der deutschen Bevölkerung sind davon betroffen. Die Ursache für Migräne wird Betroffenen genetisch in die Wiege gelegt, und so ist das Gehirn auch schon mit einem besonderen Nervensystem programmiert. Wann und in welcher Form die Migräne dann ausgelöst wird, ist sehr individuell.

*********

Ein Migräne-Gehirn verfügt über eine erhöhte Netzwerkaktivität. Es ist sehr flink, aktiv und stets leistungsbereit.

Migräniker*innen (Menschen mit Migräne) bekommen ihre Gedanken deshalb auch gut sortiert und sind meist äußerst kreativ. Sie verfügen über eine hohe Sinneswahrnehmung, schmecken, riechen und hören sehr intensiv. Diese Leistung im Gehirn ist erst einmal ein evolutionärer Gewinn. Wären die Menschen noch in der Steinzeit, hätte man ein optimales Frühwarnsystem für die Sippe, um jeden Säbelzahntiger schon von Weitem zu erkennen.

Doch „leider“ lebt der Mensch nicht mehr in der Steinzeit. In der heutigen Schnelllebigkeit kommt einem praktisch jede Sekunde ein Säbelzahntiger entgegen. Das Frühwarnsystem des Gehirns ist in permanenter Alarmbereitschaft, ohne dass es eine echte Gefahr gibt. Das führt zu Stress.

 

Menschen mit Migräne leiden unter einer Reizverarbeitungsstörung.

Ein gezeichneter Kopf, der in zwei Hälften geteilt ist. Die eine Hälfte fühlt sich gut (mit Sonne und Regenbogen dargestellt), die andere Hälfte fühlt sich nicht gut (mit dunklen Wolken und Gewitterblitzen dargestellt)Das hochsensible Migräne-Gehirn nimmt seine Umgebung wesentlich detaillierter wahr und kann sich von den vielen Dingen, die gleichzeitig passieren, schlecht abgrenzen. Wo sich andere Menschen in einer lauten Umgebung gut auf ein Gespräch konzentrieren können, weil sie die Geräusche um sich herum einfach ausblenden, kollabiert das Migräne-Gehirn bald, weil es zu viel wahrnimmt, zu reizempfindlich ist. Die vielen Reize kann das Gehirn nicht mehr verarbeiten. Jetzt sehnt man sich nur noch nach Stille, möchte sich physisch und psychisch abgrenzen.

 

Migräniker*innen können sich nicht gut langweilen

Das Migräne-Gehirn ist in gewisser Weise dafür programmiert, viele Dinge gleichzeitig zu tun. Einfach einmal innezuhalten und nichts zu tun, dem Nervensystem mal etwas Ruhe zu gönnen und sich aktiv zu langweilen, fällt Menschen mit Migräne oft schwer.

Hilfreich ist, Reize für sich zu erkennen und sich ihnen, wenn möglich, gar nicht erst auszusetzen. Wenn man zum Beispiel zu einer Geburtstagsfeier eingeladen ist, wo es vermutlich etwas lauter werden wird, könnte man sich mit ein paar leichten Ohrstöpseln wappnen, die die Lautstärke etwas senken.

 

Eine buddhistische Weisheit lautet: „Hast du ein Problem und willst es nicht haben, dann hast du schon zwei.“

Wenn man vorher schon weiß, dass man erst relativ spät wieder an etwas zu essen kommt, könnte man sich einen kohlenhydratreichen Snack mitnehmen. Am besten einfach immer in der Tasche deponieren. Und wichtig: Immer eine Flasche Wasser dabei haben und viel trinken!

Hat man das Gefühl, dass einem ein Termin zu viel wird, könnte man die eigene Anwesenheit hinterfragen, die Verabredung lieber verschieben oder die Veranstaltung absagen. Es ist sehr wichtig, seinen Körper lesen zu lernen und die Anzeichen für einen Migräneanfall frühzeitig zu erkennen.

 

Viele verschiedene Faktoren können einen Migräneanfall auslösen.

Ein Mann liegt auf dem Rücken am Boden und viele beschriebene Erinnerungszettel auf seinem Gesicht und um sich herum.
Der normale Alltag ist oft schon zu viel für Migräniker*innen, doch kommt die Migräne auch gehäuft in der Urlaubszeit vor, wenn man sich eigentlich entspannen möchte.

Ein Beispiel für eine ungünstige Situation für Migräniker*innen könnte so aussehen:

Ich radle bei hoher Sonneneinstrahlung eine anstrengende, lange Tour. Im Alltag mache ich eher weniger Sport. Auf dem Weg trinke ich lediglich zuckerhaltige Getränke. Als ich endlich völlig erschöpft am Zielgasthof ankomme, gönne ich mir erst einmal ein Bier. Dann bestelle ich mir abends in der völlig überfüllten, stickigen Gaststube, in der auch noch laute Musik läuft, einen Salat mit Weißbrot und einen süßen Nachtisch. Nach einer Tanz-Session in der Bar gehe ich viel später als gewohnt schlafen, weil ich ja morgens Zeit habe und ausschlafen kann. Nachts wache ich immer wieder auf, weil der Straßenlärm so laut ist. Frühstück gibt es dann erst spät morgens.

Für manch einen klingt das nach einem traumhaften Wochenende mit super Laune am Tag danach. Für Migräniker*innen hingegen kann diese starke Überlastung zu Migräne führen. Man stresst den Körper durch zu hohe, sportliche Aktivitäten, trinkt viel zu wenig, kommt schnell in die Unterzuckerung, reizt die Sinne durch die laute Umgebung. Man gönnt sich keine Pause, zum Beispiel durch Entspannungsübungen, und ändert auch noch seinen Schlaf-Wach-Rhythmus. Der erholsame Schlaf fehlt, und durch die viel zu lange Pause zwischen den Mahlzeiten entsteht ein Energiedefizit. Hier führt leider auch positiver Stress zu Migräne.

 

Das Migräne-Gehirn richtig versorgen

Ein Auswahl an unterschiedlichen Brotlaiben. Zwei Frauenhände greifen nach einem Vollkornbrot.
Ein stabiler Blutzuckerspiegel durch zum Beispiel Vollkornprodukte kann helfen, das Migränerisiko zu senken, während starke Schwankungen das Risiko eher steigen lassen.

Eine gute Versorgung des Migräne-Gehirns ist das A und O, um es leistungsbereit zu halten. Ein bildhafter Vergleich hilft, es besser zu verstehen:

Ein Gehirn mit Migräne ist ein flotter Sportwagen, das andere Gehirn ein Kleinwagen. Der Sportwagen benötigt viel mehr Energie, um auf Hochtouren zu kommen, da er auf eine hohe Leistung ausgerichtet ist. Der Kleinwagen dagegen verbraucht viel weniger, um gut fahren zu können. Beide kommen am Ziel an. Der Sportwagen musste zwischendurch aber noch nachtanken, weil er so viel Energie verbraucht.

Jedes Gehirn benötigt Energie durch Nahrung. Um zu wissen, welche Versorgung das Migräne-Gehirn braucht, muss man verstehen, wie sich Ernährung auf die Migräne auswirken kann. Jede Migräne ist individuell. Aber sie tritt gehäuft auf, wenn dem Gehirn Energie fehlt. Eine Unterzuckerung kann also zu Migräne führen.

Das Prinzip ist simpel: Wenn der Blutzucker rasch ansteigt – zum Beispiel durch ein leckeres Eis – fällt er auch wieder rasch ab und man gelangt schneller in eine Unterzuckerung. Hier ist die Gefahr einer Migräneattacke groß. Im Vergleich dazu lassen zum Beispiel Vollkornprodukte den Blutzucker nur gering ansteigen.

Komplexe Kohlenhydrate, die vom Körper langsamer abgebaut werden, sorgen für einen konstanten Blutzuckerverlauf.

Wichtig ist in diesem Zusammenhang der glykämische Index (GI). Dieser sagt aus, wie stark Kohlenhydrate eines Lebensmittels den Blutzuckerspiegel beeinflussen. Je geringer der GI ist, umso weniger steigt der Blutzuckerspiegel. Je höher der GI ist, umso stärker steigt der Blutzuckerspiegel. Ideal für Migräniker*innen wäre ein GI unter 55.

Interessant ist hierbei, dass gekochte Kartoffeln, die man direkt nach dem Kochen isst, einen höheren GI haben als kalte Kartoffeln. Genauso ist das auch bei Nudeln, denn die Stärke wird beim Erkalten abgebaut. Wer als Migräniker*in zum Frühstück zum Beispiel gerne Bratkartoffeln aus Kartoffeln vom Vortag isst: Nur zu! Viele Kohlenhydrate zum Frühstück sind ohnehin optimal.

Ein niedriger GI allein reicht nicht aus. Regelmäßige Mahlzeiten (drei Hauptmahlzeiten und drei Zwischenmahlzeiten) und eine ausgewogene Kombination mit Eiweiß und gesunden Fetten helfen, den Blutzucker stabil zu halten und Migräneanfällen vorzubeugen. Snacking ist hier also entgegen vielen Diätmeinungen empfehlenswert, auch vor dem Zubettgehen. Eine halbe Scheibe Vollkornbrot mit Honig reicht, um das Gehirn noch einmal vor dem Schlafen zu versorgen. Diäten, allen voran das Intervallfasten, sind in diesem Sinne zu vermeiden. Wobei es hier auch Ausnahmen gibt.

„Migräniker können um drei Ecken denken. Sie haben Antworten auf fünf Fragen, die noch keiner gestellt hat.“ Prof. Dr. Hartmut Göbel

Setz deinem Migräne-Gehirn doch ab und zu mal die Krone auf und mach dich nicht kleiner, als du bist!

Die Vorstellung ist schön, sich als Migräniker*in nicht nur als krank zu sehen, sondern auch als eine Person mit einer großen Begabung und einem leistungsstarken Gehirn.

*********

Und wichtig zum Schluss: Du bist mit deiner Migräne nicht allein! Vielleicht helfen dir auch diese Tipps noch weiter:

Migränegruppen zum Austauschen gibt es zum Beispiel hier: Headbook oder Migräne-Community auf facebook

Ein guter Weg, um den Stress im Alltag zu reduzieren, ist zum Beispiel der ABSM-Kurs von 7Mind. Der „Achtsamkeitsbasierte Stressmanagement-Kurs“ wird auch von vielen Krankenkassen übernommen oder bezuschusst.

Ein Dankbarkeitstagebuch kann dabei helfen, die gelingenden Augenblicke im Schmerzalltag festzuhalten und sich auf das Positive zu konzentrieren.

Und schließlich gibt es auch spezielle Schmerzkliniken für Migräne und Kopfschmerzen, die dir viel beibringen können.

 

Dieser Beitrag ist urheberrechtlich geschützt.

Kostenlos und jeden Sonntag neu!
Das good news telegram mit Nachrichten, die gut tun!

Gefällt dir? Vielen Dank fürs Teilen!

Email
WhatsApp
LinkedIn
Threads
Facebook

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Herzlichen Dank, dass du unsere Arbeit für good news for you unterstützen willst.
Es gibt dafür folgende Möglichkeiten:

Einmalspende

Triodos Bank
IBAN: DE31 5003 1000 1039 6430 10

oder via PayPal:

Abonnement

Ein Abonnement, um unsere Arbeit regelmäßig zu unterstützen, kann man über Steady abschließen. Steady ist ein Portal, das unabhängigen, freien Medien hilft, ihre Arbeit fortzuführen:

Bitte in diesem Fall die Cookies zulassen, damit ihr unser Video, in dem wir unsere Arbeit vorstellen, auch sehen könnt.

Geschenk

Verschenke ein Abonnement über Steady.

Jeden Sonntag ein neuer Newsletter!
Das good news telegram
mit Nachrichten, die gut tun!
Jetzt kostenlos erhalten!