Interview: Isolde Hilt
Mirjam lebt mit ihrer Familie in Berlin. Lange Zeit war sie in der Gastronomie tätig, anschließend 15 Jahre als Flugbegleiterin. Irgendwann wollte sie sich noch einmal neu ausrichten, etwas tun, das sie erfüllt. Doch das muss man ja auch erst einmal finden. Beim Walken und Sportmachen legte sich ihr dann ihre neue Aufgabe quasi auf den Weg. Müll – und das nicht zu knapp. Wegschauen konnte sie nicht … Inzwischen ist sie als MiKo und Klecks unterwegs. Was sich dahinter verbirgt, verrät Mirjam in diesem Gespräch.
… Ich fing an, mich intensiver mit dem Thema Umweltschutz und Müllvermeidung auseinanderzusetzen. Schon lange war mir bewusst, dass es einfach zu viel Verpackungsmüll und unnützes Plastik auf der Welt gibt. Vieles davon landet in der Natur und in den Ozeanen. Bei meinen morgendlichen Walking-Runden konnte ich plötzlich nicht mehr an dem ganzen Abfall am Wegesrand vorbeigehen und kam irgendwann immer mit einer vollen Tüte Müll zurück nach Hause. Auf Instagram machte ich Stories darüber und wollte die Menschen dazu ermutigen, es mir gleichzutun. Im Dezember 2021 postete ich einen Umwelt-Adventskalender mit Tipps zum Thema Naturschutz, Rezepten, Infos zu bestimmten Feiertagen oder engagierten Organisationen. Das Thema ließ mich einfach nicht mehr los.
Was liegt so alles rum, wenn du unterwegs bist?
Jeglicher Müll, den man sich so vorstellen kann … Besonders häufig die üblichen Verdächtigen: Durstlöscher, Zigarettenschachteln, To-Go-Kaffeebecher, nicht zuletzt Kippen ohne Ende. Ich habe gelesen, dass allein in Deutschland jährlich ca. 150 Milliarden Zigaretten hergestellt werden. Davon landen ca. 70 Prozent in der Natur. Die Anzahl weltweit mag man sich gar nicht vorstellen.
Offene Becher sind mir beim Sammeln ein besonderer Dorn im Auge. Tiere können darin steckenbleiben und sterben dann qualvoll. Ebenso bedrohlich sind Luftballons. Sie liegen bereits auf Platz 3 des gefährlichsten Meeresmülls, inkl. der Bänder. Vögel laufen Gefahr, sich selbst zu strangulieren oder sie verwechseln die Ballons mit Futter. Ganz abgesehen von den Giftstoffen wie Weichmacher, die ins Meer gelangen.
Wie reagieren Menschen, denen du beim Müllsammeln begegnest?
Ich werde oft von Menschen angesprochen, die es toll finden, was ich tue. Viele berichten dann, dass sie auch Müll sammeln. Besonders freue ich mich, wenn Kinder daran interessiert sind, was ich da mache. In Frankreich habe ich einmal am Strand gesammelt. Da kam immer wieder ein kleiner Junge mit Müll angerannt, um ihn in meine Tüte zu werfen. Auch meine Familie und Freund*innen kann ich hin und wieder dazu motivieren, mich zu begleiten. Vor kurzem habe ich mit meinen Nachbarskindern einen Cleanup gemacht und es hat ihnen richtig Spaß bereitet. Wir waren dann als „Müllpolizei“ unterwegs.
Der Müll hat dich nicht mehr losgelassen … Wie ging es dann weiter?
Ende 2021, als ich mit Recherchen für einen Adventskalender begann, suchte ich nach einem Podcast und stieß auf Ozeankind. Ich fand heraus, dass sie auch in Berlin einen Stützpunkt haben und vernetzte mich über Instagram mit der Gruppe. Kurze Zeit später war ich schon beim Cleanup dabei und das Feuer war entfacht.
Was macht Ozeankind?
Ozeankind stärkt das Umweltbewusstsein bei Kindern und auch Erwachsenen mit Projekten zu Umweltbildung und Recycling in Deutschland und auf Sansibar. Der Verein organisiert Cleanups und hat auf Sansibar SwopShops eröffnet. Dort können Kinder und Jugendliche gesammelte Plastikflaschen gegen Dinge eintauschen, die sie brauchen wie Schulmaterial oder die sie gerne haben möchten, z. B. Spiel- oder Sportsachen.
Was war deine Aufgabe? Was hat dir besonders gut gefallen?
Ich habe zusammen mit dem Team in Berlin Cleanups organisiert. Außerdem waren wir mit einem Infostand beim Umweltfestival am Brandenburger Tor und einmal wurden wir sogar zu einem Kinderfest nach Brandenburg eingeladen.
Die Aktionen haben immer großen Spaß gemacht, auch wenn man manchmal etwas schockiert ist, was die Leute einfach so überall hinwerfen. Ebenso hatte ich viel Freude bei der Vorbereitung, da ich sehr kreativ bin und gerne bastle. Mir fallen dann tausend Dinge ein, die den Kindern und freiwilligen Helfer*innen gefallen könnten.
Jetzt bist du mit einer eigenen Initiative unter dem Namen „MiKo und Klecks“ gestartet. Welche Idee steckt dahinter? Wer ist Klecks?
Klecks ist ein Krake und entsprang meiner Nähmaschine im Juni 2022. Ich hatte ein Reststück leuchtend blauen Stoff und überlegte, was ich daraus zaubern könnte. So kam Klecks in mein Leben. Er ist ein besonderer Oktopus mit 15 Armen, normalerweise haben sie nur acht. Ich entwickelte die Idee, mit ihm Kinder für den Schutz unserer Meere und der Natur zu sensibilisieren und nahm ihn mit auf Tour. So entstand der Name „MiKo und Klecks On Tour“.
Es liegt mir einfach am Herzen, dass nachfolgende Generationen von Anfang an lernen, wo der Müll hingehört, und dass wir unsere Meere schützen müssen. Ich verstehe nicht, warum besonders vor Schulen so viel Abfall liegt. Umweltschutz sollte dort ein Pflichtfach sein. Doch leider gibt es noch zu viele Menschen, denen die Problematik nicht bewusst oder vielleicht auch egal ist. Ich versuche, einen kleinen Beitrag zu leisten, um mehr Bewusstsein zu schaffen.
Einen Probelauf in einer Kita hattest du schon. Wie lief die Aktion mit den Kindern? Was fragen sie so?
Ja, das wollte ich lange schon: mit den Kleinen einen Cleanup machen und ihnen erklären, wie Müll richtig entsorgt wird und was sie für eine saubere Umwelt tun können. Anfang des Jahres war es dann so weit. Ich hatte wochenlang Material vorbereitet und stellte mich in zwei Kitas in meiner Nachbarschaft vor. Eine machte sofort einen Termin mit mir aus.
Ich war schon etwas aufgeregt, aber die Kids waren nach einer kurzen schüchternen Phase sehr wissbegierig und mitteilsam. Ich stellte Klecks und mich vor und dann machten wir ein Müll-Sortierspiel. Anschließend gingen wir rund um die Kita Müll sammeln. Das hat ihnen wirklich Spaß gemacht und sie wollten immer tiefer ins Gebüsch kriechen, um dort Plastik, Papier oder Flaschen rauszuholen. Am Ende kamen wir mit viel Kleinkram auf 2,5 Kilo. Zum Abschied bekamen sie ein Ausmalbild von Klecks, welches meine Mama gezeichnet hat. Das findet man auch auf meiner Website.
Es gibt mir ein gutes Gefühl, wenn ich Müll aus der Natur wegräume und damit vielleicht dem einen oder anderen Tier das Leben gerettet habe.
Macht das eigentlich Spaß, den Müll von fremden Menschen aufzusammeln? Ist man da nicht manchmal eher verärgert?
Wenn ich mich die ganze Zeit nur darüber ärgere, wie andere Menschen die Umwelt zumüllen, dann kann ich nichts verändern. Natürlich bin ich manchmal schockiert und würde so manchen Leuten gerne eine Ansage machen, aber damit schade ich mir im Zweifel nur selbst. Es gibt mir ein gutes Gefühl, wenn ich Müll aus der Natur wegräume und damit vielleicht dem einen oder anderen Tier das Leben gerettet habe. Außerdem kann eine Aktion mit Freund*innen wirklich Spaß machen. Oder man trifft tolle neue Leute bei organisierten Cleanups; manchmal entstehen so auch neue Freundschaften. Im ersten Moment ist es vielleicht ein komisches Gefühl, den Müll fremder Menschen aufzuheben, aber man weiß nie, wer einen dabei sieht und für wen man vielleicht gerade ein Vorbild ist.
Glaubst du, dass man mit Müllsammel-Aktionen etwas bewirken kann?
Einer meiner liebsten Sprüche ist das afrikanische Sprichwort: „Viele kleine Leute, die an vielen kleinen Orten viele kleine Dinge tun, können das Gesicht der Welt verändern!“ Und davon bin ich überzeugt. Wir müssen einfach anfangen, jede Person in dem Maße, wie es für sie passt.
Welche Tipps hast du, worauf wir achten können, wenn es um Ressourcen geht …?
Der Earth Overshoot Day weltweit ist dieses Jahr am 24. Juli 2025. Er markiert den Tag, an dem die Menschheit alle natürlichen Ressourcen, die die Erde innerhalb eines Jahres zur Verfügung stellen kann, aufgebraucht hat. Deutschland hat seine Ressourcen schon am 3. Mai aufgebraucht, die USA bereits am 13. März. Wir haben keine Ressourcen mehr und müssen dringend handeln. Der Klimawandel ist da und wir spüren es überall auf der Welt.
Wir kleinen Leute haben die Macht, etwas zu verändern. Wir können Obst und Gemüse ohne Verpackung kaufen, einen Brotbeutel zum Bäcker mitnehmen. Es hilft auch, nachhaltiger und umweltfreundlicher einzukaufen. Vielleicht sind die 10. Jeans und das 15. Paar Schuhe nicht wirklich notwendig oder man findet einmal auch etwas in einem Second Hand-Laden. Ein Einkaufsbeutel passt in jede Tasche. Auch beim Spielzeug für unsere Kinder können wir uns zum Beispiel überlegen, ob es nicht einfach einmal einen Tauschnachmittag für die Kids gibt. Achtet auf die kleinen Dinge, denn sie können Großes bewirken.
Noch etwas, das dir wichtig ist, dir am Herzen liegt?
Ja … Vergleicht euer Verhalten nicht mit anderen, sondern nur mit euch selbst. Du kaufst seit neuestem feste Seife statt Duschgel? Super! Du trennst deinen Müll, auch wenn du weißt, dass nur ein kleiner Teil davon wirklich recycelt wird? Klasse! Gehe kleine Schritte und sprich darüber. Sei ein Vorbild für deine Kinder und Mitmenschen. Ich wünsche mir für meinen Sohn und die jüngeren Generationen, dass sie noch lange Freude an unserem schönen Planeten haben. Dafür müssen wir alle etwas tun, auch wenn es nur kleine Schritte sind. Für uns, unsere Kinder und unseren Planeten!
Hier geht’s zur Website von MiKo und Klecks!
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2 Antworten
Vielen lieben Dank für das Interview und die Möglichkeit, noch mehr Menschen für den Schutz unserer Umwelt zu sensibilisieren. Und auch danke für eure wichtige Arbeit, die all das Gute in der Welt zeigt! 💚💛🧡❤️
Liebe Mirjam,
du bist so eine Mutmacherin! Wir freuen uns sehr, dass wir dich und dein Engagement für die Umwelt hier bei uns vorstellen dürfen. Viel Erfolg für MiKo und Klecks on Tour!