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Der Große Brachvogel:

Warum sein Überleben für das Ökosystem wichtig ist

Bastian Thom ist Ornithologe, ein Vogelkundler. Er setzt sich besonders für den Großen Brachvogel ein, der vom Aussterben bedroht ist. Ein Wiesenbrüter-Projekt soll helfen, den Bestand zu sichern.

Ein Beitrag zu UN-Ziel:

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Interview: Isabel Lemper

Der Große Brachvogel

Bastian Thom, 30 Jahre alt, ist leidenschaftlicher Ornithologe (Vogelkundler) und arbeitet als Gebietsbetreuer beim Landesbund für Vogel- und Naturschutz in Bayern e. V. (LBV). Mit seiner Masterarbeit begann seine Begeisterung für den Großen Brachvogel, der vom Aussterben bedroht ist. Warum der Vogel so schützenswert ist und was jede*r selbst für den Erhalt dieser Zeigerart tun kann, erzählt Bastian in diesem Interview.

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Lieber Basti, wie bist du Ornithologe geworden? Hast du dich als Kind schon für Vögel interessiert?

Viele Ornithologen waren schon als Kind mit Fernglas draußen und haben jeden Vogel rufen hören. Bei mir war das etwas anders. Ich hatte erstmal nur Augen für den Fußball. Aber ich war schon immer gerne draußen und an der Tierwelt interessiert. In der Schulzeit lagen meine Vorlieben bei den Fächern Sport und Biologie. Letztendlich habe ich mich dann für ein Studium der Biologie in Salzburg entschieden. Dort lernte ich einen Ornithologen kennen, der mich in die Welt der Vögel reinbrachte. Er hat mich ständig mit rausgenommen und ich lernte alle Vogelstimmen auswendig. Das ging alles recht schnell, die Ornithologie hat mich sozusagen überrannt. Bald habe ich dann auch neben dem Studium freiberuflich als Vogelkartierer (Vogelbeobachter) gearbeitet.

Du arbeitest jetzt als Gebietsbetreuer beim LBV. Wie kamst du zu diesem Job?

Ich habe meinen Master mit dem Schwerpunkt „Naturschutz“ in Regensburg gemacht und bin durch meine Masterarbeit an den Brachvogel geraten. Wir haben Brachvögel mit Sendern versehen und die Vögel dann beobachtet.

Nach dem Studium arbeitete ich für eineinhalb Jahre beim Landratsamt Regensburg im Naturschutz, bis die Stelle beim LBV frei wurde. Nun kann ich mich voll und ganz auf die Vögel fokussieren. Ich bin sehr dankbar dafür, dass es solche bezahlte Stellen überhaupt gibt, die hauptsächlich der Bayerische Naturschutzfond finanziert.

Kommen wir zum Großen Brachvogel. Er ist ein Wiesenbrüter und vom Aussterben bedroht. Sein Bestand hat in den letzten 50 Jahren extrem abgenommen. Worauf ist das zurückzuführen?

Da der Große Brachvogel ein Wiesenbrüter ist, baut er sein Nest nicht in Gehölze, sondern direkt in die Wiese. Hier sind die Eier und die Küken vielen Gefahren ausgesetzt.

Es gibt verschiedene Faktoren. Unter anderem sind da die Füchse als Prädatoren. Also Fressfeinde der Vögel, die seit der Ausrottung der Tollwut außer Menschen als Jäger keine Feinde mehr haben und sich ungehindert ausbreiten können.

Viele Tiere, die z. B. Mäuse fressen, fressen auch Wiesenbrüter. Das sind nicht ausschließlich Füchse, sondern potentiell auch zum Beispiel der Uhu, Iltis oder Marderhund.

Es gibt aber noch mehr Faktoren. Der Lebensraum der Großen Brachvögel ist stark gefährdet. Das liegt z. B. daran, dass sie nicht genügend Nahrung zur Verfügung haben. Unter anderem ging die Vielfalt und die Anzahl der Insekten zurück. Ein Küken ist bei der Bewirtschaftung einer Fläche dem Großgerät des Landwirts ausgeliefert. Aber auch Hunde, die über eine Wiese rennen, sind ein großes Problem.

Seit ein paar Jahren gibt es ein Einzäunungsprojekt für Wiesenbrüter. Was hat es damit auf sich?

Vier fleißige Helfer beim Einzäunen einer Wiese im Naturschutzgebiet „Gmünder Au“ im Jahr 2017

Das Projekt zielt darauf ab, den Bruterfolg von Wiesenbrütern zu erhöhen, v. a. den des Großen Brachvogels. Im Landkreis Regensburg gibt es Hotspot-Gebiete, wo ein großes Vorkommen des Vogels nachgewiesen ist. Um diese Gebiete werden Großzäune mit Strom als Schutzmaßnahme aufgebaut, damit die Füchse nicht zu den Nestern und Küken gelangen. Für das Aufstellen der Zäune werden immer Ehrenamtliche gesucht, die mithelfen. Wer hier mit anpacken möchte, darf sich gerne bei mir melden.

Warum engagiert man sich so sehr für den Erhalt des Großen Brachvogels?

Der Große Brachvogel ist eine Schirmart. Das sind Arten, deren Schutz das Überleben der gesamten Lebensgemeinschaft eines Ökosystems sichert. Schirmarten kommen da vor, wo ein intaktes Ökosystem vorhanden ist. Wenn wir uns für den Brachvogel engagieren, dann machen wir gleichzeitig auch für viele andere Arten etwas – für Pflanzen, Insekten oder andere Wiesenbrüter, die den Lebensraum nutzen. Der optimale Lebensraum für den Brachvogel sind extensiv genutzte Feuchtwiesen. Das sind Hotspots von unzähligen Arten. Wenn wir also die Mahd anpassen und beispielsweise Frühmahdstreifen anlegen oder Altgrasstreifen stehen lassen, fördert das die Pflanzen- und in Folge auch die Insektenvielfalt. Dann können sich hier aber auch Hasen verstecken, die ihre Winternahrung im Gras finden.

Wenn der Brachvogel ausstirbt, liegt das daran, dass viele andere Sachen auch nicht mehr passen. Da müssen wir etwas machen! Die Artenvielfalt erhalten, ist mit die wichtigste Aufgabe, das ist Naturschutz!

Was lässt dein Herz bei diesen Projekten höherschlagen?

Bruterfolge machen glücklich!

Man hört am Anfang des Jahres die Balzrufe der Reviervögel. Das ist sehr beeindruckend. Dann geht man schon mit einer guten Stimmung in den Frühling. Wenn wir dann die Nester finden, sind wir glücklich, auch wenn man weiß, dass leider nicht viele Küken durchkommen. Wir schauen dann nach, was nach dem Schlüpfen aus den Küken geworden ist. Und wenn du nach einigen Wochen die Warnrufe der Elternvögel hörst und weißt, dass die Küken so gut wie flugfähig sind und es geschafft haben, dann ist das das Beste, was dir passieren kann. Wenn du nach zwei Wochen die Warnrufe nicht mehr hörst und auch keine Altvögel siehst, weißt du, sie sind nicht mehr da und wurden wahrscheinlich vom Räuber als Beute gefressen.

Hattet ihr auch Rückschläge bei dem Wiesenbrüterprojekt?

Letztes Jahr kam es zu einem sehr hohen Ausfall des Bruterfolgs wegen Hochwasser. Die Gebiete um Regensburg wurden komplett überschwemmt. Der Klimawandel spielt also auch eine Rolle. In Zukunft wird es bestimmt häufiger zu Hochwasser kommen. Es wurden zwar Küken gerettet, die sind dann aber leider nach kurzer Zeit verstorben. Auch wurden Eier gerettet und ausgebrütet. Die Küken wurden dann in einer Voliere aufgezogen, haben nach dem Auswildern aber nicht überlebt.

Der Große Brachvogel ist ein Zugvogel. Wo überwintert er?

Die Jungvögel überwintern in Spanien, Frankreich oder Portugal an der Küste. Durch das Besendern mit GPS kann man den Weg nachverfolgen. Die Jungvögel kommen erst im übernächsten Jahr wieder zurück zu uns. Auf der Seite des LBV kann man den momentanen Aufenthaltsort mitverfolgen: https://www.lbv.de/naturschutz/arten-schuetzen/voegel/grosser-brachvogel/telemetrie-grosser-brachvogel/.

Was liegt dir für das Projekt sonst noch auf dem Herzen?

Viele Wiesen werden für Tierfutter intensiv bewirtschaftet. Es wäre zu einfach, da jetzt den Landwirten die Schuld zu geben. Sie müssen ja auch ihr Einkommen generieren. Ich möchte den Menschen mitgeben, dass sie selbst ihren Konsum hinterfragen, damit es nicht erst zu Massentierhaltung kommt. Und dann muss sich auch politisch etwas ändern.

Ich finde es toll, dass es Berufstätigkeiten wie die meine gibt. Mit dem Privileg, dass die Stelle bezahlt wird, obwohl ich nichts sogenanntes Produktives herstelle – außer Brachvogelküken im besten Fall. Es gibt viele Menschen, die sich für unsere Arbeit einsetzen, denen wichtig ist, was wir tun. Das ist sehr befriedigend. Man kann als Privatperson jederzeit die Arbeit des LBV unterstützen, auch mit Spenden.

Ich versuche in meiner Freizeit immer wieder, Vogelstimmen zu erkennen. Das mache ich meistens mit einer App. Wenn ich dann mal einen Vogel identifiziert habe, kann ich mir das aber so schlecht merken. Gibt es da einen Trick? Und wenn du eine Vogelbestimmungs-App empfehlen könntest, welche wäre das?

Bastian Thom, Vogelschützer aus Leidenschaft

Ich benutze gerne den Kosmos-Vogelführer von Killian Mullarney, Lars Svensson und Dan Zetterström. Die haben auch eine tolle App. Eine kostenfreie Alternative wäre z. B. die Merlin Bird ID-App. Die meisten Vögel singen nur in einem bestimmten Zeitraum im Jahr. Dann hört man sie wieder länger nicht. Wichtig ist, sich vor der Saison die Vogelstimmen immer wieder ins Gedächtnis zu rufen. Dranbleiben lohnt sich!

https://www.lbv-shop.de/der-kosmos-vogelfuehrer

Ihr habt Fragen zu den Projekten des LBV oder seid an einer ehrenamtlichen Mithilfe interessiert? Kontaktiert Bastian Thom gerne unter: bastian.thom@lbv.de.

 

Weitere Infos zum Vogelschutz: https://www.lbv.de/

 

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