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Natürlich trocken:

Weniger Windeln, weniger Müll, mehr Teamwork

Natürlich trocken: Mit „Abhalten“ und windelfrei klappt das Trockenwerden bei Kindern schneller. Gleichzeitig schont es die Umwelt. Ein Erfahrungsbericht.

Ein Beitrag zu UN-Ziel:

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von Isabel Lemper

Es ist schon spannend, dass man sich als werdende Eltern mit Themen beschäftigt, die einen sonst wahrscheinlich gar nicht berühren. So zum Beispiel mit dem Thema „Natürlich trocken, abhalten beziehungsweise windelfrei“, mit dem ihr nicht nur für euch als Familie, sondern auch für die Umwelt etwas Gutes tun könnt. Natürlich trocken – das geht! 

Zuallererst war bei uns in der Schwangerschaft der Gedanke da, dass wir auch mit Babywaren die Umwelt möglichst schützen und nachhaltig haushalten wollten. Eine Tonne Müll pro Kind entsteht in deutschen Haushalten nur durch Wegwerfwindeln, das sind etwa acht Prozent des Haushaltsmülls. Da war uns schnell klar: Wir wickeln mit Stoffwindeln. Bald aber machten uns Freund*innen noch auf etwas anderes aufmerksam, das mich nicht mehr losließ: Abhalten – was ist denn das?

Worum geht es beim „Abhalten“?

Beim Abhalten geht es darum, dass Eltern das natürliche Ausscheidungsbedürfnis beziehungsweise den frühkindlichen Reflex ihres Babys erkennen und ihm ermöglichen, außerhalb der Windel auszuscheiden. Auf Englisch heißt es „elimination communication“ (EC), auf Deutsch übersetzt wäre es „Ausscheidungskommunikation“. Der Begriff EC passt ein bisschen besser zum Grundgedanken als einfach nur „Abhalten“. Dass das Thema so richtig Freude machen kann, möchte ich euch in diesem Erfahrungsbericht gerne zeigen.

80 bis 90 Prozent der Babys auf der Welt tragen gar keine Windeln. In Europa kennen wir es dagegen nicht mehr anders. Wir konditionieren unsere Babys darauf, weil es uns so über mehrere Generationen vorgemacht wurde. Ein Geschäft, mit dem viel Geld verdient und Müll produziert wird.

Wir trainieren dem Kind an, in die Windel auszuscheiden

Das „Steinzeitbaby“ hingegen wird von seiner Mama beobachtet. Diese erkennt die Signale und weiß, wann ihr Baby muss. Genauso wie sie auch erkennt, wenn es Hunger hat oder Schlaf benötigt. Klingt einfach, ist einfach – wenn man sich selbst dafür geschult hat.

Ein Baby ist in der Lage, von Geburt an seinen Schließmuskel zu benutzen. So kann es auch kontrollieren, sein „eigenes Nest“ nicht zu beschmutzen. Ein evolutionärer Schutz, damit es von wilden Tieren nicht so schnell gefunden wird. Das ist auch der Grund, warum Babys normalerweise nicht in die Trage urinieren und ihre Eltern anpieseln.

Durch die Windel aber werden Babys darauf konditioniert, ihren Schließmuskel nicht mehr zu spüren und unkontrolliert auszuscheiden. Das Ganze muss dann, meist im Alter von zwei bis drei Jahren, wieder mühsam erlernt werden. Und das zu einer Zeit, in der Kleinkinder ganz andere Dinge im Kopf haben. Ist das nicht paradox? Als ich das damals las, war für mich klar, dass ich es einfacher und natürlicher machen wollte.

Wie funktioniert das „Abhalten“?

„Abhalten“ wird lediglich das Halten über einen Behälter genannt, damit das Baby sich entleeren kann. Praktischerweise war das für uns erst einmal das Waschbecken. Später, als unser Sohn schwerer wurde und das Entleeren länger dauerte, nahmen wir ein Töpfchen, das wir uns im Sitzen zwischen die Beine klemmten. Da Jungs eher nach oben pieseln, war ein Abhaltetöpfchen mit Spritzschutz sehr hilfreich. Und dann, als er auch selbst sitzen konnte, kamen auch immer mehr Bücher mit ins Bad, die uns die Wartezeit etwas verkürzten. Auch wenn wir zwischendurch immer wieder einmal unsicher waren, ob er nur so lange brauchte, weil er noch mehr Bücher anschauen wollte …

Da manche Babys in den ersten Lebensmonaten bis zu 10 mal pro Tag Muttermilchstuhl absetzen, lohnt sich das Abhalten bereits von Beginn an – wie hier an Tag drei nach der Geburt.

Woher weiß ich, wann sich mein Kind entleeren muss?

Das funktioniert über die Ausscheidungskommunikation. Wir achteten auf Signale unseres Sohnes, ließen ihn auch mal nackig herumliegen, um zu sehen, in welchen Situationen er muss. Manche Kinder werden sehr ruhig, starren ins Leere und fangen dann an zu drücken. Genau das ist der Moment, in dem man das Kind abhalten kann. Viele Eltern warten aber dann, bis das Kind in die Windel gemacht hat, um sie danach zu wechseln. Da ist ein Umdenken gefragt.

Wenn man die Signale seines Babys noch nicht so gut kennt, kann man anfangs etwa alle drei Stunden abhalten – vorzugsweise nach dem Schlafen, Tragen und Stillen. Der Rest kommt dann automatisch – ihr selbst bestimmt die Geschwindigkeit. Wir merkten recht schnell, dass unser Sohn gleich nach dem Öffnen der Windel lospieselt. Und das bestätigt doch auch die Kontrolle über den Schließmuskel, und dass Babys ihr eigenes Nest nicht beschmutzen wollen. Tatsächlich können auch ganz kleine Kinder ihren Harndrang bereits ein paar Minuten zurückhalten.

Natürlich trocken: Am besten direkt nach der Geburt damit anfangen

Je früher man beginnt, umso weniger muss danach wieder „umgeschult“ werden. Aber man kann auch noch später einsteigen, etwa bis zum zwölften Monat. Das Schöne ist, dass ich dem Kind durch die Anhockhaltung (mit gebeugten Beinen) zugleich eine Haltung zum Ausscheiden anbiete, die das ganze System beeinflusst. So hat das Baby in der Regel auch weniger Bauchkrämpfe. Niemand von uns käme auf die Idee, im Liegen Stuhlgang zu machen. Wieso sollte ein Kind das also wollen?

Windelfrei – heißt das, ich soll gar keine Windeln mehr benutzen?

Windelfrei ist tatsächlich ein nicht ganz so passender Begriff bei diesem Thema und klingt sehr radikal. Teilzeit-Windelfrei, oder wie es heute auch heißt, Hello Nappy, trifft es eher. Denn ihr könnt jederzeit auf ein Backup zurückgreifen. Wir haben das Abhalten mit Stoffwindeln kombiniert und waren sehr glücklich damit. Kinder, die mit Stoffwindeln gewickelt werden, spüren die Nässe und bekommen das Feedback ans Gehirn, dass sie nass geworden sind. So wurde unser Sohn recht früh trocken und trug mit zwei Jahren nur noch ab und an nachts eine Windel. Der Sommer hat uns dabei sehr geholfen, da er viel nackig herumlaufen konnte und im Haus das Töpfchen immer in der Nähe stand.

Mit Freude und Entspannung an die Sache rangehen!

Auch wir haben nachts noch ab und zu Wegwerfwindeln benutzt, diese dann aber mindestens dreimal wiederverwendet. Die Windeln blieben meist trocken und waren nur noch Backups für seltene Fälle.

Gerade durch das Abhalten beim Stuhlgang haben wir uns viel Mühe gespart. Wieviel leichter ist es doch, nur das Töpfchen auszuleeren anstatt festgeklebten Stuhlgang vom Kind wegzuwischen. Vor allem, wenn die Beikost startet; der Muttermilchstuhl ist dagegen ja ein Geschenk! Viele Eltern würden sich zudem noch tonnenweise Feuchttücher sparen.

Tipp: Waschlappen und Feuchttücher selbst herstellen

Wir haben zwei alte Handtücher in Stücke geschnitten und diese mit einer Nähmaschine abnähen lassen. So hatten wir zahlreiche kleine Lappen, mit denen wir unseren nun Vierjährigen immer noch waschen. Wenn nötig, einfach noch einen Spritzer reines Mandelöl auf den Lappen geben und schon hat man sein eigenes Feuchttuch!

Natürlich trocken: Es ist kein Wettbewerb unter Eltern, wer am wenigsten Windeln benutzt

Was in jedem Fall hilft: Entspannt an die Sache herangehen und sowohl sich selbst als auch dem Kind keinen Druck. Und viel Lust darauf haben! Es soll den Alltag nur erleichtern. Wenn man das Gefühl hat, es erzeugt gerade nur Stress, weil man zum Beispiel unterwegs ist, darf das Baby gern das Backup nutzen. Was hilft, ist ein Abhaltegeräusch, das man anfangs beim Abhalten von sich gibt. Bei uns war es ein „Ssssss“.

Es lohnt sich, dranzubleiben – für euch alle als Familie und für die Umwelt

Aber auch das Kind kann einmal streiken oder es geht etwas daneben. Da heißt es, Geduld zu haben und das Abhalten einfach weiter anzubieten, auch wenn nichts kommt. Oft macht das Kind dann gerade einen Entwicklungsschub und ist mit anderen Dingen beschäftigt.

Bei uns hat es so gut funktioniert und wir waren sehr stolz darauf, dass wir es gemeinsam geschafft haben, die Zeichen richtig zu lesen. Auch waren wir stolz auf unseren Mut, den wir anfangs bei dem doch unbekannten Thema durchaus brauchten.

Und nicht vergessen: Wir in Europa sind mit den Windeln eigentlich die Ausnahme auf dieser Welt!

 

Natürlich trocken: Weitere Anregungen zum Thema!

Wir haben uns damals zu dem Thema ein empfehlenswertes Video von Anne-Marja (aka Frau Beuteltier) und Kristin Graf auf Youtube angesehen. Es bietet einen sehr sympathischen Einblick in das Thema und macht garantiert Lust auf mehr . Hier findet ihr es: https://www.youtube.com/watch?v=B3tF5ow5_oY

Und dazu noch eine wundervolle Buchempfehlung: “Wenn ich mal muss“ von Nele Nevo mit Illustrationen von Ningal Meyer. Das Buch kann hier erworben werden: https://www.windelfrei-dachskind.de/produkt/wenn-ich-mal-muss-bilderbuch/

Und hier ein Video zum Buch: https://youtu.be/_-nVyqPeIaw?si=LLvEtkW_rLG1mQ4I

 

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