Interview: Isolde Hilt

Wie oft stand man schon vor einem großen Werk und bewunderte den individuellen Ausdruck einer Künstlerin, eines Künstlers. Meist ist das Bild, das Gemälde signiert, so dass sich vor allem der Kunstszene erschließt, wessen Handschrift das ist. Das wird einem bei Beanksy nicht gelingen. Die Arbeiten dieses Künstlerkollektivs haben keine lange Lebensdauer. Ist die Ausstellung eröffnet, verändern sie sich auch schon. Besucher*innen sind ausdrücklich eingeladen, Teil der Kunstwerke zu werden. Warum das so ist, hat uns David Braunstingl, Mitglied bei Beanksy, verraten.
__________
Lieber David, euer Name ist Beanksy – ein Buchstabe entfernt von dem weltweit bekannten und zugleich anonymen Streetart-Künstler Banksy. Das hörst du wahrscheinlich nicht zum ersten Mal …
Ja, das hören wir oft und wir nehmen es als Kompliment. Aber unser Name „Beanksy“ hat eine ganz eigene Bedeutung. Er leitet sich von der „Bohne des Lebens“ ab, einem Symbol für Wachstum, Entwicklung und Potenzial – Werte, die uns als Kollektiv verbinden. Für uns steckt in diesem Namen die Essenz dessen, was wir mit unserer Kunst erreichen wollen: den Samen für Veränderung pflanzen. Ja, es klingt ähnlich wie Banksy, und auch wir greifen gesellschaftliche Themen auf, aber mit einem anderen Ansatz. Unsere Kunst ist kein abgeschlossener Prozess, sondern etwas, das in der Interaktion wächst und sich entwickelt.
Seit wann gibt es Beanksy, wie seid ihr entstanden?
Die Idee für Beanksy entstand vor einigen Jahren, unter anderem inspiriert von Viktor Frankl und seiner Philosophie. Frankl sagte, dass Sinn nicht durch das Finden von Antworten entsteht, sondern durch die Fragen, die das Leben an uns stellt. Das war der Ausgangspunkt für uns: Wir wollten einen Raum schaffen, in dem Kunst, Gemeinschaft und Sinn miteinander verschmelzen. Seitdem haben wir Projekte umgesetzt, die die Grenzen zwischen Kunstschaffenden und Betrachter*innen bewusst auflösen.
Die Grenzen zwischen Kunstschaffenden und Betrachter*innen bewusst auflösen … Wie sieht das in der Umsetzung aus?
Aktuell haben drei Künstler*innen das „Urbild“ von Beanksy für das Event „Sinn erLEBEN“ gemeinsam erschaffen. Das Besondere ist: Unsere Projekte machen aus jedem, der teilnimmt, einen Teil dieses Kollektivs. Jede*r, der sich einbringt, gestaltet mit. Kunst wird bei uns nicht von einem Einzelnen kontrolliert, sondern von der Dynamik einer Gruppe getragen. Und das spiegelt auch wider, wie wir das Leben sehen: als ein kollektives Werk, das wir gemeinsam formen.
Beanksy wirkt sehr zurückhaltend. Wollt ihr eher geheim bleiben?
Es geht uns weniger darum, geheimnisvoll zu bleiben, sondern darum, die Aufmerksamkeit auf die Kunst und die Botschaft zu lenken, nicht auf uns als Personen. Wir wollen, dass unsere Werke im Mittelpunkt stehen – nicht unsere Namen. Die Kunst spricht für sich und lädt die Menschen ein, sie zu erleben und selbst Teil davon zu werden.
Das ist sehr ungewöhnlich … Was möchtet ihr mit eurer Art, Kunst zu leben, bewirken?
Unser Anliegen ist es, Menschen zu bewegen – sie zum Nachdenken, Fühlen und Handeln zu bringen. Wir wollen zeigen, dass Kunst nicht nur etwas ist, das man anschaut, sondern etwas, das man erleben und mitgestalten kann. In einer Welt, die oft von Individualismus geprägt ist, möchten wir Gemeinschaft in den Fokus rücken. Es geht darum, gemeinsam etwas zu schaffen, das größer ist als wir selbst, und dabei zu erkennen, wie wichtig unser Handeln für andere ist.
Bei dem Event „Sinn erLEBEN“ habt ihr ein Kunstprojekt angestoßen, das Viktor Frankl – Neurologe, Psychiater, Begründer der Logotherapie und Existenzanalyse – gewidmet ist. Welches Anliegen verbindet ihr damit?
Frankl sagte: „Das Leben ist es, das Fragen stellt.“ Genau das ist die Essenz unseres Projekts. Wir laden die Gäste ein, unsere Werke aktiv zu verändern, sie zu „beschmieren“ – etwas, das normalerweise tabu wäre. Aber hier geht es darum, Antworten zu geben, nicht nur passiv zu betrachten. Jeder Strich, jede Veränderung ist eine Antwort auf die Fragen, die das Leben stellt. Am Ende ist das Kunstwerk nicht mehr unseres – es gehört allen, die daran teilgenommen haben. Es wird zu einem Spiegel der Gemeinschaft.
Ein Künstler, eine Künstlerin schafft ein Werk. Wie hält man das aus, wenn andere in dein Werk eingreifen?
Am Anfang war das für uns tatsächlich eine Herausforderung. Künstler*innen sind oft beschützend mit ihren Werken. Aber genau das wollten wir bewusst aufbrechen: die Idee, dass Kunst etwas ist, das nur ein Einzelner kontrolliert. Jetzt sehen wir es als das größte Geschenk: zu beobachten, wie ein Werk wächst, sich verändert, lebt. Es ist wie das Leben selbst – unvorhersehbar, manchmal chaotisch, aber genau deshalb wunderschön.
Ist es das erste dieser Art oder sieht jedes Projekt von Beanksy wieder anders aus?
Jedes Projekt ist einzigartig, weil die Menschen, die daran teilnehmen, es einzigartig machen. Wir behalten die Grundidee, dass Kunst ein Gemeinschaftsprozess ist, aber jedes Mal entsteht etwas völlig Neues.
Welche Erfahrungen habt ihr bisher mit eurer Arbeit gemacht?
Die stärksten Momente sind die, wenn Menschen, die sich unsicher fühlen, plötzlich in den kreativen Fluss kommen. Sie lassen los, tauchen ein, vergessen ihre Ängste. Oft entstehen dabei tiefe Gespräche und Verbindungen – zwischen uns und den Teilnehmer*innen, aber auch untereinander. Unsere Arbeit zeigt uns immer wieder, dass Kunst eine Kraft hat, die Herzen öffnet und Menschen zusammenbringt.
Noch einmal zurück zu eurem Kunstprojekt bei „Sinn erLEBEN“, das mit einer stillen Versteigerung für einen guten Zweck verbunden war …
Ja, die Versteigerung fand parallel zum Event statt. Während die Werke vor Ort weiterentwickelt wurden, konnten Interessierte online Gebote abgeben. Am Ende gehen die Kunstwerke an die Höchstbietenden, und das Geld fließt in gemeinnützige Projekte.
Ein besonderer Fokus lag darauf, lokale Projekte zu fördern, die Menschen direkt vor Ort zugutekommen. Unter ihnen auch der Verein Herzkinder Österreich, der uns besonders am Herzen liegt.
Was glaubst du? Können wir etwas in der Welt bewirken? Für wie groß hältst du die Chance?
Ja, absolut. Kunst hat die Kraft, Menschen zu bewegen und die Welt zu verändern – nicht auf einen Schlag, aber in kleinen, wichtigen Momenten. Jede Interaktion, jede Reflexion kann ein Samen sein, der wächst.
Noch etwas, das dir wichtig ist, dir am Herzen liegt?
Ja: Vergänglichkeit ist keine Schwäche, sondern eine Stärke. Unsere Kunstwerke verschwinden, wie vieles im Leben, aber gerade das macht sie wertvoll. Wir möchten die Menschen ermutigen, den Moment zu schätzen, sich einzubringen und das Leben aktiv mitzugestalten.
Beanksy findet ihr hier auf Instagram: https://www.instagram.com/beanksyofficial/
Dieser Beitrag ist urheberrechtlich geschützt.