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„Wir können doch nicht zusehen, wie so viele Menschen ertrinken.“

Günther Lindner leitete als Kapitän die Mission 11 der Sea-Eye
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von Isolde Hilt

 

Die Crew der Mission 11

Die Mission lautet „Leben retten“. Im Herbst 2015 gründete Michael Buschheuer mit seiner Familie und mit Freunden Sea-Eye e. V. mit dem Ziel, schiffbrüchige Menschen auf der Flucht nach Europa vor dem Tod zu bewahren. „Kein Mensch verlässt freiwillig sein Land“, so der Regensburger Unternehmer, der nicht mehr zusehen wollte, wie viele tausende Menschen jedes Jahr im Mittelmeer ertrinken. Er erwarb einen hochseetauglichen, 26 Meter langen ehemaligen Fischkutter aus DDR-Beständen und rüstete ihn für die Seenotrettung um. Weit über 300 Aktive unterstützen Sea-Eye ehrenamtlich, wie zum Beispiel Günther Lindner. Er war als Kapitän bei der Mission 11 im September dabei, bei der 124 Menschen aufgespürt und gerettet wurden.

 

Günther Lindner, Kapitän der Mission 11

Wie viele auf ihrer Flucht über das Mittelmeer sterben, lässt sich schwer schätzen. Bei Sea-Eye geht man davon aus, dass die Mortalitätsrate 2015 bei 1:52 lag, das heißt, auf 52 gerettete Menschen kam ein Toter. 2016 war die Anzahl der ertrunkenen Menschen noch höher. Die junge Hilfsorganisation, die letztes Jahr im April ihre erste Fahrt startete, hat in nur einem halben Jahr knapp 6.000 Menschen gerettet. 100 Personen stehen als Crew-Mitglied zur Verfügung, einer von ihnen heißt Günther Lindner. Der Diplom-Sozialpädagoge, in seinem Beruf Bereichsleiter im Regensburger Kinderzentrum St. Vincent, ist in seiner Freizeit begeisterter Segler – mit Kapitänspatent. Er erfuhr über die Presse von Sea-Eye und dass erfahrene Leute wie er gebraucht würden: „Ertrinken ist, glaube ich, einer der schrecklichsten Tode. Da sterben jedes Jahr viele tausende Menschen, die Dunkelziffer ist kaum zu erahnen und es macht kaum einer wirklich etwas dagegen. Mein Eindruck ist: Wer nicht ankommt, muss auch nicht versorgt werden. Die Idee von Sea-Eye, möglichst viele Menschen zu retten, hat mich absolut begeistert. Da wollte ich mitmachen.“

Der Wille zu helfen allein reicht nicht, um die Crew an Bord, die normalerweise aus acht Leuten besteht, sinnvoll zu unterstützen. Man sollte seetauglich sein: „Wir hatten das Pech, dass das Wetter nur an wenigen Tagen gut war. Wir hatten oft hohen Wellengang und starken Wind. Einmal sind wir über 30 Stunden lang nur einen Sturm abgeritten.“ Man muss teamfähig sein und sich einordnen können. Die Abläufe, erklärt Günther Lindner, müssen im Ernstfall klar sein und sauber funktionieren.

„Schlepper wollen den sicheren Tod von Menschen auf der Flucht.“

Es gibt verschiedene Fluchtrouten. Sea-Eye konzentriert sich auf die westlichen und östlichen Gebiete um Tripolis. Es ist die kürzeste Route und die am Erfolg versprechendste, da es Libyen Schleppern leicht mache, ihre mörderischen Geschäfte zu betreiben, führt Günther Lindner aus. Die politischen Verhältnisse in diesem Land sind unsicher, eine funktionierende Küstenwache existiert nicht. „Den Schleppern geht es nicht darum, eine erfolgreiche Flucht zu ermöglichen. Das wissen wir von Leuten, die wir gerettet haben. Der Treibstoff, den sie dabei haben und der oft gar keiner ist, reicht nirgendwohin. Die Menschen aus Zentralafrika haben keine Ahnung, wie groß das Meer ist. Sie denken, dass sie nach wenigen Stunden in Europa sind. Die wenigsten können schwimmen. Sie wissen nicht, wie viele Personen an Bord gestopft werden.“ Viele, so der Kapitän der Mission 11, würden am liebsten gar nicht zusteigen, wenn sie das registrierten, würden dann aber gezwungen. „Es sind Menschen mit gebrochenen Händen dabei, weil sie gefesselt vom Laster gestoßen wurden.“ Die Fluchtboote, die Hilfsorganisationen wie Sea-Eye aufgreifen, sind nicht für die hohe See geeignet, schon gar nicht in einem derart beladenen Zustand. Die erste größere Welle reisst alles mit sich fort.

Das Geschäft mit Menschen auf der Flucht lohnt sich mehrfach. Eine Überfahrt kostet zwischen 3.000 und 6.000 US-Dollar, je nach Platz, den es so, wie beschrieben, gar nicht gibt. Schlepper folgen oft „ihrer Fracht“. Bleibt ein Boot übrig, weil die Menschen entweder ertrunken oder gerettet worden sind, wird alles, was übrig geblieben ist wie z. B. der Außenbordmotor, mitgenommen und erneut verhökert. Die Marine verbrennt aus diesem Grund seit einiger Zeit jedes Boot, um neues Unglück zu verhindern.

Die Menschen aus Zentralafrika haben keine Ahnung, wie groß das Meer ist. Die wenigsten können schwimmen.
Die Rettungsaktion der Mission 11

„Alarmiert wurden wir gegen 11 Uhr.“ Die Schritte, die nach Eingang eines SOS-Funkrufs zu tun sind, kennt jedes Crew-Mitglied: das Boot finden und die Erstversorgung übernehmen, die Marine informieren, die die Menschen an Bord nimmt, um sie nach Italien zu bringen. „Den Moment, den man tatsächlich nie vergisst, ist der, wenn die Menschen gefunden sind“, schildert Günther Lindner. Vor allem gelte es, Ruhe zu bewahren: „Das Wichtigste ist, nicht zu nah an das Flüchtlingsboot heranzufahren, damit die Menschen nicht ins Wasser springen und versuchen, herüberzuschwimmen.“ Zuerst werde das Beiboot zu Wasser gelassen, mit dem man sich langsam nähere, um zu signalisieren: „Wir sind hier, wir haben Zeit, wir haben Ruhe.“ Zuerst fahre man einmal um das Flüchtlingsboot herum, um herauszufinden, wie die Stimmung an Bord ist. „Das Flüchtlingsboot selbst wird immer von hinten angefahren, damit es im Gleichgewicht bleibt. Oft sind die Luftkammern kaputt, da geht das Kentern schnell.“

Das Team der Mission 11 hatte Glück: Die Menschen waren erst fünf bis sechs Stunden unterwegs und das Meer war an diesem Tag ruhig. Günther Lindner mag sich nicht ausmalen, wie eine Rettungsaktion bei stürmischer See verliefe, bei der er auch für die Sicherheit der eigenen Leute verantwortlich ist.

Die Sea-Eye nimmt normalerweise keine Passagiere an Bord, weil der alte Fischkutter sie nicht bis zum europäischen Festland transportieren könnte; dafür ist er nicht ausgestattet. Erstversorgung bedeutet, Trinkwasser und Rettungswesten zu verteilen sowie schwimmende Inseln zur Seite zu stellen, bis ein großes Marineschiff kommt, das alle Menschen aufnimmt.

Es gibt viele Möglichkeiten, Sea-Eye zu unterstützen

Wer als Crew-Mitglied bei Sea-Eye anheuert, muss sich vorher im Klaren sein, dass man auch viel Elend sieht, traumatisierte Menschen erlebt oder schlimmstenfalls Tote bergen muss. Für diese Aufgabe eignet sich nicht jeder.

Sea-Eye braucht jedoch nicht nur Leute, die bei einer Mission mitfahren. Die Hilfsorganisation aus Regensburg hat hohe Kosten zu stemmen und kann jeden Euro Spende brauchen. Momentan wird für ein weiteres Rettungsschiff gesammelt. Jetzt im Winter wird der alte Kutter auf Malta überholt, damit er im nächsten Jahr wieder zuverlässig fährt. Geld wird auch für Lebensmittel, Wasser, Schwimmwesten, technische Geräte, Treibstoff oder ein neues Beiboot benötigt.

Menschen, die für Sea-Eye werben, sind eine wertvolle Hilfe; ebenso Techniker und Handwerker, die etwas reparieren können.

 

Spendenkonto Sea-Eye e. V.

IBAN: DE60 7509 0000 0000 0798 98

BIC: GENODEF1R01

Kreditinstitut: Volksbank Regensburg

Stichwort: „Sea-Eye“

 

Jede Hilfe zählt!

Sea-Eye e. V.

Michael Buschheuer, Vorsitzender

Wiener Straße 14, 93055 Regensburg

Telefon: +49 170 7097464

E-Mail: info@sea-eye.org

www.sea-eye.org

 

Filmtipp!

Die Berliner Kamerafrau Lena Frisch hat die Mission 11 der Sea-Eye im September 2016 begleitet.

Ihr Dokumentarfilm ist auf Youtube unter folgendem Link zu sehen:

 

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