von Isolde Hilt
Nicht selten entsteht aus der Not oder Dringlichkeit heraus eine Idee, die man einfach testen muss. So geschehen in Hamburg, als sich 1987 Eltern von acht unterschiedlich stark behinderten Kindern in der Initiative Werkstadthaus e. V. zusammenschlossen, um eine Basis für gemeinsames Wohnen und Arbeiten für behinderte Menschen zu schaffen. Sie dachten an nichts Kleineres als an ein Hotel und haben es geschafft: 1993 startete das Stadthaushotel Hamburg-Altona, das erste Integrationshotel Europas. Inzwischen gibt es 45 integrative Hotelbetriebe (darunter auch eines in der Schweiz und das andere in Südtirol), zusammengefasst in einem Verbund, der sich Embrace Hotels nennt.
Vor einiger Zeit war ich in Hamburg aufgrund einer beruflichen Fortbildung auf der Suche nach einem kleinen Hotel für zwei Nächte. Ich mag diese Unterkünfte lieber als große Kettenhotels, weil sie einem mehr den Flair einer Stadt oder Region vermitteln. Von dem Stadthaushotel mit den 13 Zimmern, in dem Mitarbeiter*innen mit und ohne Behinderung arbeiten, erfuhr ich kurz zuvor. Ich wollte buchen und musste feststellen – alles belegt. Aus einer Laune heraus und weil ich dort wirklich gerne übernachten wollte, versuchte ich es am nächsten Tag noch einmal und hatte Glück. Ich bekam eines von sieben Zimmern für Rollstuhlfahrer. Ein ungewohntes Gefühl, sich leicht bücken zu müssen, weil sich Schloss und Türklinke auf Oberschenkelhöhe befinden. Keine Türschwellen, keine Teppiche aus Rücksicht auf Allergiegeplagte sowie noch so manch andere Hilfen für Menschen mit Mobilitätseinschränkungen machen jedes Zimmer barrierefrei.
Das Frühstückserlebnis hat mich dann restlos begeistert. Die Atmosphäre und die Zuwendung zu den Gästen ist tatsächlich anders – vielleicht am besten damit zu erklären, dass ein integratives Team besonders aufeinander achtet.
"Wir möchten allen unseren Gästen neben dem Gefühl, willkommen zu sein, auch ein besonderes Gefühl von Menschlichkeit geben."
Dieses Anliegen verbindet alle Embrace Hotels. Etwa die Hälfte der Mitarbeiter*innen in den 45 Mitgliedsbetrieben sind Menschen mit Behinderung. Ein einfaches Geschäft ist die Hotellerie nicht, man müsse sich mit pfiffigen Konzepten wohltuend von seinen Mitbewerbern abheben, so das Fazit. Eine Stärke ist das Handeln im Verbund, der diese besonderen Hotels bekannter macht, für eine höhere Auslastung in den einzelnen Häusern sorgt und somit Arbeitsplätze sichert. Stark nachgefragt sind die barrierefreien Hotels auch bei Senior*innen, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind, aber trotzdem gerne verreisen. Nicht zu vergessen die Gäste, die mit ihrer Buchung zugleich das Gute unterstützen wollen.
PS: Als man mir am Tag der Abreise im Hotel ein Taxi zum Bahnhof bestellt, kommt ein Großraumwagen mit einer Rampe für Rollstühle. Das Stadthaushotel in Hamburg ist eben gut bekannt.
Weitere Informationen zu Anliegen, Konzept und Entwicklung unter:
www.embrace-hotels.eu • www.stadthaushotel.com
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