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Auf Spurensuche:
Wie sieht ein gutes Leben aus?

Petra Bartoli y Eckert hat sich mit Rucksack und zu Fuß auf die Suche begeben. Sie traf auf Menschen, die loslassen, verzeihen, das Positive sehen können.
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Interview: Isolde Hilt

Was ist ein gutes Leben? Mehr denn je wird uns bewusst, wie wertvoll ein Zuhause, Essen, Zugang zu Strom, Wärme, Wasser sind. Wie kostbar und unersetzlich Zusammenhalt und ein Leben in Frieden. Und zugleich hat unser Da-Sein noch so viel mehr zu bieten. Was macht ein gutes, erfülltes Leben aus? Was lässt uns Menschen zufrieden oder gar glücklich sein?

Petra Bartoli y Eckert beschäftigt diese Frage schon lange. Bereits ein Jahr zuvor, bevor sie im Sommer 2020 ihren Rucksack mit dem Notwendigsten packte und sich zu Fuß auf den Weg machte, hatte sie mit ihrer Recherche begonnen. Sie hörte sich um, fragte nach Menschen, die das mit dem Zufriedensein besser hinbekommen als andere. Was sie auf ihrer Wanderung in Süddeutschland und Österreich herausgefunden hat, findet sich in ihrem eben erschienenen Buch „Zum Glück zu Fuß. Begegnungen auf der Suche nach dem guten Leben“.

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Wenn man sich auf die Suche nach etwas begibt, bedeutet das oft, dass einem etwas fehlt. Andernfalls kommt man eher weniger auf die Idee, nach etwas zu suchen. Hast du etwas vermisst?

Ich hatte und habe keinen Mangel. Eigentlich. Dennoch gab es immer wieder Phasen, in denen ich unzufrieden war und meine Gedanken um Dinge kreisten, die nicht ganz optimal liefen. Alltägliches eben. Gleichzeitig suggerieren Werbung und Social Media ja täglich, dass doch alles perfekt sein sollte. Dass ein „noch glücklicher, noch besser, noch erfolgreicher“ ganz leicht machbar sei. Das hat auch bei mir Spuren hinterlassen.

Auslöser für mein Suchen war ein Ratgeber für Selbstoptimierung. Ich habe mir lange Gedanken darüber gemacht, warum mich diese Ratschläge irritierten. Mir wurde plötzlich klar, dass es nicht immer besser, schneller und mehr sein muss, sondern vielleicht ein „Gut“ gut genug ist.

 

Eine Frage, die mich nicht zuletzt angesichts der aktuellen politischen Lage sehr beschäftigt: Uns geht es gut. Wir haben fast alle ein Dach über dem Kopf, haben genügend zu essen, eine warme Wohnung. Viele können in Urlaub fahren, Kultur genießen. Dürfen wir da noch nach dem guten Leben suchen, wenn wir es doch schon haben?

Es ist ein großes Glück, dass wir in einem Land leben, in dem in der Regel alle körperlichen Grundbedürfnisse erfüllt sind. Ich glaube, oft ist uns gar nicht bewusst, was wir alles haben. Und allzu häufig ist uns das alles nicht genug und es bleibt trotz all der Sachen, die man anfassen, anziehen oder zur Schau stellen kann, eine gewisse Leere. Das macht uns gehetzt und letztlich unzufrieden.

Zufriedenheit findet man meist durch andere Dinge: durch gute Freunde, durch das Bewusstmachen der eigenen Talente, durch Momente der Ruhe und der kleinen Freuden. Ich finde es gut und wichtig, sich auf die Suche zu machen, was das eigene Leben gut macht – jenseits aller Dinge, die man konsumieren kann.

„Ob wir jetzt da die Richtigen sind? Wir sind ja nichts Besonderes.“

Aloisia Schnöll

Wie hast du die Menschen für dein neues Buch gefunden? Es fällt auf, dass es eher Menschen sind, die nicht groß Aufhebens um sich machen. Wie bist du auf sie gestoßen? Was gab den Ausschlag, dass dich jemand näher interessiert hat?

Ich habe mich da auf das Gespür anderer Menschen verlassen. Über Monate habe ich herumgefragt … Ich wollte von anderen wissen, wen sie kennen, die oder der ein gutes Leben führt, rundum zufrieden ist und vielleicht sogar so etwas wie „Alltagsweisheit“ ausstrahlt. Einige Menschen, die diese Kriterien erfüllen, habe ich auch selbst schon einmal getroffen. So habe ich sozusagen zufriedene Menschen „gesammelt“. Und einige davon habe ich dann für das Buch angesprochen.

 

Was waren für dich besonders überraschende Momente bei diesen Begegnungen?

Überraschend und wohltuend zugleich war die Art und Weise, wie ich von allen meinen Interview-Partner*innen empfangen wurde. Ich habe mich bei jedem dieser Menschen vom ersten Moment an wohl gefühlt. Ich war willkommen. Ein Interview-Partner hat mir sofort angeboten, die Nacht bei ihm und seiner Familie zu verbringen. Obwohl wir uns vorher noch nie gesehen hatten. Diese bedingungslose Gastfreundschaft hat mich sehr berührt.

 

„Zum Glück zu Fuß …“ Warum zu Fuß? Verändert das Hingehen zu jemandem die Art, wie man sein Interview führt? Nimmt man den oder die andere anders in den Blick? Oder ist man vielleicht am Ende – hinter all den Menschen, die man portraitiert – selbst das Ziel, das man sucht oder versucht, neu zu entdecken?

Ich wollte mir für meine Suche Zeit lassen. Bei Fernreisen erlebt man ja manchmal, dass die Seele nicht hinterherkommt. Mir war es wichtig, dass das Tempo mir Zeit lässt, bei meinen Gesprächspartner*innen wirklich anzukommen. Deshalb ist nach und nach der Plan gereift, mich im wahrsten Sinne des Wortes auf den Weg zu machen. Dass ich während der Zeit, in der ich allein zu Fuß unterwegs war, nicht nur andere Menschen, sondern auch mich selbst besser kennenlernen werde, war mir am Anfang nicht so bewusst. Aber genau das ist passiert: Ich hatte Zeit, etwas Neues über mich zu lernen.

„Ich persönlich brauche meine Ruhe. Ich brauche Menschen um mich, mit denen man sich gut unterhalten kann, mit denen man aber auch schweigen kann. Das können nicht viele.“

Kathrin Stenger

Was sind die für dich wichtigsten Momente, Erkenntnisse, die du auf deiner Suche gefunden hast?

Eine Erkenntnis, die ich über mich selbst gewinnen konnte: Ich kann gut mit mir alleine sein. Aber oft liegt zwischen dem Allein-Sein und dem Einsam-Sein nur der nächste Schritt. Und ich habe über mich gelernt, dass ich Gehen liebe und es mir hilft, mich zu regulieren. Was ich noch gefunden habe? Mein Bauchgefühl. Dazu hat mich eine Hebamme, die ich interviewen durfte, angeleitet. Und die Bereitschaft, Dinge loszulassen und zu akzeptieren, dass das Leben manchmal Achterbahn fährt. Das konnten eigentlich alle meine Interview-Partner*innen und das hat mich sehr beeindruckt.

 

Wie hat dich diese Suche verändert?

Ich glaube, die Zufriedenheit meiner Interview-Partner*innen hat schon auch auf mich abgefärbt. Ich nehme mir jeden Tag Zeit, darüber nachzudenken, was heute gut war und wofür ich dankbar bin. Und ich bin seit meinen Interview-Touren für das Buch eigentlich ständig zu Fuß unterwegs. Außerdem überlege ich mir immer häufiger, was ich wirklich brauche. Ich verzichte gemeinsam mit meinem Mann mittlerweile auf ein zweites Auto. Viele Strecken, auch den Weg in mein 25 km entferntes Schreibbüro, fahre ich sehr häufig mit dem Fahrrad.

 

In „Suchen“ steckt auch „süchtig“. Wird man, wenn man so ein Projekt einmal angefangen hat, süchtig nach mehr?

Ich würde es weniger als Sucht, sondern mehr als Sehnsucht bezeichnen. Anders als bei einer Sucht kann ich einer Sehnsucht nachgeben oder sie auch einmal – wenn es gerade nicht geht – aufschieben. Eine Sehnsucht nach „mehr davon“ hat sich bei mir durchaus eingestellt: Ich möchte gerne mehr solche Projekte angehen. Und ich bin auch schon dabei. Im vergangenen Sommer habe ich dazu eine Alpenüberquerung gemacht. Und dabei wieder Menschen getroffen, die ich interviewt habe. Aber das ist eine andere Geschichte …

„Ich habe gemerkt, wie wohltuend es ist, ein System zu verlassen, in dem man sich nicht mehr wohlfühlt. Das hat mir Gesundheit und Zufriedenheit zurückgebracht.“

Willi Geisbauer

Mir ist beim Lesen deines Buchs wieder einmal „der Verdacht gekommen“, dass wir durch unsere Sozialisation, unser Leistungsdenken, von dem wir geprägt sind, nicht wirklich wissen, was ein gutes Leben ausmacht. Wir erahnen es am ehesten, wenn uns plötzlich etwas genommen ist, das wir vorher als selbstverständlich ansahen: einen geliebten Menschen, eine gesicherte Grundversorgung oder jetzt auch – aktuell – ein Leben in Frieden. Ist es das, was die Menschen, die du interviewt hast, anders für sich erkannt haben?

Was all die Menschen, die ich interviewen durfte, eint: Jede und jeder musste auch schon schwierige Lebenssituationen meistern, hat Verluste erlebt oder musste sein oder ihr Leben neu ausrichten. Was sie alle auch gemeinsam hatten: Niemand hat sich lange mit der Frage aufgehalten, wer Fehler gemacht hat oder schuld an dem Verlust oder der Krise war. Vielmehr haben die Menschen ihre Energie darauf verwendet, einen Sinn darin zu sehen, weiterzumachen und nach Lösungen zu suchen.

 

Eine Frage darf nicht fehlen: Was macht für dich ein gutes Leben aus? Oder verändert sich die Antwort immer wieder im Laufe eines Lebens?

Ein gutes, zufriedenes Leben hat nichts mit dem Hype nach immer ausgefalleneren Freizeitaktionen, Fernreisen oder dem Hinterherlaufen von ständigen Glückserlebnissen zu tun. Ich glaube, letztlich muss jeder und jede das für sich entscheiden. Und sicher ist die Antwort auch altersabhängig, weil sich die Bedürfnisse und Anforderungen im Laufe des Lebens ändern.

Doch natürlich gibt es ein paar Dinge, die auf jeden Menschen – egal welchen Alters – zutreffen: Ein gutes Leben meint nicht, alles schönzureden. Wer ein gutes Leben führt, nimmt das UND wahr. Also das, was in Schieflage ist, und gleichzeitig das, was daneben gut läuft. Dazu gehören natürlich auch Dankbarkeit und die Bereitschaft, seine eigenen Talente zu kennen und sie zu nutzen. Für sich selbst und für seine Mitmenschen. Denn losgelöst von anderen lässt sich ein gutes Leben kaum verwirklichen.

 

Wofür bist du nach diesem Abenteuer am meisten dankbar?

Für meine Familie, meinen Mann und meine Tochter. Die beiden haben mich und mein Vorhaben immer unterstützt. Sie haben sich meine Idee, mein Hin- und Herwenden, mein Hadern geduldig angehört, die richtigen Fragen gestellt und Anteil an allem genommen. Dankbar bin ich auch für alle Menschen, denen ich begegnen durfte. Zu manchen habe ich mittlerweile einen engen Kontakt und bin froh, sie in meinem Leben zu haben. Und ich bin dankbar dafür, dass ich mein Talent und meine Liebe zum Weitgehen entdecken durfte.

 

Noch etwas, das dir wichtig ist, das dir am Herzen liegt?

Die Voraussetzung, um ein gutes Leben für alle Menschen zu ermöglichen, sind Frieden, eine gerechte Verteilung der Ressourcen und Solidarität. Da sind wir alle gefragt. Und jede und jeder hat ein Talent oder eine Stärke, die er oder sie dafür einsetzen kann. Denn ein gutes Leben – oder die Chance darauf – hat jeder Mensch verdient!

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good news for you ist auch mit dabei!

Ich möchte nicht verschweigen, dass ich als Journalistin eine der insgesamt 15 Begegnungen sein durfte. Es war mir eine große Ehre. Zugleich war ich überrascht, den „Auswahlkriterien“ zu entsprechen, denn: Sich selbst erlebt man immer anders. Ein herzliches Danke an Petra an dieser Stelle, dass ich mit diesem Interview auch die Idee zu unserem Nachrichten-Portal good news for you vorstellen durfte.

 

Gewinnt das Buch „Zum Glück zu Fuß. Begegnungen auf der Suche nach dem guten Leben“!

Ein herzliches Dankeschön geht an den Ueberreuther Verlag in Wien, der uns drei Exemplare zur Verlosung zur Verfügung gestellt hat. Um teilzunehmen, sendet uns bitte bis einschließlich 27. März 2022 eine E-Mail an toitoitoi@goodnews-for-you.de, Stichwort „ein gutes Leben“. Wir freuen uns, wenn ihr uns noch dazuschreibt, was für euch ein gutes Leben ausmacht.

Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Wir drücken fest die Daumen!

 

Petra Bartoli y Eckert

… studierte Sozialpädagogik und arbeitete über 14 Jahre lang mit verhaltensoriginellen Kindern und Jugendlichen. 2007/08 machte sie eine Ausbildung zur Drehbuchautorin und denkt sich seitdem Geschichten aus – wenn sie nicht gerade ihrer Leidenschaft, dem Wandern, nachgeht. Von ihr sind zahlreiche Sachbücher, Rundfunkgeschichten, Kinder- und Jugendromane erschienen.
Petra Bartoli y Eckert lebt und arbeitet in Regensburg.

 

Dieser Beitrag ist urheberrechtlich geschützt.

 

Eine Antwort

  1. Vielen Dank für Ihren interessanten Beitrag. Wir alle wünschen uns doch ein gutes Leben und sollten es auch unseren nächsten gönnen. Ein gutes Leben bedeutet für uns, ein selbst bestimmtes, freies und erfülltes Leben zu führen. Das umsetzen zu können setzt voraus, sich selbst gut kennengelernt zu haben und zu wissen, was man vom eigenen Leben erwartet.
    Wie muss unser Leben aussehen, damit es zu uns passt? Die eigene Lebensgestaltung ist für viele junge und auch noch ältere Menschen eine echte Herausforderung. Für manche so anstrengend, dass sie es vermeiden, sich Gedanken darüber zu machen.
    Und dennoch gibt es doch einige gute Tipps, die jeder für sich mitnehmen kann, wenn er ein gutes Leben führen möchte. Wer sich bewusst ist, dass sein eigenes Denken ausschlaggebend dafür ist, wie er lebt, ist schon ein schönes Stück weiter gekommen. Die eigene Gedankenwelt – wie sie auch immer ist – manifestiert sich in der Lebensrealität.
    Wir erleben unser eigenes Leben ganz subjektiv. Unsere Erfahrungswelt ist ausschlaggebend dafür. Wer sich als Opfer sieht, lebt wahrscheinlich wie eines.
    Was ist die Quelle für viele Probleme im Leben? Unserer Erfahrung nach ein mangelndes Selbstwertgefühl und uns behindernde, einschränkende Glaubenssätze, die jeder von uns verinnerlicht seit seiner Kindheit. Wer denkt, Arbeit bedeutet immer Stress, kann wenig Spaß dabei entdecken, etwas zu schaffen. Wer denkt, das Leben ist zu hart, wird ebenfalls wenig Leichtigkeit in seinem Dasein finden.
    Ein gutes Leben können wir führen, wenn wir uns trauen, auf unsere innere Stimme zu hören und ihr folgen. Denn dann folgen wir unserer eigenen Bestimmung. Diese zu entdecken bringt in die eigene Mitte und lässt das Leben sich sinnvoll anfühlen. Und das ist es, was sich jeder wünscht: Ein sinnvolles, erfülltes Leben zu führen.

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