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Daten von Patient*innen sollen bald neue Wege gehen

Psychotherapeut*innen wehren sich vehement gegen die elektronische Telematikinfrastruktur, weil sie um den Datenschutz ihrer Patientinnen und Patienten fürchten
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von Isolde Hilt

Anfang 2017 bezifferte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die Anzahl der Menschen in Deutschland mit einer Depression mit ca. 4,1 Millionen. Das entspricht 5,2 Prozent der Bevölkerung. 4,6 Millionen Menschen litten an einer Angststörung. Die Stiftung Deutsche Depressionshilfe bezeichnet Depressionen als Volkskrankheit – die Erkrankung, die am meisten unterschätzt werde. Man muss keine Statistiken kennen, um zu wissen, wie schwer es ist, einen Therapieplatz zu bekommen. Psychotherapeutische Praxen verzeichnen lange Wartezeiten. Psychische Erkrankungen werden nach wie vor tabuisiert. Betroffene sprechen nicht gerne darüber, fürchten sie – nicht zu Unrecht – eine Stigmatisierung.

Nun soll die Verwaltung von Patientendaten neu geregelt werden. Es ist beabsichtigt, alle Informationen über den eigenen Gesundheitszustand und über Behandlungsverläufe elektronisch zentral zu speichern. Psychotherapeut*innen sind in Alarmbereitschaft versetzt. Worum geht es?

 

Die Telematikinfrastruktur regelt die Verwaltung und den Zugang zu Patientendaten neu

Bis zum 31. Dezember sollen alle Praxen an diese elektronische Telematikinfrastruktur angeschlossen werden. Ärzt*innen, Psychotherapeut*innen, Zahnärzt*innen, Krankenhäuser sowie andere Akteure des Gesundheitswesens sollen miteinander vernetzt werden, um dadurch schneller und einfacher miteinander kommunizieren sowie medizinische Daten austauschen zu können.

Der Vorteil? Die Gesellschaft für Telematikanwendungen der Gesundheitskarte mbH (gematik) versichert Folgendes: „Zu diesem geschlossenen Netz haben nur registrierte Personen und Institutionen mit einem Heilberufsausweis Zugang. Um allen Datenschutzanforderungen gerecht zu werden und insbesondere die medizinischen Daten von Patienten zu schützen, wird in der Telematikinfrastruktur auf starke Informationssicherheitsmechanismen gesetzt. Die sichere, verschlüsselte Kommunikation zwischen bekannten Kommunikationspartnern sowie der Schutz vor dem Zugriff auf sensible Informationen sind daher das Fundament der Telematikinfrastruktur.“

 

„Wir vernetzen das Gesundheitswesen. Sicher.“

Das schätzen viele Psychotherapeut*innen anders ein. In einem ersten Schritt würden Krankenkassen ab sofort auf diesem Weg die Daten auf der Versichertenkarte bei jedem Einlesen überprüfen. Zu dem neuen Datenspeicher hätten alle Mitwirkenden im Gesundheitswesen Zugang: Ärzte, Psychotherapeuten, Krankenhäuser, Praxen für Physiotherapie, Ergotherapie, Soziotherapie, Apotheken, kassenärztliche Vereinigungen, Krankenversicherungen, ärztliche Mitarbeiter anderer Versicherungen u.s.w. Also nicht gerade wenige Menschen. Je sensibler die Daten, umso höher die Begehrlichkeiten. Wenn sich selbst u. a. Regierungen nicht gegen Datenmissbrauch schützen könnten, wie solle dann hier der Schutz hundertprozentig gelingen?

 

Praxen, die sich nicht anschließen, sollen ab 2019 einen Strafabschlag zahlen

Viele Praxen wehren sich. Sie haben folgende Zusicherung für ihre Patient*innen aufgesetzt: „Diese Praxis schließt sich der kommenden Datenstruktur (Telematikinfrastruktur) nach dem e-Health-Gesetz nicht an. Damit Sie sich weiter in Ihrer Therapie sicher und beschützt fühlen können.“

Tausende von psychotherapeutischen Praxen haben sich diesem umfassenden Schutz der Schweigepflicht angeschlossen. Das bleibt nicht ohne Konsequenzen: Ab 2019 sollen Praxen, die sich dieser Art der Datenerfassung verweigern, ein Prozent ihres Honorars Strafabschlag zahlen. Sie verweisen ausdrücklich darauf, dass es für den Austausch von Abrechnungsdaten bereits ein abgesichertes Netz der kassenärztlichen Vereinigungen gibt, das alleine der Kontrolle der Ärzt*innen und Psychotherapeut*innen untersteht.

 

Aufruf zu echtem Datenschutz

Inzwischen gibt es eine Petition an Andrea Voßhoff. Die Bundesbeauftragte für Datenschutz wird darin eindringenlich gebeten, Psychotherapeut*innen von der Anbindung an die Telematikinfrastruktur auszunehmen. Das Schreiben legt ausführlich da, warum diese Bedenken mehr als begründet sind und weshalb möglichst viele unterschreiben sollten. Diese Folgen wünscht sich niemand.

https://secure.avaaz.org/de/petition/An_die_Bundesbeauftragte_fuer_den_Datenschutz_Frau_Andrea_Vosshoff_Keine_glaesernen_Patienten_keine_Telematik_in_der_Psy/

 

Dieser Beitrag ist urheberrechtlich geschützt.

2 Antworten

  1. Liebe Isolde,

    ich freue mich ausserordentlich darüber, dass du dieses wohl „heißeste Eisen“ der „heilversprechenden“ Digitalisierung anpackst und damit einen sehr sehr wichtigen Beitrag zur Aufklärung leistest.
    Egal wo und wie ich dich dabei unterstützen kann, auf meine Mithilfe kannst du bauen.

    Für dich und alle deine Leser, die weitergehende Informationen dazu lesen wollen:
    https://digitalcourage.de/gesundheitsdaten

    Ein nicht minder wichtiges Thema, das wenig reflektiert leider immer noch verharmlost wird:
    https://digitalcourage.de/themen/facebook/facebook-eine-grundsatzentscheidung

    Zitat:
    „Denn wer selbst keine Alternative anbietet, ist mitverantwortlich dafür, dass eines Tages vergessen ist, dass Alternativen bestehen. Durch das Befüttern alternativer Plattformen steigt auch deren Attraktivität. Wenn sich alle Organisationen, die Facebook & Co. nutzen, allein an diese Praktik hielten, wäre schon viel gewonnen.“

    Auch für mich mit dem „bayerischen Netzwerk-Projekt“ http://ois.gmachtin.bayern ist dies zentrale Antriebsfeder.

    Lasst uns gemeinsam diese wunderbare Technik in einer positiven Weise nutzbar machen.

    Peter

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