Interview: Isolde Hilt
Ein eigenes Buch ist schon eine großartige Sache. Persönliche Publikationen unterstreichen den Status der Expertin, des Experten. Mit etwas Glück können sie eine gute Einnahmequelle und ein erfolgreicher Türöffner sein. Nur, wie soll das Buch etwas werden, wenn man zeitlich so eingebunden ist? Oder wenn einem Schreiben nicht wirklich liegt? Hier kommen Profis wie Dr. Simone Richter ins Spiel. Die Diplom-Germanistin und promovierte Kommunikationswissenschaftlerin hat als Redakteurin bei der Stuttgarter Zeitung gearbeitet und war in verschiedenen Marketing- und PR-Agenturen tätig. Heute ist sie freiberuflich als Journalistin tätig und als Ghostwriterin, das heißt, sie schreibt für andere Personen, ohne selbst als Verfasserin aufzutauchen. Die Stuttgarterin begleitet Menschen bei ihrem Buchprojekt, hilft bei der Erstellung des Manuskripts oder auch bei der Suche nach einem Verlag. Was der Beruf als Ghostwriterin sonst noch so mit sich bringt, erzählt sie in diesem Gespräch.
Was lieben Sie am Ghostwriting? Was fasziniert Sie daran?
Es ist abwechslungsreich und auch aufregend. Kein Thema ist wie das andere, jeder Auftraggeber ist eine eigene Persönlichkeit. Ich bin die Sparringspartnerin, um eine Buchidee zu realisieren; was genau ich dazu beitrage, ist niemals identisch. Manche brauchen mich, um den Berg an Informationen in ihrem Kopf zu selektieren; andere, um Worte auf Papier zu bringen und manche, um ein Rohmanuskript optimal zu durchdenken. Ich bin gewissermaßen die Geburtshelferin, um ein Baby auf die Welt zu bringen. Das Buch an sich, die Sätze darin und das Thema bleiben das Kind des Auftraggebers.
Ich bin zur Verschwiegenheit verpflichtet.
Manches dürfen Sie nicht schreiben, weil Sie sich damit strafbar machen …
Es gibt zu Beginn immer einen ordentlichen Ghostwritingvertrag, der alle Beteiligten absichert. Das bedeutet, dass ich zur Verschwiegenheit verpflichtet bin und nicht damit hausieren gehe, an welchem Buch ich wie beteiligt war. Festgelegt wird darin auch, dass meine Leistung während der Entstehung honoriert wird. Manche Kunden gehen auch ganz offen damit um, dass sie mit einem Ghost arbeiten. Das kann jeder handhaben, wie es für ihn am besten passt.
Sind Sie auf bestimmte Themen/Genres spezialisiert? Für welche werden Sie angefragt?
Ich schreibe Fach- und Sachbücher, also keine Romane oder andere Formen von Literatur. Auch Unternehmensgeschichten und Biografien gehören zum Portfolio. Die Themen sind breit gefächert. Ich arbeite mich in jeden Auftrag neu und sehr tief ein – das macht es zu einer echten Herausforderung, der ich mich immer wieder gerne stelle.
Was bekommen Sie von Auftraggeber*innen an Materialien, Unterlagen?
Das ist ganz unterschiedlich, je nachdem, wie intensiv ich als Ghost eingebunden werde. Meist gibt es eine gewisse Materialgrundlage, manchmal etwas dünner, manchmal sind es Hunderte von Dateien. Am liebsten arbeite ich mit so genannten Live-Vorrecherchen, das sind Intensivinterviews, die ich mit den Kunden führe. So hole ich ihr Expertenwissen aus ihrem Kopf, kann diesen Prozess moderieren und gleichzeitig Informationen selektieren, kann nachfragen und Inhalte direkt mit ihnen erarbeiten oder diskutieren.
Müssen Sie manchmal ein Thema komplett alleine erarbeiten?
Das kommt auch vor, allerdings eher selten. Es ist sehr zeit- und kostenintensiv. Da es im Kern darum geht, das Knowhow und die Erfahrung des Auftraggebers zu verarbeiten, möchte ich von ihm auch die Informationen bekommen. Bei manchen Themen stelle ich Zusatzrecherchen an, um etwas zu vervollständigen oder bei einzelnen Kapiteln intensiver zuzuarbeiten.
Es braucht Geduld und einen langen Atem, Hartnäckigkeit und einen bequemen Bürostuhl.
Ich kann mir gut vorstellen, dass man über manchen Themen besonders schwitzt … Wie lösen Sie so etwas?
Jedes Thema ist erst einmal Neuland. Mein erster Impuls ist oft: was für ein richtig guter Denkansatz, was für eine unglaubliche Methode, was für eine Geschichte, was für ein interessanter Mensch! Dann lasse ich mich darauf ein und gehe sehr schnell sehr intensiv in die Tiefe. Ich sammle Input und Material, Eindrücke und Stories, sauge alles wie ein Schwamm auf, um es dann nach und nach wiederzugeben – dort, wo es hin gehört. Wichtig ist der regelmäßige Austausch mit dem Kunden. Dann entsteht das Buch schrittweise in enger Absprache und nach den Vorstellungen und Wünschen – allerdings unter professionellen Gesichtspunkten. Vor allem braucht es Geduld und einen langen Atem, Hartnäckigkeit und einen bequemen Bürostuhl.
Wenn es um die Schreibe geht, muss der Stil doch auch zur Person passen … Wie kommen Sie damit zurecht?
Manche Autoren haben schon Bücher geschrieben und nutzen irgendwann einen Ghostwriter, um sich zu entlasten. Dann gibt es Vorlagen und ich kann mich am vorhandenen Schreibstil orientieren. Bei Erstlingswerken sind die Intensivinterviews das beste Mittel: Wie erzählt jemand, wie drückt er sich aus? Was sagt er zwischen den Zeilen oder auch nicht? Welches Wording verwendet er,welches Fachvokabular? Wieviel Humor steckt drin oder welche Gedankengänge? Das alles kann ich dann für den Text nutzen.
Ich verzichte gerne auf meinen Namen auf dem Buchcover, es ist nicht mein Kind.
Ist es manchmal nicht schwer auszuhalten, wenn man nicht genannt wird und im Verborgenen bleiben muss – gerade wenn einem ein Text besonders gut gelungen ist?
Ich freue mich, wenn das Baby gesund zur Welt gekommen und erfolgreich ist. Ich verzichte gerne auf meinen Namen auf dem Buchcover, es ist nicht mein Kind. Die Auftraggeber nennen mich in aller Regel in der Danksagung oder im Vorwort, das ist ein schönes Dankeschön. Noch mehr allerdings habe ich von den Rückmeldungen, die nach so einem Projekt bei mir ankommen: zufriedene Kunden, die ehrlich dankbar sind. Die meine Fähigkeit und mein Talent, mit dem ich ihnen helfen konnte, wertschätzen, um sich so oftmals einen Traum zu erfüllen. Die mir mitunter sehr persönliche Dankesbriefe schreiben. Das ist ein Teil meines Lohns, der sich wie ein Applaus anfühlt.
Wird die Beziehung bei einem solchen Auftrag enger, weil man zum Beispiel Stillschweigen über das gemeinsame Projekt bewahren muss?
Gar nicht aus diesem Grund, sondern vielmehr, weil so ein Projekt eine intensive und regelmäßige Zusammenarbeit verlangt. Ein gutes Miteinander ist die Grundlage, und es dauert auch seine Zeit. Ein halbes Jahr oder Jahr sind der Durchschnitt.
Sie bekommen in einer solchen Zeit sicher viel von Ihrem, Ihrer Auftraggeber*in mit, oder?
In den meisten Fällen entwickeln sich auch private Gespräche und ein persönlicher Austausch, sogar Freundschaften. Die Beziehung zwischen Auftraggeber und seinem Ghost ist schon eine ganz besondere. Ich stehe den Menschen sehr nahe, obgleich das immer auch noch ein Maß an professioneller Distanz beinhaltet. Und wenn es dann nicht bei einem Buch bleibt, kennt man sich schon ganz gut und kann auf dieser Basis noch besser – und tatsächlich schneller – arbeiten.
Ein Buch ist ein hervorragendes Instrument, um sich zu profilieren, die eigene Expertise zu unterstreichen.
Wurde das eine oder andere Buch, das Sie im Hintergrund geschrieben haben, ein Bestseller?
Ja, auch das gab es schon. Wobei das aus meiner Sicht nicht unbedingt das erste Ziel sein sollte, warum man ein Buch schreibt. Es geht nicht um Verkaufszahlen, auch wenn das die Sichtbarkeit drastisch in die Höhe treibt. Ein Buch ist ein hervorragendes Instrument, um sich zu profilieren, die eigene Expertise zu unterstreichen. Es ist gewissermaßen ein Turbo für den eigenen Marktwert und schlägt sich schnell im Honorar nieder.
Ihr schönster Erfolg in diesem Segment?
Ich spüre den Erfolg an ganz vielen Stellen: wenn sich Kunden bereits nach den ersten Seiten mit dem Text identifizieren, wenn sie das, was ihr Anliegen oder ihre Idee war, in einer optimalen Form wiedergegeben finden, wenn man gut miteinander vorwärtskommt. Ich kümmere mich auch um das Exposé, das an die Verlage geht, und manchmal um die Kontakte zu Lektoren. Wenn dann nach wenigen Tagen schon die erste Verlagszusage kommt, strahle ich in allen Facetten. Es ist eine wichtige Bestätigung, dass man auf dem richtigen Weg ist, das Thema und das Konzept passen, die ersten Kapitel ankommen.
Wem können Sie diese Tätigkeit empfehlen? Welche Qualifikationen, Fähigkeiten sind hilfreich?
Journalisten und Akademiker aus sprachwissenschaftlichen Bereichen arbeiten als Ghostwriter. Die hohe Affinität zur deutschen Sprache und ein talentierter Umgang mit Buchstaben sind eine wichtige Grundlage. Alle Eitelkeiten sollte man ablegen: Auch wenn man ein Werk erschafft, so ist es niemals das eigene. Der Dienstleistungsgedanke sollte tief verinnerlicht sein. Gleichzeitig ist man Beraterin und Wegweiserin: Man muss den Kunden abholen und ihn manchmal motivieren, in eine neue Richtung zu denken. Aktives Zuhören und überdurchschnittliches Engagement, Menschenkenntnis und Fleiß – ohne das geht es in dem Beruf nicht.
Kann man davon leben?
Die Buchprojekte gehen meist über einen längeren Zeitraum. Man muss also schauen, wie viele Projekte parallel laufen können oder ob es sinnvoll ist, zwischendrin kleinere Aufträge anzunehmen. Wie in jedem Beruf ist es eine Existenzgrundlage, wenn man in dem, was man tut, nicht nur gut, sondern besser ist. Die Honorare orientieren sich an den Stundensätzen im Bereich Text, PR und Kreativwirtschaft.
Noch etwas, das Ihnen wichtig ist, Ihnen am Herzen liegt?
„Der Geist ist der Klebstoff zwischen den Worten.“ Das Zitat von Peter E. Schumacher finde ich zutreffend. Wer also Worte hat, die irgendwo herumschwirren, kann gerne auf mich zukommen. Ich helfe beim Einfangen, Zusammenbauen, Festmachen.
Dr. Simone Richter
Journalistin und Ghostwriterin
Mehr Infos: www.ichundmeingeist.de
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