Interview: Olga Arnstein, Gastautorin
In Haus Hemma der Katholischen Jugendfürsorge Regensburg e. V. (KJF) wohnen junge Menschen im Alter von 15 bis 27 Jahren, die noch zur Schule gehen, ein Praktikum, eine Ausbildung machen oder studieren. Wie die 24-jährige Malak. Sie kam mit 15 Jahren zum ersten Mal aus Ägypten nach Deutschland und später zum Studium der Mikrosystemtechnik an die Ostbayerische Technische Hochschule Regensburg. Die junge Frau gewährt einen Blick in ihr Leben, das so nicht alle Tage passiert.
Meine Mama war für mich als Frau ein Vorbild.
Die ersten 15 Jahre meines Lebens habe ich in Ägypten verbracht. Ich spreche seit über 20 Jahren Deutsch. Meine Eltern haben mich in einen deutschen Kindergarten und auf eine deutsche Schule geschickt. Ich hatte großes Glück, dass meine Eltern sich eine gute Schule für uns leisten konnten und meinen Bruder und mich gleichberechtigt erzogen haben. Meine Mama hat immer gearbeitet, auch während ihres Studiums, und hatte eine Affinität zu Sprachen – das war für mich als Frau ein Vorbild. Sie mag ihren Beruf und hat ihn gerne ausgeübt. Sowas ist in Ägypten nicht ganz selbstverständlich. Mein Papa hat in England studiert, und beide Elternteile sind davon überzeugt, dass andere Sprachen, Länder und Menschen unseren Horizont erweitern. Das galt immer für uns beide – für meinen Bruder und für mich. Unsere Eltern haben uns frei und liebevoll erzogen. Nur dank ihnen bin ich heute so unabhängig.
Ich hatte großes Glück, dass sich meine Eltern eine gute Schule für uns leisten konnten und meinen Bruder und mich gleichberechtigt erzogen haben.
Am 25. Januar 2011 begannen Massenproteste in Ägypten. Sie lösten den Sturz von Langzeitherrscher Mubarak aus. Die politische Situation wurde so chaotisch, dass meine Eltern beschlossen, meinen ein Jahr jüngeren Bruder und mich nach Deutschland in ein Internat nach Oberbayern zu schicken. Das war schon hart. Ich habe dort beispielsweise zum ersten Mal Menschen offen über weibliche Sexualität sprechen hören. Das war neu für mich. In Ägypten werden Frauen auf dem Land noch häufig beschnitten. Das wird gar nicht in Frage gestellt, da es in manchen Familien einfach zur Tradition gehört.
Wir haben an einer deutschen Schule in Kapstadt unser Abitur gemacht.
Nach einem Jahr auf dem Internat sind wir mit Papa nach Kapstadt gezogen. Dort haben mein Bruder und ich an einer deutschen Schule unser Abitur gemacht. Meine Mama ist in Ägypten geblieben. Sie wollte ihren Beruf nicht aufgeben – auch falls wir Kinder wieder zurückkommen müssten. Das finde ich immer noch stark von ihr. Sie musste sich dafür rechtfertigen. Ihr wurde unterstellt, dass sie ihre Kinder nicht liebt – was für ein Irrsinn! Hätte das ein Mann gemacht, wäre das nicht so ein Drama gewesen. Ich habe sie natürlich vermisst, aber wir haben auch einen Vater und ich respektiere ihre Entscheidung vollkommen.
Bevor ich mit meinem Studium in Regensburg angefangen habe, habe ich in einer Kleinstadt in Deutschland Bundesfreiwilligen Dienst gemacht. Ich konnte währenddessen mit meinen arabischen Sprachkenntnissen Flüchtlingen helfen. Und jetzt bin ich mit dem Studiengang „Mikrosystemtechnik“ fertig und auf Jobsuche. In meinem Studiengang waren verhältnismäßig wenige Frauen. Ich frage mich, warum? Auch die Lehrenden waren zumeist Männer.
Ich habe von meinen Eltern gelernt, dass Wissen die größte Macht ist, und das möchte ich unbedingt weitergeben. An alle Menschen!
Ich bin eine internationale Frau und vor allen Dingen bin ich ein Mensch.
Sollte ich einmal eine Tochter bekommen, möchte ich ihr gerne sagen: „Tu das, worauf du Lust hast, was dich interessiert, neugierig macht. Probiere es aus, tu es!“ Das würde ich meinem Sohn natürlich auch sagen, aber ich glaube, dass Frauen mit mehr Stereotypen konfrontiert sind, die sie in ihren Entscheidungen beeinflussen und einschüchtern könnten.
Ich habe von meinen Eltern gelernt, dass Wissen die größte Macht ist, und das möchte ich unbedingt weitergeben. An alle Menschen! Manchmal bedaure ich es, dass dieses Frau- und Mannthema überhaupt notwendig ist … Oder die Frage ob ich mich als arabische oder deutsche Frau fühle. Ich bin eine internationale Frau und vor allen Dingen bin ich ein Mensch.
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