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Im Grunde gut: Wie der Homo puppy die Welt eroberte

Rutger Bregman schreibt in seinem Buch eine neue Geschichte der Menschheit.
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Buchvorstellung von Kristin Frauenhoffer

Anfang 2020 erschien das Buch „Im Grunde gut. Eine neue Geschichte der Menschheit“ des jungen niederländischen Historikers Rutger Bregman und traf damit einen Nerv der Zeit. Gerade hatte ein Virus die Welt lahmgelegt und die Menschen zeigten sich so solidarisch und hilfsbereit wie nie. Eindrucksvoll zeichnet Bregman in seinem Bestseller ein positives, hoffnungsvolles Menschenbild.

 

Ist der Mensch von Grund auf böse?

Es gibt da dieses eine Buch, das mich beim Lesen schockierte und auch lange danach noch beschäftigte. „Der Herr der Fliegen“ ist ein internationaler Bestseller und gehörte sogar lange zur Schullektüre. Darin geht es um eine Gruppe Schuljungen, die nach einem Flugzeugabsturz allein, ohne Erwachsene, auf einer einsamen Insel stranden. Sie gründen eine Art Demokratie, wählen einen Anführer und versuchen, ihr Leben zu organisieren. Aber dann läuft alles gründlich schief und es entbrennt ein Krieg unter den Jungen, bei dem es sogar Tote gibt. Der Autor des Buches, William Golding, schrieb das Buch 1951, um zu zeigen, wozu Menschen – oder besonders Kinder – fähig sind, wenn es keine Regeln und Gesetze gibt. Ich dachte mir schon damals, dass das nicht sein kann. Ich konnte und wollte einfach nicht glauben, dass wir Menschen uns zu brutalen Gewalttätern oder skrupellosen Egoisten entwickeln, sobald wir uns fernab der Zivilisation mit ihren Gesetzen und Regeln befinden.

 

Der wahre „Herr der Fliegen“ ist deutlich langweiliger

Genau das glaubt auch der holländische Journalist und Historiker Rutger Bregman nicht. Zu Beginn seines Buches führt er viele wissenschaftliche Beweise an, die zeigen, dass wir Menschen eigentlich friedvolle und freundliche Wesen sind. Unter anderem erzählt er die wahre Geschichte von „Herr der Fliegen“. Mitte der 70er Jahre strandeten tatsächlich ein paar Schuljungs auf einer einsamen Insel. Doch statt sich gegenseitig umzubringen, setzten sie alles daran, gut miteinander auszukommen und zusammenzuarbeiten. Und falls es doch einmal Streit gab, wurden die beiden Streithähne für einige Zeit voneinander getrennt und später versöhnten sie sich wieder.

Die Geschichte ist faszinierend, denn die Jungen lebten wirklich ganze 13 Monate allein auf der Insel. Der Arzt, der sie später untersuchte, befand, dass sie muskulös und kerngesund waren. Hatten sie doch ein Jahr lang nur von dem gelebt, was sie auf der Insel finden konnten.
Doch die Geschichte scheint zu langweilig, um sie packend erzählen zu können. Die beiden Versuche, sie zu verfilmen, wurden ein Flop und auch sonst weiß fast niemand davon. Und das ist keine Überraschung, sind wir es doch gewohnt, Sensationen und spannende, sogar schockierende Geschichten zu hören.

 

Only bad news is good news

Die Nachrichten sind voll von Gewalt, Anschlägen und Katastrophen. Laut Rutger Bregman sei das ein Grund dafür, warum die Mehrheit von uns davon ausgeht, wir Menschen seien von Natur aus böse, aggressiv und egoistisch. Doch was in den Medien erscheint, sind Ausnahmen. Dadurch würde ein völlig falsches Menschenbild vermittelt. Die meisten Menschen verhielten sich in einer Katastrophensituation alles andere als egoistisch. Im Gegenteil: Gerade in der Krise offenbare sich unsere hilfsbereite Natur. Doch man muss gar nicht nur auf Ausnahmesituationen schauen. Auch im Alltäglichen gibt es etliche freundliche Gesten, mitfühlende Worte oder Taten. Aber all das Positive, das uns Tag für Tag umgibt, sehen wir nicht. Es sei ja auch keine Sensation, sondern einfach normal, fast ein bisschen langweilig, so Bregman. Mit seinem Buch lenkt er unsere Aufmerksamkeit auf diese Seite der menschlichen Existenz. Er bezieht sich dabei auf eine große Auswahl psychologischer und biologischer Studien, die die solidarische Grundeinstellung und Freundlichkeit des Menschen untermauern.

 

Hobbes und Rousseau – zwei konträre Menschenbilder

Viel zu viele Wissenschaftler*innen hätten sich in den letzten Jahrhunderten mit den Niederungen des menschlichen Charakters beschäftigt, schreibt Bregman. Erst seit einigen Jahrzehnten wird in die andere Richtung geforscht. Der junge holländische Journalist und Historiker stellt im Buch zwei große Denker gegenüber, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Auf der einen Seite Thomas Hobbes, der behauptete, das Leben des Menschen in der Natur sei einsam, armselig und kurz gewesen und hätte immer im Krieg geendet. Sein kriegerisches Naturell könne nur durch eine autoritäre Macht in Zaum gehalten werden. Auf der anderen Seite der französische Philosoph Jean-Jacques Rousseau, ein Verfechter der Theorie, dass der Mensch von Natur aus gut sei und dass es vielmehr die Institutionen seien, die ihn böse machten. Immer wieder lässt Bregman die beiden gegeneinander antreten. Und immer wieder kommt Rousseau mit seinem Menschenbild der Wahrheit näher.

 

Wurden wir durch die Zivilisation sanfter oder war das Gegenteil der Fall?

Rutger Bregmans Mission ist es, mit der so genannten „Fassadentheorie“ aufzuräumen. Dieser Theorie zufolge umgebe die Zivilisation uns Menschen lediglich als dünne Schicht, als Fassade, um dann bei der erstbesten Gelegenheit abzubröckeln und unsere wahre Natur zu offenbaren. Die des wilden Barbaren, der sich um jeden Preis, aggressiv und gewalttätig, durchsetzen möchte. Der Ausgangsort für Bregmans Antithese zur landläufigen Meinung ist die prähistorische Zeit, in der wir als Jäger und Sammler unterwegs waren. Analysen diverser archäologischer Funde wie Knochen oder auch Höhlenmalereien legen die Vermutung nahe, dass wir zu dieser Zeit sehr friedlich zusammenlebten. Es gibt zum Beispiel viele Höhlenzeichnungen von Jagdszenen, aber keine einzige gewalttätige Darstellung. Forscher*innen wissen heute, dass Nomaden ein großes soziales Netzwerk hatten, immer wieder auf Fremde trafen, die ihnen bald zu Freunden wurden. Gekämpft wurde fast nie. Erst mit dem Bau von Siedlungen und mit dem Beginn von Besitz änderte sich das. Nun gab es etwas, wofür man kämpfen musste. Die Zivilisation, die uns Menschen angeblich von der wilden Barbarei befreite, sei laut Bregman die Wurzel allen Übels. Und damit ist er der gleichen Meinung wie Rousseau.

 

Im Grunde gut: Als „Homo puppy“ ist Kooperation unser stärkster Vorteil

Doch wenn wir so ein friedliches Gemüt haben, wie hat sich der homo sapiens evolutionär gegen andere Menschenarten durchsetzen können, wo es doch immer heißt „survival of the fittest“? Diese Frage beantwortet Rutger Bregman eindeutig. Eigentlich müsse es „survival of the friendliest“ heißen. Was uns von früheren Menschenarten wie beispielsweise den Neanderthalern oder auch Menschenaffen unterscheide, sei unsere Fähigkeit zum sozialen Lernen. Unsere Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit mache uns zu der überlebensfähigsten Spezies, die es gibt. Bregman nennt uns den „Homo Puppy“, den domestizierten Menschen, in dessen Gesicht sich jede Emotion ablesen lässt. Wir sind die einzige Art der Welt, die erröten kann. Diese typisch soziale Fähigkeit zeigt, dass uns wichtig ist, was andere denken. Das wiederum schafft Vertrauen und verbessert die Zusammenarbeit. So lernen wir voneinander und sind klüger als andere Arten. Kurzum: Der Mensch ist in der Gemeinschaft stark und konnte sich deshalb in der Evolution durchsetzen.

 

Wenn Menschen Schlechtes tun, gibt es meist externe Auslöser

Aber natürlich sind wir nicht nur gut. Der Blick in die Geschichte zeigt, dass Menschen durchaus bösartig und gewalttätig sein können. Krieg und Gewalt begleiten uns schon immer. Bregman leugnet diese Tatsache auch nicht. Doch laut ihm seien auch Menschen, die Böses tun, davon überzeugt, „auf der richtigen Seite der Geschichte“ zu stehen. Berühmte Experimente wie das „Stanford-Prison“- oder das „Milgram“-Experiment, die beide beweisen sollten, dass ganz normale Menschen in bestimmten Situationen gewaltsam gegen andere vorgingen, nimmt Bregman auseinander. Im Buch zeigt er auf beeindruckende Weise, wie manipulativ die Wissenschaftler vorgingen und dass die Ergebnisse dadurch nicht haltbar seien. In beiden Fällen hätten die Teilnehmer*innen der Experimente von sich aus eher deeskalierend gehandelt, wären sie nicht zu gewaltsamen Taten angestachelt worden. Laut Bregman seien es vor allem diese externen Auslöser, die unsere gutmütige Natur veränderten: Manipulation, Gruppendruck und der falsche Glaube, das Richtige zu tun. Und gerade Kleinkinder, die noch nicht zu sehr von ihrer Umwelt beeinflusst sind, zeigten in Studien enorm kooperatives und soziales Verhalten. Wurden sie aber absichtlich manipuliert, konnte sich das Blatt schnell wenden.

 

Unsere Weltsicht ist ausschlaggebend

Was bedeutet das für uns heute? Die wichtigste Erkenntnis, die mir aus dem Buch bleibt, ist, dass vieles mit unserer Sicht auf die Welt zu tun hat. „Letztlich gibt es nur wenige Vorstellungen, die die Welt so sehr beeinflussen wie unser Menschenbild. Was wir voneinander annehmen, ist das, was wir hervorrufen“ schreibt Rutger Bregmann. Die Herausforderungen unserer Zeit könnten laut ihm nur mit der Entwicklung eines anderen Menschenbildes bewältigt werden. Er appelliert daher an seine Leser*innen, sich zurückzubesinnen auf das, was uns ausmacht: unsere Fähigkeit zu Empathie und sozialem Handeln. Statt in sozialen Netzwerken Grabenkämpfe zu führen, rät er, aufeinander zuzugehen und sich gegenseitig zuzuhören. Zuviel schlechte Nachrichten zu meiden und stattdessen die guten zu suchen. Dann können wir gemeinsam nach und nach unser Menschenbild umkrempeln.

 

Und hier gibt’s eine Leseprobe: https://www.rowohlt.de/buch/rutger-bregman-im-grunde-gut-9783498002008

 

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2 Antworten

  1. großartig!!!!!!!
    Mit dieser Einstellung bin ich guter Hoffnung auf eine bessere Welt.
    Ich bin 77 Jahre und wünsche dieser Gemeinschaft alles, alles Gute.
    Brigitte

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