von Isolde Hilt
Zwei Jahre ist es her, als ihn sein damals vierjähriger Sohn fragte, ob man nicht selbst einen Weihnachtsbaum bauen könne – so wie Petterson und Findus. Er wolle nicht, dass extra für ihn und seine Familie zu Weihnachten ein Baum sterben müsse. Damit hatte der Junge bei seinem Papa, der zwar gerne Weihnachten feiert, beim Baum aber selbst kein gutes Gefühl hatte, einen Nerv getroffen. Nico Stisser ließ sich etwas einfallen: Ein Zaunpfahl aus dem Schuppen diente als Prototyp. Er bohrte viele Löcher rein, in die man die Tannenzweige stecken konnte. Die Idee zu „Keinachtsbaum“ war geboren, der in diesem Jahr mit 999 Stück an den Start gehen soll.
Weihnachtsbäume sind eine Industrie für sich. Jedes Jahr werden ca. 40 Millionen Tannen auf einer Fläche von 40.000 Hektar gefällt. Etwa 30 Prozent der Nadelbäume werden sofort aussortiert und geschreddert, weil sie nicht dem Schönheitsideal entsprechen. Und auf noch etwas weist Nico Stisser hin: „Der Anbau von Monokulturen verbraucht nicht nur extrem viel Fläche. Der massive Einsatz von chemischen Düngemitteln und Pestiziden schadet der Gesundheit unserer Böden, Gewässer und Ökosysteme.“
Doch wie dann Weihnachten feiern, so ganz ohne Baum? Und damit auch auf einen traditionellen und eigentlich doch wunderschönen Brauch zu verzichten … Die Idee, einen Baum mit Wurzelballen zu kaufen und zu hoffen, dass er einer von zehn ist, der die Prozedur überlebt, überzeuge nicht wirklich, so Nico Stisser. Ebenso wenig die Plastiktanne, meist in China produziert. Der Keinachtsbaum, so hofft der Osnabrücker, könnte der Weg zu einer echten, nachhaltigen Alternative hinsichtlich Weihnachtsbaum sein.
Der Keinachtsbaum, vielleicht der letzte Weihnachtsbaum
Der Prototyp im Hause Stisser überzeugte: „Das Ergebnis war so beeindruckend, dass jeder, der unseren ‚Baum‘ sah, zuerst gar nicht glauben wollte, dass es kein echter Baum ist und dann einen eigenen haben wollte.“ Nico machte sich deshalb auf die Suche nach Möglichkeiten, wie man diese Erfindung perfektionieren und in Serie bringen kann. Ein befreundeter Tischler half ihm, den Keinachtsbaum, dessen Name inzwischen geschützt ist, zu entwickeln. Heraus kam ein Bausatz mit 9 Einzelteilen, einem Stern und insgesamt 105 Löchern. Eine größere Herausforderung war, einen Betrieb in Deutschland zu finden, der diese anspruchsvolle Konstruktion produzieren kann. Von 100 angefragten Firmen blieb am Ende eine übrig; eine kleine Manufaktur erhielt den Zuschlag.
Der Keinachtsbaum wird aus hochwertigem FSC-zertifizierten Eschenholz gefertigt. Die Einzelteile, sichert sein Erfinder zu, sind in ca. einer Minute zusammengebaut: „Du kannst dir damit deine individuelle Traumtanne gestalten. Von 1,60 m bis 2,20 m, buschig oder filigran, ganz oder nur vorderseitig bestückt als Eckbaum – deiner Phantasie sind keine Grenzen gesetzt.“
Und wie wird der Baum grün?
Das Schnittgrün kommt jedes Jahr frisch von den Bäumen, die extra dafür angepflanzt wurden oder von Tannen, die sonst an Ort und Stelle geschreddert worden wären. Entnehme man einem Baum nur ein paar Zweige anstatt ihn komplett zu fällen, seien der Ertrag und die Nutzungsdauer eines Baumes wesentlich höher, führt Nico Stisser aus. In Floristikläden oder auch bei Weihnachtsbaumhändlern kann man das Grün für den Baum leicht erwerben – soviel, wie man eben braucht. Der Ausschuss der Weihnachtsbaumplantagen, der zwischen 30 und 70 Prozent liege, könne endlich sinnvoll genutzt werden. „Meine persönliche Vision ist es, dass großflächige Mischwälder nach und nach die Weihnachtsbaum-Monokulturen ersetzen. Aus ihnen kann dann Jahr für Jahr behutsam das benötigte Tannengrün entnommen werden und ihre Fläche wächst beständig weiter.“
Und auch das schließt das Projekt „Keinachtsbaum“ mit ein: Pro verkauftes Exemplar wird ein neuer Baum gepflanzt. Darüber hinaus engagiert sich Nico Stisser mit seinem Start-up für die Wiederaufforstung und die Entwicklung nachhaltiger Pflanzkonzepte.
„Der letzte Weihnachtsbaum deines Lebens“
Wer dazu beitragen möchte, dass der Keinachtsbaum noch in diesem Jahr Einzug in den ersten Wohnzimmern hält, erfährt mehr unter: https://www.startnext.com/keinachtsbaum
Nico Stisser hofft, dass die Crowdfunding-Kampagne, die bis Anfang Oktober läuft, erfolgreich ist: „Letztendlich ist es eben KEIN Weihnachtsbaum, sondern ein hochwertiges Möbelstück, dass man nur noch EINMAL kauft. Und im Idealfall benutzen es noch die eigenen Enkelkinder.“
Weitere Infos unter: https://www.keinachtsbaum.de/
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