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Professioneller „Unsinn“ eines Lebenskünstlers

Ein Portrait über Maximilian Meier, Clown und Clownpädagoge
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von Michael Scheiner

„Es ist ein unglaubliches Geschenk!“ Maximilian Meier strahlt übers ganze Gesicht. Schelmisch verzieht sich sein Mund zu einem unhörbaren Lachen. Der junge Mann fühlt sich am richtigen Platz angekommen. Nicht in dem alten Sessel unterm Dach, wo er im leicht dämmrigen Licht dem Interviewer gegenübersitzt. Aber als Clown, wo er mit roter Nase – „die kleinste Maske der Welt“ – Menschen ein Lächeln auf die Lippen zaubert, alten und dementen Menschen freudige Regungen entlockt, schwerkranken Kindern für kurze Zeit ihre schwere Situation vergessen lässt und sie zum Lachen bringt.

„Die Arbeit von Clowns hat eine gesundheitsfördernde Wirkung.“

Der schlanke, gut trainierte Harlekin und Spaßmacher, eine Bezeichnung, mit der Meier wenig anfangen kann, ist seit zwei Jahren Mitglied der Klinikclowns. Dieser gemeinnützige Verein schenkt Menschen in Kliniken und Seniorenheimen „ein Lachen“. Als Clown Mum besucht Meier regelmäßig solche Einrichtungen in der Region – immer zu zweit, mit einer Clowns-Partnerin zusammen. Die beiden improvisieren dauernd und müssen dabei „unwahrscheinlich aufmerksam, einfühlsam sein“. Dabei geht es „nicht ums Ego“ oder eine Show, „die runtergespult wird“. Im Duo „versuchen wir mit unserer Leichtigkeit, Lebenssinn zu versprühen“. Auch wenn es oft „nur einen kurzen Augenblick gibt, wo jemand wieder lachen kann“. Dann aber habe sich ihr Besuch schon gelohnt. Es gebe inzwischen Studien, unterstreicht der 31-Jährige eigene Erfahrungen, die belegten, dass die Arbeit von Clowns eine gesundheitsfördernde Wirkung habe. In manchen Ländern seien professionelle Spaßmacher schon als Therapie anerkannt. In Bayern erfahren Klinikclowns auch Anerkennung. Spenden und Sponsoren ermöglichen den Einsatz der mittlerweile 58 Clowns, die dem Verein angehören.

 

Für den gebürtigen Regensburger war es ein langer Weg, bis er „in der Welt des Clowns angekommen“ ist. Er führte ihn durch mehrere Länder und etliche Schulen. Als Initialzündung erwies sich eine Begegnung in der Werftstraße. Auf dem Weg zu einem Freund jonglierte er 16-jährig ein wenig mit Bällen. Ein „picobello gekleideter Mercedesfahrer“, der angehalten hatte, fragte, ob der das auch lernen könne. „Klar“, lautete die leichtfertige Antwort. Lässig zeigte der junge Straßenkünstler dem Älteren, wie man mit einem Ball beginnt, dann weitere dazunimmt. Das ging einige Minuten, bis dieser plötzlich einen „tollen Trick nach dem anderen aus dem Ärmel schüttelte“. Er sei früher beim Zirkus gewesen, lachte der Mann und stieg wieder ins Auto. Nach wenigen Metern hielt er noch einmal an, winkte dem Amateurjongleur und drückte ihm eine 10-Euro-Münze in die Hand. „Mach weiter, so“, ermunterte er das Nachwuchstalent. „Die Münze habe ich heute noch!“ Meier weist inmitten des vollgestellten Dachzimmers auf eine Kommode, aus der neugierig eine Clownsmaske und eine bunte Fliege hervorlugen.

Am Boden liegen Jonglierringe. Auf einem Kleiderständer Frack, Schlapperhose und ein runder Hut – typische Outfits für einen Clown. Auf dem Couchtisch liegen Kunstbücher. Obenauf liegt ein Band über den britischen Maler David Hockney. Es ist kein Zufall, dass Meier gerade diesen Künstler besonders liebt. In den 80er Jahren fotografierte Hockney auch und gestaltete aus bis zu 100 Polaroidbildern zusammengesetzte Fotocollagen. Mit Polaroids und ähnlichen Fotocollagen hatte zur gleichen Zeit Meiers Vater, Wolfgang Keuchl, international Erfolg. Auch wenn die Lebensumstände nicht immer einfach waren, Maximilians Mutter – eine engagierte Sozialpädagogin – hatte sich von Keuchl getrennt, als der Junge fünf Jahre alt war, liebte Maximilian seinen Vater abgöttisch. „Er war mein Held“, erzählt er mit zärtlicher Wehmut über das manchmal schwierige Verhältnis zu dem künstlerischen Kraftpaket. Ein schwerer Unfall des Vaters warf den „Musterschüler“ damals aus der Bahn. Er verließ das Altdorfer-Gymnasium mit Mittlerer Reife. Später holte er das Fachabitur nach, machte seinen Ersatzdienst in einer Behinderteneinrichtung in Konstanz und lebte in einer Wohngemeinschaft in der nahen Schweiz. In dieser Zeit eines Auf- und Ausbruchs, der Neuorientierung stirbt plötzlich der Vater. Neben Schmerz und Trauer bringt der neuerliche Rückschlag auch Entlastung. Maximilian hatte sich über Jahre intensiv um den anstrengenden Vater gekümmert, der die ländliche Einöde, wo er alleine lebte, nicht verlassen wollte. „Eine schwierige Zeit“, fasst der Sohn knapp zusammen.

„Wie Musik verbindet auch die Jonglage, sie wird zum Sprachrohr.“

In der Schweiz lernt er Straßenkünstler, Tänzer, Jongleure kennen. Er trainiert selbst viel, macht einen Intensivkurs an der Scuola Teatro Dimitri im Tessin und geht nach Bolivien. Die Freundin, mit der er ein Jahr verbringen und spanisch lernen wollte, verschwindet nach drei Tagen. Auf sich zurückgeworfen, verständigt er sich zunächst mit seiner offenherzigen Art – und mit Jonglieren. „Wie Musik verbindet auch die Jonglage, sie wird zum Sprachrohr.“

Um seinen Lebensunterhalt zu finanzieren, spielt der „Malabarista“ viele Stunden täglich „Straßenampel“. Ist eine Ampel rot, jongliert er für Autofahrer und erhält manchmal einige Bolivianos. „Es waren Auftrittsmomente, schon in eigenen Klamotten“, erzählt er von seiner Zeit als Lebenskünstler. Die führen ihn durch Peru, Chile und Argentinien. Einige Wochen lebt er bei einem Fischer auf der Isla del Sol im Lago Titicaca, zwei Monate in einer Oase in der Atacama Wüste. In Argentinien landet er mit zwei Mitreisenden für 24 Stunden im Gefängnis, ohne zu wissen warum. Wochenlang lebt er von Avocados und dem Armenessen der „mercado“. Dabei lernt er die Sprache und vor allem viele Zirkusleute kennen, „die erkennen sich untereinander immer sofort“. Gefürchtet hat er sich auf den Reisen mit einfachen Unterkünften nur ein einziges Mal, als er in La Paz von einigen zugekoksten Reichensöhnchen vor dem Haus, in dem er wohnte, zusammengeschlagen wurde. Sie glaubten im Drogenwahn, er hätte ihnen etwas gestohlen.

Die Rückkehr nach einem „unglaublich erfahrungsreichen, intensiven Jahr als Lebenskünstler“ bescherte ihm einen Kulturschock. Um sich wieder einzufügen, probierte er es in Berlin mit einer Jonglage-Schule – „war nicht die Richtige“. Er begann ein forstwirtschaftliches Studium, das er vorzeitig beendete, und trainierte intensiv beim „Verein zur Überwindung der Schwerkraft“. Dabei „fing ich an zu clownen“.

Nächster Schritt: Barcelona, leben in besetzten Häusern mit anderen Straßenkünstlern. In Valencia besucht er eine Zirkusschule, entwickelt seine erste Soloshow. Die führt er in Parks und auf Plätzen auf. In Madrid lernt er auf der staatlichen Zirkusschule Elena kennen. Mit ihr stellt er in einem Monat eine „gemeinsame Acrobatica-excentrica-Nummer auf die Beine“. Es ist ihre erfolgreiche Abschlussarbeit.

Maximilian Meier, heute ein anerkannter Akrobat und Clown

Aus dem windigen Straßenkünstler ist ein anerkannter Akrobat und Clown geworden. Er zieht bei Elena im Wohnmobil ein. Gemeinsam tingeln sie durch Spanien und Elenas Heimat Italien. In Sizilien wird der Welpe „Ciuffolo“ neues Familienmitglied. Bei einem Besuch bei der Mutter in Deutschland lernt er die Klinikclowns kennen. Der freiheitsliebende Weltenbummler spürt, dass „ich nach vielen Jahren wieder einmal an einem Ort sein muss“. Er ist – vorläufig – angekommen.

Nach zehn Jahren reist er im August wieder nach Bolivien, diesmal als Clownspädagoge. Für die „Clowns ohne Grenzen“ vermittelt er mit zwei Clowns-Kolleginnen den Kindern eines SOS-Kinderdorfes, wie man jongliert, einen Clown spielt und ein Stück erarbeitet. Parallel dazu spielen sie in umliegenden Dörfern ein Stück, für das sie gerade in München fast jedes Wochenende proben. „Vor vielen Jahren hat es auf den Straßen Südamerikas mit dem professionellen ‚Unsinn‘ begonnen“, schreibt Meier auf der Seite der Klinikclowns. Jetzt kehrt er zurück und steckt diesmal junge Menschen mit Lebensfreude, Mut und Neugierde an: „…ein unbezahlbares riesiges Geschenk!!!!“

 

Info: www.klinikclowns.de und https://fatalikuzirkus.wix.com/maniaclown und https://www.clownsohnegrenzen.org/

 

Herzlichen Dank

an Michael Scheiner

Autor, Journalist, Fotograf –

für dieses einfühlsame Portrait!

Weitere Infos zu ihm unter:

www.michaelscheiner.de

 

 

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