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Sasan:
Eine Geschichte wie aus „Tausendundeine Nacht“

Ein junger Mann aus Afghanistan und ein Bäckermeister aus Niederbayern versetzen alle nur noch in Erstaunen. Sie zeigen, was möglich ist, wenn man sich wirklich aufeinander einlässt.
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von Isolde Hilt

Auf eine Geschichte wie die von Sasan und Reiner Dietl stößt man nicht oft. Und es ist sehr wahrscheinlich, dass beide noch das eine oder andere Kapitel draufsetzen werden, weil sie Freude am Leben miteinander haben. Weil es gemeinsam immer wieder etwas neu zu entdecken gibt, das noch lange nicht ausgereizt ist. Die Geschichte von Sasan und Reiner Dietl beginnt im Jahr 2015 …

Reiner Dietl ist Bäckermeister aus Elisabethszell bei Straubing in Süddeutschland. Mit vier Filialen und 42 Angestellten ist er in seinem Handwerk solide aufgestellt. Der gestandene Niederbayer muss aber auch ein großes Herz haben. 2015, als viele Menschen nach Europa und Deutschland flüchten, überlegt auch er, wie man da helfen könne. „Ein Mitarbeiter sagte zu mir: Komm, du hast doch eine leerstehende Pension. Machen wir daraus eine kleine Unterkunft für Asylsuchende.“ Nach drei Wochen, so erzählt Reiner Dietl, hätten sie einen Bescheid erhalten, dass sie sechs Flüchtlinge aus Afghanistan aufnehmen sollen. „Einen Tag später stand Sasan mit seinem kleinen Bruder vor meiner Haustür.“ Ein bedeutender Wendepunkt in seinem Leben, wie sich bald herausstellt.

Sasan erobert nicht nur das Herz des Bäckermeisters, sondern begeistert auch gleich dessen ganze Familie. Nicht über die Sprache, denn die ist während der ersten Zeit in Deutschland das größte Handicap. „Er war sehr gewillt, Deutsch zu lernen, aber er erhielt keine Unterstützung. Keinen Kurs, keine Aufnahme in eine Berufsschule vor Ort. Es war am Anfang sehr, sehr hart“, erinnert sich Reiner Dietl. So nimmt man den jungen Mann aus Afghanistan erst einmal in die Familie auf, macht viel gemeinsam, studiert Bilderbücher. „Wir haben geübt, geübt, geübt.“

 

„Für mich war das ein großes Glück!“, bestätigt Sasan.

Sasan mit Reiner Dietl (li.) und Schulleiter Stephan Eichinger (re.)

Sieben Jahre später spricht Sasan sehr gut Deutsch. „Dass ich Reiner kennengelernt habe, war für mich ein großes Glück. Er hat mir bei allem geholfen – bei der Schule, mit der Sprache, beim Kennenlernen der Kultur. Einfach mit allem.“ Reiner Dietl hat aber auch nichts unversucht gelassen, um Sasan eine Zukunft mit Perspektive zu ermöglichen. Ihm kommt St. Erhard in den Sinn, eine Berufsschule im 42 Kilometer entfernten Plattling. Mit dieser Schule, so berichtet er, habe er bei früheren Lehrlingen sehr gute Erfahrungen gemacht. Gemeinsam mit Schulleiter Stephan Eichinger überlegt man, ob eine Ausbildung überhaupt zu schaffen ist. „Wenn du die Sprache nicht kannst, bei Null anfangen musst, von der arabischen Schrift zu unserer wechseln sollst … Wie soll das alles gehen?“ Die Antwort gibt ihnen der junge Afghane vier Jahre später: Mit seinem Abschluss ist er nicht nur Klassen-, sondern Schulbester! Auch die praktische Ausbildung im Betrieb besteht er mit Bravour.

 

„In St. Erhard wurde mir angeboten, dass ich Bäcker lernen könnte. Ich habe das ein paar Monate ausprobiert und es hat mir gefallen. So habe ich mit der Ausbildung zum Bäcker angefangen.“ Sasan liebt es, Brezeln zu werfen, wie man in seinem Handwerk sagt. „Das macht mir Spaß, weil ich schneller als andere bin“, und lacht seinen Chef an, den er wahrscheinlich in dieser Spezialdisziplin schon längst überrundet hat. Er bäckt aber auch gern Brötchen und Brote. Das sei für ihn etwas Besonderes, denn so etwas gäbe es in seiner Heimat nicht.

 

 

Wenn sich das Leben mit dir freut: Der nächste Preis!

2019 erhält Reiner Dietl eine Einladung. Sein Betrieb ist für den Ausbilder-Preis nominiert. Allein das sei schon unglaublich gewesen, verrät er. Normalerweise stünden da eher größere Unternehmen zur Auswahl. Doch dieses Mal ist auch das anders: Der Gewinner ist der Dorfbäck aus Elisabethszell, einer Gemeinde mit gut 2.000 Einwohner*innen. „Wir konnten es gar nicht fassen. Sasan und ich waren so überwältigt, dass wir beide Tränen in den Augen hatten.“ So ein Preis, das sei schon eine riesengroße Ehre. Es sei aber auch viel Arbeit gewesen, die da dahintergesteckt sei.

Doch damit nicht genug. Etwas fehlt dem Bäckermeister noch zu seinem Glück: Seine Frau und er adoptieren Sasan. Dass sie diesen Schritt gemacht hätten, darauf sei er heute noch stolz. Bewegt sitzt Sasan neben ihm, als sein Mentor, Freund und nun Vater darüber erzählt. „Für mich hat die Adoption selbst nicht mehr den großen Unterschied ausgemacht. Ich habe Reiner von Anfang an wie einen Vater gesehen. Er hat mich wie einen Sohn aufgenommen. Wir sind dadurch noch enger zusammengewachsen, wir sind eine richtige Familie.“ Der junge Mann hat inzwischen auch für sich sein Glück gefunden, geheiratet und einen Sohn.

 

Die Geschichte von Sasan bleibt spannend!

Irgendwie muss der Dorfbäck besondere Gene haben, denn nächstes Jahr feiert die alteingesessene Bäckerei ihren 160. Geburtstag. Das Wachstum will also sorgfältig geplant und umgesetzt werden. Anfang dieses Jahres gründete Reiner Dietl eine GmbH – mit Sasan Dietl als Teilhaber. „Ja, da waren alle überrascht, dass wir diesen Schritt gewagt haben. Das hätte niemand vermutet, auch meine eigene Familie nicht.“ Der rührige Bäckermeister wirkt selbst noch ein bisschen überrascht, dass er sich das getraut hat. Für ihn eine der besten Entscheidungen, wie er bestätigt: „Ich bin seit über 20 Jahren Unternehmer. Was ich in den letzten Monaten auch von Sasan lernen durfte … Respekt!“

Es wird nicht das letzte erfolgreiche Kapitel in der Lebensgeschichte der zwei Männer sein. Beide sind überaus herzlich und hilfsbereit – das kommt immer irgendwie zurück.

 

PS: Als ich gestern mit Reiner Dietl telefonierte, erzählte er mir, es sei schon wieder so viel passiert. Seine Familie hat mit Pflegesohn Ruslan aus der Ukraine erneut Zuwachs bekommen. Es bleibt spannend bei der Familie Dietl im niederbayerischen Elisabethszell!

Reiner Dietl mit seinem Sohn (re.) und mit Pflegesohn Ruslan (Mi.)

 

Mehr zum Dorfbäck: http://www.dorfbaeck.de/

Und mit dieser Schule begann der Erfolg! https://www.st-erhard.de/

 

 

4 Antworten

  1. Wow, mal wieder ein Artikel mit Gänsehautfeeling und ein paar Tränchen in den Augen.
    Was Menschlichkeit bewirken kann. Eine Geschichte, die unter die Haut geht. Vielen Dank dafür!

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