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Schulfach Glück:
Weg vom Leistungsdruck, hin zur Lernfreude

Durch Selbsterfahrung und Persönlichkeitsentwicklung sollen Schüler*innen ermutigt werden, ihr Leben selbstbestimmt zu gestalten. Ein Lichtblick im Schulsystem.
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von Kristin Frauenhoffer

Schon seit 2007 gibt es in Deutschland das Schulfach „Glück“. Und die Zahl der Schulen, die dieses ungewöhnliche Angebot in ihr Programm aufnehmen, steigt. Das Bewusstsein, dass es nicht nur um Leistung geht, steigt. Wir Menschen laufen dann zur Bestform auf, wenn wir in innerer Harmonie leben. Genau darum geht es im Unterrichtsfach „Glück“.

„98 Prozent der Kinder kommen hochbegabt zur Welt. Nach der Schule sind es nur noch 2 Prozent.“ Mit dieser provokanten These beginnt der Film „Alphabet“ von Erwin Wagenhofer. Der österreichische Filmemacher erregte schon mit seinen beiden Vorgängerfilmen „We feed the World“ und „Let’s Make Money“ Aufsehen, weil sie drängende gesellschaftliche Themen beleuchten. Und auch dieser 2013 erschienene Film widmet sich einem kontroversen Thema – der Schule und ihrem Einfluss auf unsere Kinder.

Das Schulsystem schwächt die kindliche Lernfreude

Kinder sind von Natur aus lernbegierig und saugen alles Neue auf wie einen Schwamm. Unabhängig von obiger Aussage werden die meisten zustimmen, dass sich unser Schulsystem viel zu wenig an den Bedürfnissen von Kindern orientert und so die kindliche Lernfreude schwächt. Durch Leistungsorientierung und den ständigen Fokus auf Defizite wird Motivation oftmals im Keim erstickt. Und doch ist nicht alles schlecht am Schulsystem. Es gibt sogar wahre Lichtblicke. Einer davon ist das Schulfach „Glück“.

„Wir diskutieren viel, und es geht nicht darum, ob Antworten richtig oder falsch sind.“

Michaela Rauterberg ist Lehrerin am Max-Born Gymnasium in Neckargemünd und unterrichtet seit diesem Schuljahr Glück. Dabei geht es nicht darum, Schüler*innen zu vermitteln, dass man immer glücklich sein müsse. Vielmehr sei das Wort Glück als innere Harmonie zu verstehen, als ein Zustand von Wohlbefinden, der aus einem gesteigerten Selbstbewusstsein resultiert. Der praxisnahe Unterricht soll die Grundlage bilden, eigene Werthaltungen zu entwickeln, damit junge Menschen zu mündigen Mitgliedern der Gesellschaft und Gestalter*innen eines gelingenden Lebens reifen. Kurz: Er soll Kinder und Jugendliche gesünder, kreativer, friedfertiger, sozialer und engagierter zu machen. „Wir diskutieren viel, und es geht nicht darum, ob Antworten richtig oder falsch sind. Alle Gedanken sind erlaubt. Und es ist auch möglich, einfach nichts zu sagen“, erläutert die Lehrerin.

Einmal Glück in der Woche – nicht viel, aber ein Anfang

Eine Stunde Glück haben die achten und neunten Klassen des Gymnasiums. Das ist zwar nicht viel, aber es ist ein Anfang. Und trotz der kurzen Zeit zieht Rauterberg schon ein positives Fazit: „Schön ist, dass die Schüler*innen dem neuen Fach sehr aufgeschlossen gegenüber sind, sich beteiligen und kritisch mitdiskutieren.“ Den Jugendlichen fällt der Gedanke, dass sie ihr Leben selbst gestalten und ändern können, dass sie nicht allem hilflos ausgeliefert sind, auch nicht in der Schule, noch sehr schwer, beobachtet Rauterberg. Zu sehr seien sie in das bestehende Korsett des Schulsystems eingebunden, haben verinnerlicht, dass es vor allem um Leistung geht: „Sie sind sich ihrer eigenen Schwächen stärker bewusst als ihrer Stärken.“

Der Unterricht ist so gestaltet, dass die Schülerinnen und Schüler einen gemeinsamen Weg zurücklegen

Ein Ansatzpunkt des ungewöhnlichen Fachs liegt darin, die eigenen Stärken zu entdecken. Ausgehend von diesen Stärken sollen die Schüler*innen eine Orientierung im Leben und im Lernen finden, Werthaltungen entwickeln, Ziele formulieren und diese realisieren. Es ginge nicht nur darum, das subjektive Wohlbefinden zu stärken: Wichtig ist, die Erwartung an die Selbstwirksamkeit, das Selbstbewusstsein und die sozialen Kompetenzen zu verbessern. Der Unterricht ist so gestaltet, dass die Schülerinnen und Schüler einen gemeinsamen Weg zurücklegen, der sie zu einer Weiterentwicklung ihrer Persönlichkeit führt und den Zusammenhalt der Gruppe stärken soll. „Es fällt vielen – vor allem den Mädchen – sehr schwer, ihre eigenen Stärken zu erkennen und auch klar zu benennen“, resümiert Michaela Rauterberg.

Ausbildung am Fritz-Schubert-Institut seit 2009

Ihre Ausbildung zur Glückslehrerin hat sie am Fritz-Schubert Institut absolviert, neun weitere ihrer Kolleg*innen sind aktuell dabei. Das Max-Born Gymnasium ist dabei Kooperationsschule der außergewöhnlichen Heidelberger Institution. Außergewöhnlich, weil es sich mit Persönlichkeitsentwicklung bei Kinder und Jugendlichen beschäftigt. Kernprojekt des Instituts ist das Schulfach Glück mit dem Lernziel, Wohlbefinden zu erreichen.

Bereits seit 2007 gibt es das Schulfach Glück, das zunächst als Pilotprojekt des Oberstudiendirektors Fritz Schubert an seiner Schule in Heidelberg startete. Er wollte das Klima an der Schule verbessern sowie die Lebenskompetenz, Lebensfreude und Persönlichkeitsentwicklung fördern. „Schule ist als Institution der Gesellschaft verpflichtet, dafür zu sorgen, dass aus unerfahrenen Kindern und Jugendlichen lebenstüchtige, engagierte, selbstbestimmte und demokratisch denkende und handelnde Erwachsene werden“, erläutert Gründer Fritz Schubert. Dafür eigne sich der Glücksunterricht, als Ergänzung zur reinen Wissenspädagogik.

„Diese Schüler haben eine andere Beziehung zu anderen Menschen, sie sind empathischer.“

Denn dass man Glück lernen kann, davon ist der pensionierte Lehrer überzeugt. „Wir haben es durch unsere Haltungen und Einstellungen in der Hand, wie wir mit den glücklichen und weniger glücklichen Ereignissen unseres Lebens umgehen“, erklärt er. Deshalb haben er und sein Team ein spezielles Modell entwickelt, bei dem die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sich eine Art Lebenskompass für ein gelingendes Leben erarbeiten. Und Fritz Schubert weiß aus Erfahrung, dass die Schüler*innen, die sich im Unterricht mit Glück beschäftigt haben, ein ganz anderes Gefühl für sich selbst bekommen. Diese Kinder, so Schubert, machten nicht alles nur an der Leistung fest und seien auch nicht gleich traurig, wenn ihre Leistung nicht so gut ist. „Diese Kinder haben eine andere Beziehung zu anderen Menschen, sie sind empathischer. Weil sie erfahren haben, dass es sich lohnt, andere wertzuschätzen“, ist Schubert überzeugt. Sie hätten außerdem ein gestärktes Selbstwertgefühl, weil sie merken, dass sie die Welt um sie herum beeinflussen können. Und dass auch der gewöhnliche Alltag freudvoll sein kann, wenn man den Blick dafür schult.

Das Positive mehren, statt immer nur die Defizite sehen

Seit 2009 bietet das gemeinnützige Fritz-Schubert-Institut die Ausbildungen für das Schulfach Glück an. Mittlerweile gibt es den Glücksunterricht an mehreren hundert Schulen in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Italien. Die teilnehmenden Lehrer*innen beschäftigen sich dabei auch viel mit sich selbst und entdecken oft ihre Liebe zum Beruf wieder. „Die meisten wollen nämlich Schatzsucher und nicht Fehlerfahner sein“, erklärt Schubert schmunzelnd. Nach dem Fritz-Schubert-Konzept sind die Grundvoraussetzungen für Glück – verstanden als innere Harmonie – Geborgenheit und ein gesundes Selbstwertgefühl. Es ginge darum, das Positive zu mehren, statt immer nur die Defizite zu sehen.

„Unsere Schulen bräuchten meiner Meinung nach viel mehr dieser Freiräume.“

Michaela Rauterberg findet den Glücks-Unterricht bereichernd. Er erlaube ihr, viele spannende Gespräche mit Schüler*innen zu führen und verschiedene Themen zu diskutieren. Dafür fehle im normalen Schulalltag oft die Zeit. „Unsere Schulen bräuchten meiner Meinung nach viel mehr dieser Freiräume“, fasst sie zusammen.

Und auch der Film „Alphabet“ kommt zu diesem Schluss. Darin beschreibt der chinesische Professor Yang Dongping die Situation der Kinder in unserem Bildungssystem mit einem eindrücklichen Bild. „Wir vergleichen Kinder mit einem Drachen, der von Eltern und Schulen gehalten wird“, sagt er. Der Glücks-Unterricht scheint ein guter Weg zu sein, die Schnur, an der der Drachen befestigt ist, ein Stück weit zu lockern.

Weitere Informationen zum Fritz-Schubert-Insitut findet ihr hier.

 

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