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Von Beruf Rettungsassistent: Das Wichtigste ist soziale Kompetenz

„Mir macht der Beruf Spaß – der Kontakt und die Arbeit mit Patient*innen, auch wenn es manchmal hart ist.“
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von Isolde Hilt

Vielleicht war es ein Erlebnis in der Grundschule, als Florian Hilt mit dem Kopf gegen die Wand schrammte und genäht werden musste. Die Rettungskräfte waren ausgesprochen nett, schenkten ihm ein kleines Stofftier als Trost und einer von ihnen hieß auch noch Florian! Überhaupt war alles so aufregend, die Fahrt von der Schule ins Krankenhaus, die Behandlung dort … Gut möglich, dass das bereits der erste Auslöser für seinen späteren Berufswunsch „Rettungsassistent“ war. Nach dem Abitur entschied sich der heute 27-Jährige zunächst für ein Freiwilliges Soziales Jahr. Ein Freund von ihm hatte solch ein FSJ ein Jahr zuvor im Rettungsdienst gemacht. „Ich wollte eh in den medizinischen Bereich und da war das eine gute Möglichkeit, Fuß zu fassen.“ 

Das FSJ wirkt wie ein Verstärker. Den Beruf richtig lernen, selber bei Einsätzen Verantwortung übernehmen und Entscheidungen treffen, am Patienten arbeiten, Menschen helfen: Das ist es, was Florian will, als er sich für eine Ausbildung zum Rettungsassistenten entscheidet. Auch dieser Beruf, das wird im Gespräch bald klar, könnte wie so viele andere Berufe im Gesundheitswesen mehr Anerkennung und Wertschätzung erfahren. Es beginnt bereits mit einem verqueren Bild dieser Arbeit in der Öffentlichkeit. „Immer noch gibt es viel zu viele Menschen, die Rettungsdienstler als Sankerfahrer bezeichnen. Wir fahren nicht einfach nur das Auto, das ist nicht unsere Hauptbeschäftigung. Unsere Aufgabe ist, am und mit dem Patienten zu arbeiten.“

 

Rettungsassistent*in heißt jetzt Notfall-Sanitäter*in

Als Florian seine Ausbildung beginnt, heißt der Beruf noch Rettungsassistent. Zwei Jahre sind dafür notwendig: das erste Jahr Schule am Stück – inklusive Klinik-Praktika mit einer schriftlichen, mündlichen und praktischen Prüfung. Im zweiten Jahr arbeitet man bereits als Rettungsassistent im Praktikum auf einer Rettungswache. Seit 2014 nennt sich diese Ausbildung im Rettungswesen Notfall-Sanitäter*in, dauert drei Jahre und läuft blockweise: Schule, Klinik, Rettungswache im Wechsel.

Die Theorie gleicht einem kleinen Medizinstudium. Auf dem Lehrplan stehen Anatomie, Physiologie, Krankheitslehre mit speziellem Blick auf Notfall-Krankheitsbilder, die im Rettungsdienst häufig vorkommen. Herzinfarkt, Schlaganfall, schwere Verletzungen nach einem Unfall … Blitzschnell und zugleich besonnen muss man erkennen, was den Notrufenden fehlt, um die richtigen Maßnahmen der Erstversorgung zu ergreifen. Wie sind welche Symptome zu deuten? Die richtige Diagnose stellen und die geeignete Therapie wählen sind weitere wichtige Inhalte, die zu lernen sind.

Die rechtliche Seite spielt ebenfalls eine wichtige Rolle: „Ich muss wissen, was ich draußen darf und was nicht.“ Wer im Rettungsdienst arbeitet, nimmt eine sogenannte Garantenstellung ein, erklärt Florian: „Man ist in diesem Beruf immer verpflichtet, dem Menschen draußen zu helfen.“ Wer das nicht mache, begehe nicht nur eine Ordnungswidrigkeit, sondern eine Straftat. Man wisse als Rettungsassistent, was zu tun ist. Tue man es nicht, sei das vorsätzlich unterlassene Hilfeleistung.

 

Warum die erste Hilfe oft entscheidet, wie es um die weitere Gesundheit bestellt ist

Beispiel Schlaganfall: Zeit spielt die ausschlaggebende Rolle. „Bei einem Schlaganfall ist es normalerweise so, dass ein Gefäß im Gehirn verstopft ist und ein Teil des Gehirns nicht mehr durchblutet werden kann. Umso länger das dauert, umso weniger wird dieser Teil mit Sauerstoff versorgt. Gehirnzellen sterben ab.“ Wenn Florian von seinen Einsätzen berichtet, fühlt man sich mit ihm an den Notfallort versetzt. In einem solchen Augenblick heißt es, sich ausschließlich auf den Patienten konzentrieren. Welche Symptome hat er? Halbseitige Lähmungen? Wortfindungsstörungen? Verwaschene Sprache? Kann der Mensch noch erzählen, was passiert ist, woran er sich erinnert? Reagiert er auf Schmerzen? Wie hoch ist der Blutdruck? Wie steht es um die Herzfrequenz?

All das muss ruhig und besonnen, aber doch zügig vonstatten gehen. „Hat man all das erkannt, muss man so schnell als möglich ins Krankenhaus. Draußen können wir nicht so viel tun. Wir legen nur den Zugang für eine Salzlösung, der dann im Krankenhaus für die Zuführung weiterer Infusionen genutzt wird.“ Zwischen Symptombeginn und einer eventuellen Operation im Krankenhaus sollten maximal nur zweieinhalb Stunden vergehen, informiert Florian. Das macht zugleich deutlich, wie sehr Rettungsassistent*innen und Notfall-Sanitäter*innen gefordert sind.

 

„Manchmal wird man als Rettungsassistent auch zu etwas Erfreulichem gerufen.“

Typische Rettungseinsätze sind Verkehrsunfälle, unstillbares Nasenbluten, Herzinfarkte, Unterzucker, Kreislaufkollaps. Manchmal wird man aber auch zu ganz anderen Ereignissen gerufen. An eines erinnert sich Florian besonders gern: „Wir wurden von einem jungen Ehepaar angefragt. Die hatten ins Krankenhaus fahren wollen, weil die werdende Mutter bereits in den Wehen lag. Das hat aber nicht mehr rechtzeitig geklappt. Die junge Frau hatte bereits in einem VW-Bus in einem kleinen Dorf entbunden. Als wir ankamen, war das Kind schon auf der Welt. Wir haben es abgenabelt, Baby und Mutter untersucht … Allen ging es gut und die frisch gebackenen Eltern waren total entspannt und einfach nur glücklich!“

 

Das sollte man zu Rettungseinsätzen wissen

Hinter jedem Rettungseinsatz steckt eine aufwändige Logistik. In der Rettungsleitstelle, bei der die Notrufe eingehen, muss sorgfältig entschieden werden, was und wer tatsächlich gebraucht wird: Reicht der Rettungswagen? Ist auch noch eine Notärztin, ein Notarzt erforderlich? Ein kleinerer Einsatz beträgt ca. 450 Euro, mit ärztlicher Versorgung vor Ort verdoppeln sich die Kosten. „Manchmal holen uns die Leute bei Erkrankungen, die man einfach nur auskurieren kann. Vor kurzem wurden wir zu einer Frau mit einem Magen-Darm-Infekt gerufen. Da kannst du auch im Krankenhaus nichts tun.“ Wichtig ist, vor einem Anruf bei der Rettungsleitstelle eingehend zu bedenken, ob die Anfrage tatsächlich notwendig ist.

Eine Unart, die überhand nimmt, ist das unerlaubte Filmen von verunglückten Menschen: „Oft kommt es gerade bei Unfällen auf der Autobahn vor, dass die Leute auf der zweiten Spur verlangsamt fahren, gucken, ihr Smartphone zücken und ein Video machen. Das geht mir persönlich richtig gegen den Strich. Das ist Privatsphäre, sowohl der Verletzten wie auch von mir als Rettungsassistent. Würden diejenigen das umgekehrt wollen? Ich glaube nicht“, ist sich Florian sicher. Bei größeren Unfällen sei es inzwischen so, dass die Feuerwehren Schutzwände als Schutz vor Schaulustigen aufstellten.

 

Fahren Rettungskräfte nicht ab und zu doch einmal nur zum Spaß mit dem Blaulicht?

Mit diesem Vorurteil räumt Florian Hilt gründlich auf. Der Rettungsdienst entscheidet aufgrund des eingehenden Notrufs, ob ein Wagen mit oder ohne Signal zum Einsatzort fährt. Fahre man anschließend ins Krankenhaus, überlege man sehr genau, ob Signal und Blaulicht notwendig seien: „Jeder von uns weiß, wie gefährlich das ist mit erhöhter Geschwindigkeit. Niemand von uns macht das Blaulicht an, wenn es nicht notwendig ist. Es besteht dann immerhin das achtfache tödliche Unfallrisiko. Das heißt, mein Risiko, im Straßenverkehr zu sterben, liegt achtmal höher und das gibt einem schon zu denken.“

Rettungsassistent*innen und Notfall-Sanitäter*innen gehen in ihrem Beruf, der zugleich Schichtdienst bedeutet, einer herausfordernden Tätigkeit nach. Das Einstiegsgehalt nach der Ausbildung liegt bei etwa 2.100 Euro brutto. Hat dieser Beruf nicht auch finanziell mehr Wert-Schätzung verdient?

 

 

Florian Hilt

Arbeitete nach seiner Ausbildung sieben Jahren als Rettungsassistent in Vollzeit. Studiert derzeit Medizintechnik und arbeitet gleichzeitig in Teilzeit als Rettungsassistent.

 

 

 

 

 

Weitere Infos zu Notrufen: https://www.bundesnetzagentur.de/DE/Sachgebiete/Telekommunikation/Unternehmen_Institutionen/Nummerierung/Rufnummern/Notruf/Notruf_Basepage.html

 

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