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AmiKi:

Hilfe für Alleinerziehende

Katja Kassube war viele Jahre alleinerziehend. Um anderen in dieser herausfordenden Situation zu helfen, gründete sie AmiKi.
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Interview: Gerda Stauner

Jede fünfte Familie in Deutschland ist eine Ein-Eltern-Familie. Leider sehen sich Frauen oder Männer, die alleine ihr Kind betreuen, vor allem in ländlichen Regionen häufig mit Unverständnis und geringer Hilfsbereitschaft konfrontiert. Und das in einer Lebenssituation, die mit Herausforderungen nicht geizt. Eine neue Wohnung finden, Finanzen klären, berufliche Perspektiven entwickeln, sich auf die Suche nach einer geeigneten Kinderbetreuung machen … Das sind nur einige Fragen, die geklärt werden müssen. Die Deggendorferin Katja Kassube war selbst viele Jahre alleinerziehend und stand plötzlich vor sehr großen Schwierigkeiten, die sie zu überwinden hatte. Jahre später, als sie bereits wieder verheiratet war, wuchs in ihr der Wunsch: „Wenn mein Kind eines Tages zum Studium außer Haus ist, dann helfe ich anderen Alleinerziehenden und deren Kindern.“ Mit ihrer Internetplattform „AmiKi“ tut sie dies nun und hilft „Alleinerziehenden mit Kind“.

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Frau Kassube, nehmen Sie uns doch einmal mit zum Beginn ihrer Zeit als Alleinerziehende. Welchen Herausforderungen standen Sie konkret gegenüber?

Es begann mit dem 11. September 2001, für mich ein doppelt symbolträchtiger Tag. Zum einen war das der Tag des Anschlags auf die Twin-Towers in New York und zum anderen das Einstürzen der Ehe mit dem Vater meines Kindes. Was danach folgte, war jahrelang sehr spannend.

Zusammen mit meinem damals 2jährigen Kind ging ich zurück in mein Heimatdorf. Das war nicht einfach für mich, denn es war der Ort, an dem ich in meiner Kindheit mein ganz persönliches Drama erlebt habe, das mich und mein Leben für viele Jahre prägen sollte. Bei meiner Rückkehr zogen wir in ein Haus, in dem damals meine Großtante und mein Adoptiv-Opa lebten.  Beide waren zu dem Zeitpunkt bereits über 90 Jahre alt und letztendlich war es für alle Beteiligten eine glückliche Fügung: Mein Kind und ich hatten sofort ein Dach über dem Kopf und meine Verwandten waren ebenfalls sehr glücklich, denn es war wieder Leben im Haus eingekehrt.

Auch was die Finanzen betraf, hatte ich es wesentlich besser getroffen als es bei vielen „plötzlich Alleinerziehenden“ der Fall ist. Nach der Scheidung bekam ich vom Kindesvater eine Ausgleichszahlung. Für den Neustart half uns dies immens und somit waren zumindest die Lebenshaltungskosten, die Wohnungseinrichtung, eine neue Ausbildung und ein Auto gesichert. Trotzdem waren Urlaube finanziell nicht möglich und ich musste mich sehr anstrengen, um mein Kind und mich möglichst schnell und eigenständig wieder ernähren zu können.

Darüber hinaus hatte ich mit den gleichen Herausforderungen zu kämpfen, wie es bei den meisten Alleinerziehenden der Fall ist. Die Scheidung vorbereiten, Streitigkeiten über den Kindesunterhalt aushalten, alleine für den Alltag in einem neuen Umfeld verantwortlich sein und dabei nicht die Erziehung und Bedürfnisse meines Kindes aus den Augen verlieren. Sorgen und Existenznöte bleiben da nicht aus, zumal man sich vom sozialen Umfeld ausgegrenzt fühlt. Bei mir lief während der Kindergartenzeit eine Weiterbildung und ein Fernstudium, was mich zusätzlich forderte.

Innerhalb weniger Jahren verstarben dann meine Großtante und mein Adoptiv-Opa. Es war das Jahr, in dem mein Kind auch in die Schule kam. Die Weiterbildung konnte ich zum Glück abschließen und fand auch gleich eine gute Arbeitsstelle, die sich wunderbar mit einer liebevollen Kinderbetreuung vereinbaren ließ. Durch diesen Job gewann ich auch den Mut, mich später selbstständig zu machen. Und dieser Schritt ermöglichte es mir, jederzeit für mein Kind da sein zu können. Auch wenn sich in unserem Leben immer wieder Höhen und Tiefen auftaten, ging es von da an Stück für Stück und kontinuierlich immer weiter bergauf.

 

Hatten Sie damals Hilfe? Zwischen Kinderbetreuung, Umzug und beruflicher Neuorientierung bleibt vermutlich wenig Zeit für anderes …

Leider nein. Besonders im ländlichen Raum werden Alleinerziehende oft stigmatisiert und ausgegrenzt. Belegt wird diese Tatsache sogar durch regionale Hochschulstudien. Eine vorgefertigte Meinung über jemand anderen führt häufig dazu, dass nichts mehr überprüft wird. Kein Austausch, keine Gespräche, Ansichten werden zementiert, generalisiert, Alleinerziehende und ihre Kinder an den Rand der Gesellschaft gedrängt.

Auf Anerkennung, Respekt, Rücksichtnahme oder Unterstützung durch das soziale Umfeld können Alleinerziehende kaum hoffen. In Deutschland sind Kinder für Frauen ein Armutsrisiko und eine Abhängigkeitsfalle, entweder von ihrem Mann oder vom Staat. Es ist eine enorme Kraftanstrengung, sich über Wasser zu halten, worunter auch die Kinder leiden.

Aus diesem Grund ist es mir ein ganz besonderes Anliegen, auf diese Situation aufmerksam zu machen und zu einer Verbesserung beizutragen. Mütter leisten eine der bedeutendsten Aufgaben in unserer Gesellschaft: Kinder sind unser Spiegel und gleichzeitig unsere Hoffnung und unsere Zukunft! Kinder zu haben, ist ein Geschenk.

Trotz der fehlenden Unterstützung war dieser Lebensabschnitt im Rückblick betrachtet der bislang wichtigste in meinem Leben. Und dafür bin ich sehr dankbar. Wäre mir Zeit, Geld und die Möglichkeit geschenkt worden, hätte ich mich vielleicht abgelenkt und zerstreut und hätte die für mich persönlich wertvolle Lektion des Lebens nicht gelernt. Mir blieb also gar nichts anderes übrig, als mich mit mir und meiner Vergangenheit auseinanderzusetzen. Dabei bin ich immer wieder auf drei wichtige Fragen gestoßen: Woher komme ich? Warum bin ich auf dieser Erde? Und wohin gehe ich eines Tages?

 

Sie wirken wie ein glücklicher Mensch, der sich nicht unterkriegen lässt. Was hat Ihnen in dieser ersten Zeit alleine mit Kind geholfen?

Katja Kassube, die Gründerin von AmiKi

Die intensive und ungeteilte Zweisamkeit mit meinem Kind war für uns beide gleichermaßen sehr erfüllend wie heilend. Bis zum 12. Lebensjahr kann ich mich an keinen Tag erinnern, an dem mein Kind mir nicht gesagt hätte, dass es mich lieb hat und ich die beste Mama der ganzen Welt sei. Was für ein Geschenk! Das wird mir mein Leben lang in Erinnerung bleiben.

Auch haben Kinder besondere Fähigkeiten und lehren Erwachsene Dinge, die diese im Laufe ihres Lebens oftmals verlieren: restlose Vergebung, absolutes Vertrauen, Mut für Neuanfänge und echte und bedingungslose Liebe. Diese Kostbarkeiten haben mich hellhörig und gleichzeitig hungrig gemacht. So hungrig, um tiefer zu gehen und mich auf die Suche zu machen, was noch so alles in der Schatzkiste des Lebens zu finden ist.

 

Sie haben sich drei Jahren lang intensiv damit beschäftigt, AmiKi zu entwickeln. Worauf lag dabei ihr Fokus?

Es sollte eine Art Rettungsanker werden, der Alleinerziehende auffängt und ihnen in Ihrer Notsituation Hilfe zur Selbsthilfe bietet. Das ist die Idee und die Geburtsstunde von AmiKi, dem Hilfe-Navi.

Darüber hinaus ist es mir wichtig, dass die Hilfe weitgehend unabhängig von Ort, Zeit und den jeweiligen Anlaufstellen möglich ist. Aus diesem Grund ist jede Leistung detailliert erklärt, mit Gesetzestexten unterlegt und – soweit möglich – mit Onlineanträgen versehen. Damit kann die Hilfe einfach und bequem von zu Hause aus auf den Weg gebracht werden. Darüber hinaus sollen die kleinen „Klick-mich-Engel“ als „Mutmacher“ dienen.

 

Auf der Webseite sind ca. 1.000 Anlaufstellen, Netzwerke und Stellen zusammengefasst, die Hilfe bieten. Haben Sie die Informationen und Hilfsangebote alle selbst zusammengetragen?

Als mein Kind im Herbst 2019 von zu Hause auszog und zum Studieren ging, war es an der Zeit, mit „AmiKi“ zu beginnen. Ein Wunsch, der mir schon viele Jahre auf dem Herzen lag. Ich fing damals alleine mit den Recherchearbeiten an. Nachdem ich über 1.000 Seiten Unterlagen zusammengetragen hatte, ich gefühlt Tag und Nacht am Arbeiten war, und der undurchsichtige Leistungs- und Bürokratiedschungel schön langsam Licht und Struktur bekam, machte mir meine Gesundheit einen großen Strich durch die Rechnung. Ab da half mir mein wunderbarer Mann, mit dem ich mittlerweile schon seit über zehn Jahren glücklich verheiratet sein darf. Ohne ihn würde es AmiKi heute nicht geben. Dafür bin ich ihm unendlich dankbar.

 

Was versteckt sich auf der Webseite hinter der Rubrik „Schatzkiste“?

Katja Kassube mit ihrer Harfe bei einem Gartenkonzert

Schon als kleines Kind war die Kirche ein magischer Ort für mich. In der Pubertät verlor dann der Glauben seine Attraktivität für mich und Themen aus der Psychologie und Spiritualität weckten mein Interesse. Später dann, als Alleinerziehende, kamen Fragen aus der Pädagogik und Philosophie hinzu und mündeten letztendlich wieder in das Fundament des Glaubens.

Irgendwann fing ich an, in Form von wunderbaren und aufbauenden Geschichten Perlen in die „Schatzkiste des Lebens“ zu legen und mich mit ihr und meiner Harfe auf die Reise zu machen. Ich trug die Geschichten in Pflegeheimen, in Mutter-Kind-Einrichtungen, Sozialstationen und anderen Einrichtungen vor. All diese Geschichten sollen Mut machen und zum Nachdenken anregen. Deshalb habe ich sie auf der Webseite gesammelt. 

 

Gibt es schon erste Rückmeldungen von Alleinerziehenden zu AmiKi.de?

AmiKi ist relativ jung am Start und deshalb bei Alleinerziehenden noch nicht so bekannt, wie ich mir es wünschen würde. Durch die Möglichkeit eines Beratungsstipendiums von „startsocial“ habe ich wertvollen Input erhalten. Damit soll AmiKi zu einem Begriff werden und die Hilfe auch bei Betroffenen ankommen. Insbesondere ein breit angelegtes Konzept für die Öffentlichkeitsarbeit soll hier den Bekanntheitsgrad der Initiative nachhaltig steigern.

Die Rückmeldungen, die ich bislang erhalten habe, sind durchweg sehr positiv und motivierend. AmiKi leistet demnach für Mutter und Kind einen wertvollen und positiven Beitrag zur Bewältigung ihrer schwierigen Lebenssituation. Und genau dafür ist AmiKi auch gedacht.

 

Gibt es einen Tipp, den Sie Menschen mitgeben würden, die ganz plötzlich „alleine mit Kind“ dastehen?

Wir Menschen sehnen uns alle nach einem Leben voller Glück. Ganz besonders nach einer gescheiterten Beziehung und wenn man gefühlt vor einem Trümmerhaufen steht. Doch Glück ist nicht primär abhängig davon, ob die Menschen so sind, wie man meint, dass sie sein sollten. Ob man im Leben glücklich ist, hängt vielmehr vom Zustand des eigenen Herzens ab. Ist mein Herz voller Zorn, Hass und Neid oder ist mein Herz voller Liebe, Freude, Güte, Interesse und Hilfsbereitschaft?

Ich würde mir für Betroffene wünschen, dass sie Frieden mit sich und ihrer Vergangenheit schließen können, denn verletzte Menschen verletzen wiederum andere Menschen. Und das ist ein Kreislauf, der nie aufhört. Besser, man schließt die Geschichte ab. Der Schlüssel dazu ist Vergebung. Und mit der Vergebung können sich wieder Türen öffnen und man gewinnt neue Kraft, das eigene Leben und das des Kindes/der Kinder auf einen guten Weg zu bringen. Und das wünsche ich Betroffenen und allen anderen von ganzem Herzen!

 

Weitere Infos zu AmiKi findet ihr hier: https://amiki.de/

 

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