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Ankommen in Deutschland:
Deniz geht seinen Weg

Wie ist es, als junger Mensch in einem fremden Land neu anzufangen? Der 17-jährige Deniz aus der Ukraine erzählt von seinem Ankommen in Deutschland.
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Interview: Gerda Stauner

 

Seit Kriegsbeginn im Februar dieses Jahres sind laut einer Auswertung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) bis zum 21. August mehr als 967.000 Geflüchtete aus der Ukraine in Deutschland erfasst worden. Einer davon ist der 17-jährige Deniz Y. aus Winnyzja. Er hat seine Familie in der Ukraine zurückgelassen und sich alleine auf den Weg gemacht. Im Gespräch mit good news for you erzählt er, wie es ist, seine Heimat zu verlassen und in einer neuen Stadt neu anzufangen.

Deniz, warum bist du nach Deutschland gekommen?

Der Krieg ist der hauptsächliche Grund, wieso ich nach Deutschland gekommen bin. Ich überlegte aber schon lange, ob ich hier vielleicht studieren könnte. Ich dachte auch darüber nach, in der Ukraine zu studieren. Aber dann begann der Krieg und es hat mir Angst gemacht, dort zu sein. Ich dachte mir, dass viele Schüler aus dem Osten der Ukraine in den westlichen und zentralen Landesteil fliehen würden. Das verursacht viel Konkurrenz an der Universität, und meine Chancen auf einen Studienplatz waren dort erheblich geringer als vor dem Krieg.

Dann haben wir zusammen mit der Familie beschlossen, dass es am sichersten für mich wäre, ins Ausland zu gehen. Wir haben Regensburg gewählt, weil ich bereits Freunde aus Winnyzia dort hatte. Anfang Juli bin ich dann mit dem Zug und dem Bus hierher gereist.

Und wie ging es dann weiter?

Meine Freunde haben mir geholfen, mich hier anzumelden. Die Bürokratie in Deutschland ist kompliziert. Ich musste zuerst ins Ankerzentrum. Dort war ich aber nur eine halbe Stunde. Dann kamen Mitarbeiter vom Jugendamt und haben sich um mich gekümmert, da ich noch minderjährig bin. Sie brachten mich in ein Jugendzentrum, wo ich zwei Wochen bleiben konnte. Danach wollten sie entscheiden, ob ich in eine andere Stadt gehen muss. Zu meinem Glück durfte ich in Regensburg bleiben. Ich hatte Angst davor, woanders hinzugehen, weil ich dort niemanden kannte.

Wohnst du immer noch im Jugendzentrum?

Ja, ich bin immer noch dort untergebracht. Allerdings darf ich keine Schule besuchen, da ich bereits meine Schulausbildung in der Ukraine mit dem Abitur abgeschlossen habe. Einen Deutschkurs konnte ich leider auch nicht gleich machen, weil Sommerferien waren. Im September musste ich dann einen Test machen, um meine Deutschkenntnisse zu überprüfen. Ich habe in der Ukraine vier Jahre lang Deutsch gelernt, so dass ich die Sprache bereits ein bisschen sprechen konnte.

Darfst du mittlerweile einen Deutschkurs machen?

Ja, seit zwei Wochen besuche ich einen Deutschkurs. Ich möchte im Januar die Prüfung zum B1-Niveau bestehen. Damit ich studieren kann, muss ich ein Vorbereitungsjahr machen. Ich habe also noch fast ein Jahr Zeit, um noch besser Deutsch zu lernen.

Wie verbringst du deine freie Zeit?

Bevor ich mit dem Deutschkurs angefangen habe, hatte ich sehr viel freie Zeit. Ich habe viel Klavier gespielt und meine Fähigkeiten stark verbessert. In der Ukraine hatte ich ein einfaches Keyboard und habe mir mithilfe von YouTube-Videos das Spielen selbst beigebracht. Im Jugendzentrum gibt es einen Jugendtreffpunkt, in dem ein Klavier steht. Jeder kann dort spielen.  Aber weil ich dort wohne, kann ich immer hingehen und spielen.

Und ich habe angefangen, bei einem Sportverein Volleyball zu spielen. Das hatte ich in der Ukraine noch nicht gemacht. Dort bin ich noch in der Probezeit. Wenn es mir gefällt und ich weiterspielen möchte, kann ich dort Mitglied werden.

Bevor ich den Deutschkurs machen konnte, ging ich oft in die Stadtbücherei. Irgendwo musste ich meine Zeit verbringen. Dort konnte ich aus Büchern selbst besser Deutsch lernen. Um später studieren zu können, muss ich gut deutsch sprechen.

Was möchtest du studieren?

Ich möchte Luft- und Raumfahrttechnik studieren. Das geht allerdings nicht in Regensburg. Dazu müsste ich leider in eine andere Stadt gehen. Wir sind früher oft mit der Familie in die Türkei gereist. Ich hatte immer Angst vor Flugzeugen und dem Fliegen. Aber mir hat es gefallen, höher als ein Vogel am Himmel zwischen den Wolken zu sein. Dann wollte ich Pilot werden. Aber meine Augen sind nicht gut genug, weshalb ich nicht Pilot werden kann.

Möchtest du wieder zurück in die Ukraine gehen?

Ja und nein. Ich musste erst lernen, alleine zu leben. Meine ganze Familie ist in der Ukraine geblieben, und eigentlich möchte ich nicht so weit weg von ihr sein. Es ist ein komisches Gefühl, dass sie alle dort sind und ich hier bin. Meine Familie hat mit den schwierigen Bedingungen in der Ukraine zu kämpfen. Der Winter kommt, es gibt oft keinen Strom, und ein Schulbesuch ist oft nur online möglich. Es ist dort sehr chaotisch und ich wünschte, dass sie hier bei mir wären.

Ich möchte auf jeden Fall hier studieren. Was danach kommt, weiß ich noch nicht. Vielleicht bleibe ich in Deutschland und gründe eine Firma. Dann wäre es schön, eine Niederlassung in der Ukraine zu eröffnen, damit beide Länder sich weiterentwickeln können.

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Deniz arbeitet mit anderen Jugendlichen aus der Ukraine beim Projekt ‚Manga meets Mittelalter‘ gerade an einem Stadtführer, der im Januar 2023 vorgestellt werden soll. Dazu hat er folgende Geschichte geschrieben und eine Zeichnung gemacht, die dort erscheinen werden:

 

Pflanzenmenschen

von Deniz Y.

Die Menschen haben lange versucht, Harmonie zwischen sich und der Natur zu finden. Und es gibt viele, viele Geschichten darüber, aber niemand weiß, wie sie endeten …

Schon vor der Entstehung einer relativ modernen, heutigen Gesellschaftsform wählten Menschen oft ihren persönlichen Lebensweg. Mit dieser Freiheit und den reichen Wahlmöglichkeiten verließen einige Menschen die Gesellschaft und zogen sich in Wälder, Berge und Orte fernab der Menschheit zurück, um sich selbst zu finden und mit der Natur alleine zu sein. Eine übliche Praxis solcher Menschen war die Meditation, die es ermöglichte, ihre Augen für das Unbekannte innerhalb und außerhalb des Körpers zu öffnen. Die Meditation ermöglichte der Seele, den Körper zu verlassen, zu verreisen und jedes Mal etwas Neues zu entdecken.

Aber der Körper kann nicht „leer“ bleiben. Deshalb hat die Natur, um das „Körper-Seele“-Ungleichgewicht auszugleichen, den Seelen der Pflanzen erlaubt, in die Körper der Menschen ohne Seele zu schlüpfen. Pflanzen, denen auf einmal Sinnesorgane in ihrer neuen, menschlichen Hülle zur Verfügung standen, strebten nach Entdeckungen in der Außenwelt, während die Seelen der Menschen zur Entdeckung ihrer selbst reisten. Manchmal waren die Pflanzen zu lange und zu oft im Körper der Menschen, was dazu führte, dass sich der menschliche Körper wie eine Pflanze zu verformen begann: Die menschliche Hülle wurde halb Mensch, halb Pflanze und brauchte keine Nahrung – Sonne und Feuchtigkeit genügten. Außerdem war die Schnelligkeit und Kraft dieser Körper fünfmal so hoch wie die von gewöhnlichen Menschen. Solche Kreaturen konnten sich nicht fortpflanzen, aber die Lebenserwartung lag bei tausend Jahren.

Beschützer aus der Natur

Die Pflanzenmenschen hatten immer noch ihre menschlichen Instinkte und versuchten, ihre Mitmenschen zu schützen. Sie gingen oft durch die Stadt, um Männer, Frauen und Kinder vor bösen Geistern zu schützen. An nebligen Tagen gelang es ihnen sogar, unbemerkt in die Stadt einzudringen. Aber nicht immer war es möglich, dies heimlich zu tun. Hexen, die Zauberinnen der Natur, halfen ihnen dann und kamen deshalb oft mit den Blätterwesen in Kontakt.

Als gewöhnliche Menschen von der Existenz der Pflanzenmenschen und – damit verbunden, auch von Hexen erfuhren – begannen sie, diese zu jagen. Die Population beider „Spezies“ wurde erheblich reduziert. Aber die blinde Angst der Menschen führte auch dazu, dass viele Sterbliche dabei verletzt wurden. Als die Pflanzenmenschen erkannten, dass sie in den Städten nicht willkommen waren, gingen sie wieder in die Wälder und kehrten niemals zurück. Sie begannen, die Sterblichen zu hassen und griffen Reisende an, die sich in ihre Nähe verirrt hatten, damit diese Angst vor den Wäldern bekamen und nicht mehr dorthin gingen. So konnten die Sterblichen die Schönheit der Natur nicht mehr wahrnehmen und wurden Sklaven ihrer eigenen Städte.

 

Dieser Beitrag ist urheberrechtlich geschützt.

Mehr Infos zum Projekt ‚Manga meets Mittelalter‘ findet ihr hier: https://www.gerda-stauner.de/projekte-lesungen/manga-meets-mittelalter/

 

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