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Dialog unter freiem Himmel:
Wir müssen reden!

In Halle treffen sich regelmäßig Menschen zum Dialog unter freiem Himmel, um über die wirklich wichtigen Dinge des Lebens zu sprechen.
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Interview: Petra Bartoli y Eckert

Die Initiative „Dialog unter freiem Himmel“ lädt jeden Monat Menschen in Halle ein, sich zum Reden zu treffen. Im Kreisgespräch werden die wirklich wichtigen Dinge des Lebens thematisiert. Wir haben mit André Gödecke gesprochen. Er ist Diplompädagoge, Mediator und Dialogbegleiter und hat den „Dialog unter freiem Himmel“ initiiert.

 

Zum „Dialog unter freiem Himmel“ treffen sich regelmäßig Menschen draußen, um miteinander zu reden. Wie entstand die Idee dazu  und wer hat daran mitgewirkt?

Es gab bis 2015 in Halle eine „K-Gruppe“ – in diesem Fall K wie „Kommunikation“: Menschen, die sich für gute Kommunikation interessieren, trafen sich alle vier Wochen, stellten sich gegenseitig Methoden vor und trainierten gemeinsam. Dann zerfiel die Gruppe und ich dachte, lass uns doch einmal etwas Neues ausprobieren! Ich lud zum Kreisdialog auf die Wiesen an der Saale ein – und siehe da: Sowohl der „harte Kern“ der ehemaligen K-Gruppe, als auch neue Leute stießen dazu. So begannen wir damit, in Halle an der Saale mit guter Gesprächskultur zu experimentieren.

Ihr führt einen Dialog. Was ist der Unterschied zwischen einem herkömmlichen Gespräch und einem Dialog?

Es gibt ein paar Empfehlungen, die auf Johannes Schopp zurückgehen: zum Beispiel „Ich spreche von Herzen und fasse mich kurz“, „Ich genieße das Zuhören“ oder „Bevor ich rede, nehme ich mir einen Atemzug Pause“.

Dann gibt es da noch den Sprechgegenstand: einen Stein, einen Schlüssel, eine Muschel – oder etwas anderes, das man gerne anfasst oder das einen symbolischen Charakter hat. Er kann im Kreis herumgehen. Oder er liegt in der Mitte, von wo man ihn zu sich nimmt, wenn man etwas sagen möchte. Das Ding sorgt dafür, dass die Menschen jeweils bis zum Ende sprechen können. Und sie müssen nicht befürchten, dass ihnen jemand „reingrätscht“. Manchmal bleibt der Gegenstand nach dem Redebeitrag noch ein paar Sekunden in der Hand – die Person spürt in sich nach, ob es noch etwas zu sagen gibt. Der Effekt dieser simplen Praxis: Es entsteht Raum und Rhythmus. Das führt in der Regel dazu, dass sich die Leute entspannen und anfangen, einander wirklich zuzuhören und viel bewusster sprechen.

Außerdem steht immer eine Klangschale in der Mitte. Diese kann angeschlagen werden, wenn eine Person den Eindruck hat, dass das, was gerade geschieht, nicht mehr viel mit Dialog zu tun hat. Etwa, wenn zwischen zwei Menschen eine Pro- und Contra-Diskussion aufflammt oder wenn jemand fortwährend monologisiert und versucht, den Anderen „die Welt zu erklären“.

Wie kann man sich diesen Dialog unter freiem Himmel vorstellen? Wo trefft ihr euch?

Wir treffen uns auf einer Wiese unweit eines Biergartens. Die Dialogbegleiter*innen – mittlerweile gibt es drei an der Zahl – begrüßen die Gäste und erläutern kurz das Anliegen des Dialogkreises:

  • eine gute Gesprächskultur praktizieren
  • Raum schaffen für ehrliche Beiträge und wirkliches Zuhören
  • gemeinsames Nachdenken
  • den Boden dafür bereiten, dass ganz neue Gedanken und frische Ideen in die Welt kommen

 

Sie gehen kurz auf die Spielregeln ein, die auch in Form bunter Karten für alle sichtbar in der Kreismitte liegen. Dann gibt es eine „Checkin-Runde“, in der der Sprechgegenstand das erste Mal reihum geht. Die Frage lautet: „Wie bist du hier?“ oder „Was ist in dir gerade lebendig?“. Anschließend gibt es noch ein paar Worte zum Thema des heutigen Dialoges.

Dann folgt die Einladung zum freien Austausch, auch „generativer Dialog“ genannt – unter Verwendung des Sprechgegenstandes. Mitunter – je nach investierter Vorbereitungszeit – werden die Teilnehmenden aber auch schon mal zu zweit mit einer Frage auf einen dialogischen Spaziergang geschickt, um anschließend wieder im Kreis zusammenzukommen und zu dem bereits erwähnten generativen Dialog überzugehen. Nach einer guten Stunde gibt die Dialogbegleitung ein Zeichen und lädt zu einem persönlichen Schlusswort ein: Das kann ein Resümee zum Kreisgespräch enthalten, ein Gefühl, mit dem die Person jetzt nach Hause geht oder noch einen Beitrag zum Thema.

Gibt es da einen festen Kreis an Menschen, die am „Dialog unter freiem Himmel“ teilnehmen? Oder kommen immer verschiedene Leute?

Es gibt eine Handvoll „treue“ Gäste und solche, die sich alle paar Wochen, meist auch je nach Thema, blicken lassen. Immer wieder tauchen auch mal ganz neue Leute auf. Das ist mitunter etwas herausfordernd, weil dieses Format für viele Menschen zu Beginn doch etwas gewöhnungsbedürftig ist. Andererseits lebt der Dialog unter freiem Himmel auch von immer wieder neu dazukommenden Zeitgenoss*innen und überraschenden Begegnungen.

Welche Fragen habt ihr bisher thematisiert? Und gibt es tiefgreifende Erkenntnisse, die du oder andere mitnehmen konnten?

Die Fragen oder Themen für kommende Gesprächsrunden entstehen meistens beim Dialog, indem man auf eine spannende Frage stößt, deren Erkundung sozusagen vertagt wird. Manchmal dialogisieren wir über „Klassiker“:

  • Was ist das „gute Leben“?
  • Was ist Liebe?
  • Was ist Gemeinschaft?
  • Was ist Wut?

 

Manchmal stehen auch aktuell bewegende Themen im Mittelpunkt, zum Beispiel die Corona-Politik oder Fragen, die den zivilen Ungehorsam im Zusammenhang mit Engagement für Klimaschutz betreffen.

Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass es in so gut wie jedem Dialog tiefgreifende Erkenntnisse gibt. Je nach Persönlichkeitstyp sind es Erkenntnisse theoretischer Natur oder ganz individuell – lebenspraktische Anregungen und Vorsätze, die da zum Vorschein kommen können. Beispielsweise überkam mich der Impuls, mir eine Gitarre zu kaufen und mein verschüttetes Gitarrenspiel wiederzubeleben bei einem Dialog unter freiem Himmel, wo es um das Thema Krisenresilienz ging.

Das Angebot ist bisher auf Halle beschränkt. Soll es den „Dialog unter freiem Himmel“ auch noch anderswo geben? Gibt es Zukunftspläne?

Ich weiß von Dialogen unter freiem Himmel in Mannheim, Erkelenz oder Dortmund – allerdings ist die hallesche Praxis in Sachen Kontinuität wohl ziemlich einmalig. Unsere Wunsch ist, dass Dialog unter freiem Himmel immer öfter mal „gebucht“ wird, zum Beispiel von Veranstalter*innen von Tagungen zu gesellschaftlich relevanten Themen, von Stadtteilinitiativen, Schulen und Behörden.

Über die Voraussetzungen hierfür verfügen wir mittlerweile – in Form von 20 Outdoor-Klappstühlen und eines elektrisch betriebenen Lastenrades. Ein wenig schwingt da die Vision mit, den Geist der antiken Agora als extrem „bürgerfreundliche“ Variante, kommunalpolitischer Diskurse auf neue Weise aufleben zu lassen. Dialog unter freiem Himmel sorgt dafür, dass alle anwesenden Stimmen gehört werden. Manche Menschen müssen aber ihre Stimme im öffentlichen Raum erst entwickeln – andere wiederum müssen lernen, sich einmal mehr zurückzuhalten und tatsächlich zuzuhören …

 

Weitere Infos zum „Dialog unter freiem Himmel“ findet ihr hier:

https://dialogunterfreiemhimmel.wordpress.com/

 

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