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Die Glücksbibel:
„Veränderung beginnt im Kopf!“

Steffen Landgraf, Psychotherapeut und Verfasser der Glücksbibel, erzählt in einem Interview, wie wir unser eigenes Glück beeinflussen können.
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Interview: Kristin Frauenhoffer

Interessierte sich schon früh für mentale Gesundheit: Dr. Steffen Landgraf, Psychotherapeut und Verfasser der Glücksbibel

Im Jahr 2020 wurde Dr. Steffen Landgraf zu einem der „Top 20 Psychologen“ weltweit gekürt. Seine Forschung zu Psychosen und Geburtsblindheit brachte ihm diesen Ruhm ein. Aber ihn beschäftigt auch ein ganz anderes, alltägliches Thema, das jede*n von uns angeht: das Glücklichsein. Schon seit früher Kindheit fragt sich der heute 43-Jährige, wie man ein glückliches und zufriedenes Leben führt. Aus seiner Erfahrung kann er heute sagen, dass es viel mit mentaler Gesundheit zu tun hat. Als praktizierender Psychotherapeut weiß er, wovon er spricht. Im Interview mit uns hat er über sein Buch „Die Glücksbibel – Aufbruch in eine glücklichere Zukunft“ und seine eigenen Erfahrungen aus der Praxis gesprochen.

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Du hast ein Buch, die Glücksbibel, über das Glücklichsein geschrieben. Wie kam es dazu?

Seit über 15 Jahren engagiere ich mich politisch für eine gerechtere Gesundheitsversorgung. In meiner Praxis habe ich leider hautnah mitbekommen müssen, welche dramatischen Auswirkungen die aktuellen, besorgniserregenden Krisenzeiten (Corona, Krieg, Klima, Energie) auf die Gesundheit haben. Dass der Erhalt der mentalen Gesundheit sehr wichtig ist, ist mittlerweile, glaube ich, auch gesellschaftlich angekommen. Und das hat mich im Endeffekt dazu gebracht, dieses Buch zu schreiben.

Gab es einen bestimmten Auslöser, der dich auf die Idee mit der Glücksbibel gebracht hat?

Ja, den gab es. Im Spätherbst 2020 ging Deutschland in den zweiten Lockdown, der bis März oder April 2021 dauerte. In der ersten Novemberwoche wurde meine Tochter geboren. Ich war im Kreißsaal dabei und habe dann dieses kleine Wesen in meinen Händen gehalten. Mir hat das Vaterwerden einen so immensen Boost gegeben, eine unglaubliche Energie. Ich ging euphorisiert aus der Klinik. Und da war diese riesengroße Diskrepanz: draußen alles grau, dunkel und trist, einsetzender Winter. Die Menschen trugen Masken, hielten Abstand voneinander. Alle waren scheinbar niedergeschlagen. Und ich? Ich trug diese unglaubliche Energie in mir, diese Freude, dieses Licht, das in mir, meiner Tochter und meiner Familie strahlte. Es war dieser krasse Gegensatz „Geburt versus Lockdown“, der mir bewusst machte: Ich muss das teilen. Diese Energie, diese Freude am Leben. Dieses Glück!

Als Psychotherapeut beschäftigst du dich ja schon länger mit dem Thema Glücklichsein …

Ja, und dazu kann ich eine kleine Geschichte erzählen. Ich habe als Kind, als ich neun Jahre alt war, folgendes erlebt: In meinem Leben hat sich von einem auf den anderen Tag alles geändert. Und mit „alles“ meine ich, dass meine Freunde weggezogen sind, in der Schule die Lehrer weggingen, überarbeitete Lehrpläne hinzukamen, Bücher ausgetauscht wurden. Supermärkte, Essen, was im Fernsehen kam, welche Autos auf der Straße fuhren, die ideelle Weltanschauung und vieles mehr haben sich gefühlt um 180 Grad gedreht. Beide Eltern wurden arbeitslos, haben sich getrennt. Und mein einziger Bruder ist ins Ausland gegangen und seitdem nie wieder nach Deutschland zurückgekehrt.

Dieser krasse Einschnitt war der Mauerfall, die Wiedervereinigung. Ich war vor Ort in Ostberlin, aber nicht direkt mit dabei. Ich habe aber die Folgen direkt mitgetragen, wie meine Generation. Damals verstand ich das noch nicht, aber viele Faktoren, die sich verändert haben wie Familie, Schule, Freunde etc., haben meine mentale Gesundheit und mein Wohlbefinden bedroht und ihm tatsächlich auch geschadet. Deshalb und weil ich wissen wollte, wie man das ändert, wie man das mit dem gesunden Kopf hinbekommt, ging ich in die Psychologie. Ich wollte herausfinden, wie man gesund bleibt und sich gegen Krisen schützt.

Welche Rolle spielt das Thema Glück in deiner Arbeit als Psychotherapeut?

Für mich als Psychotherapeut hängen Glück und Wohlbefinden mit mentaler Gesundheit zusammen. Als Psychotherapeut behandelt man ja psychische Erkrankungen, das heißt, Störungen mit Krankheitswert. In erster Linie geht es also ums Gesundwerden. Dazu kommen Dinge wie Unabhängigkeit und Freiheit. Viele Erkrankte sind froh, wenn sie wieder eigene Entscheidungen treffen und auch unabhängiger leben können. Das hat dann schon einiges mit Wohlbefinden und Zufriedenheit zu tun, finde ich.

Du triffst in deinem Beruf viele verschiedene Menschen. Sie kommen zu dir, weil sie alle irgendwie unglücklich sind. Was ist der erste Rat, den du ihnen gibst? Wo beginnt die Reise zum eigenen Glück?

Der erste Rat ist: Veränderung beginnt im Kopf. Der Zweite: Sie tragen alles, was Sie zum Glücklichsein beziehungsweise zu einem gesunden Leben benötigen, in sich. In meinen Seminaren und Sitzungen formuliere ich es so: Jeder Mensch trägt alles Notwendige zur Weiterentwicklung, Gesundheit und für die Lösung individueller Probleme in sich. Jede und jeder hat seine eigene Geschichte und geht seinen eigenen Weg. Sie bei ihrem individuellen Weg zu begleiten, soll für ein Gleichgewicht von Körper, Geist und Seele sorgen. Dazu gehört vor allem, dass man sein Leben nach den eigenen Wünschen und Vorstellungen gestalten und führen kann.

Du schreibst in deinem Buch „Glücksbibel“, glückliche Menschen würden anders denken und handeln. Welche Eigenschaften, Denkweisen oder auch Gewohnheiten haben diese Menschen?

Das Buch „Die Glücksbibel“ besteht aus zwei Teilen. Der erste ist eine Bestandsaufnahme mit Fragen wie: „Wo stehe ich?“ „Welche Erfahrungen habe ich  mit dem Thema Glück und Zufriedenheit, vielleicht auch in der eigenen Familie?“ „Welche Vorstellungen habe ich im Leben mitbekommen?“ Das ist eher so eine Art Hintergrundanalyse.

Der zweite Teil der Glücksbibel dann ist praktischer Natur: „Was kann ich tun?“ „Wie kann ich so denken und handeln wie glückliche und zufriedene Menschen?“ Insgesamt stelle ich in diesem Teil 18 konkrete Glückshelfer vor. Dabei wird immer der Unterschied zwischen unglücklichen und glücklichen Menschen hervorgehoben.

Kannst du uns ein paar Beispiele für diese Glückshelfer geben?

Ja, gern. Der erste Glückshelfer zum Beispiel ist das Loslassen. Glückliche Menschen lassen los. Unglückliche Menschen halten fest. Oder anders gesagt: Kaum etwas hindert uns mehr daran, glücklich und zufrieden zu sein, als die eigene Vorstellung davon, wie Glücklichsein auszusehen hat. Denn wenn man im Moment nicht so glücklich ist, wie man vielleicht gern wäre, sollte man sich zunächst eingestehen, dass das, was man macht, dahin geführt hat, wo man gerade ist. Das bedeutet, die Strategien, die man bis dahin verwendet hat, um glücklich und zufrieden zu sein, haben einen auf das jetzige persönliche Glücks- und Wohlfühlniveau gebracht. Um glücklicher zu werden, muss sich also etwas verändern. Man muss das loslassen, von dem man bis jetzt glaubte, dass es einen glücklich macht.

Ein weiterer Glückshelfer, der glückliche von unglücklichen Menschen unterscheidet, ist, dass erstere ihre persönliche Leidenschaft kennen. Sie verfolgen diese nach dem Motto „Der Weg ist das Ziel“. In unserem Leben kommen relativ wenige Ziele vorbei, aber relativ viel Weg. Man verbringt sein Leben also hauptsächlich auf einem Weg. Deshalb ist es wichtig, diesen Weg so glücklich, zufrieden und gesund wie möglich zu gestalten.

Sich über das Glück anderer zu freuen ist auch ein Glückshelfer, genauso wie echte und zufriedenstellende Beziehungen oder das Gefühl, selbstwirksam zu sein.

Hast du einen Tipp, um jetzt gleich ein bisschen glücklicher zu werden?

Es gibt einen Zusammenhang zwischen Denken, Fühlen und Handeln. Es ist nur sehr schwer, Fühlen direkt zu beeinflussen. Deshalb muss man am Denken ansetzen und dieses dann ins Handeln bringen. So wie ich schon sagte: Alles beginnt im Kopf. Natürlich ist das alles sehr individuell. Aber ich habe zwei Beispiele, die nahelegen, dass man loslassen soll – von dem, was man glaubt, was einen glücklich macht. Hier geht es um das Denken. Und dass es wichtig ist, auf seine Beziehungen zu achten, also konkretes Handeln.

Im ersten Beispiel geht es um eine Studie von Dan Gilbert. In ihr sollten Proband*innen zwei Gruppen von Menschen hinsichtlich ihrer Lebenszufriedenheit vergleichen. Man stellte ihnen folgende Frage: „Was glauben Sie? Welche Gruppe von Menschen ist nach einem Jahr glücklicher? Menschen, die gerade im Lotto gewonnen haben, oder Menschen, die gerade erfahren haben, dass sie querschnittsgelähmt sind?“ Natürlich antworteten alle: die Lottogewinner. Aber die Zahlen zeigen, dass tatsächlich beide Gruppen fünf Jahre nach dem Ereignis gleich glücklich sind. Gilbert zieht daraus den Schluss, dass wir das Ausmaß der Geschehnisse in unserem Leben auf unser Wohlbefinden maßlos überschätzen. Diese Relativierung verschafft uns so die Möglichkeit, ins Handeln zu kommen. Denn wir selbst können ganz gut entscheiden, was wir tun und was nicht.

Und was ist das zweite Beispiel?

Das zweite Beispiel ist die Harvard Studie zur Erwachsenenentwicklung. Über 700 Menschen wurden über 75 Jahre lang begleitet. Viele Menschen betrachten Geld und Ruhm als Gradmesser für ein glückliches Leben, doch tatsächlich sind es verlässliche und echte Beziehungen. Robert Waldinger, der Leiter der Studie, fand heraus, dass gute Beziehungen glücklicher und gesünder machen. Menschen mit zufriedenstellenden Beziehungen in der Familie und zu Freund*innen sind physisch gesünder und leben länger. Menschen, die ungewollt weniger Kontakt zu anderen Menschen haben als sie möchten, werden eher körperlich krank. Ihr Gehirn arbeitet schlechter, und sie sterben früher. Aus der Praxis habe ich das noch etwas erweitert, nämlich: Glückliche Menschen haben echte und zufriedenstellende Beziehungen zu anderen Lebewesen. Denn ich habe in meiner Arbeit gesehen, dass auch die Beziehungen zu Tieren oder sogar Pflanzen etwas Gesundheitserhaltendes haben können. Und jeden Tag können wir etwas tun, um diese Beziehungen bewusst zu pflegen.

„Die Glücksbibel – Aufbruch in eine glücklichere Zukunft“ von Steffen Landgraf kann man hier bestellen.

 

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Mehr zur Harvardstudie über ein glückliches Leben und Robert Waldinger!

Was lässt uns im Leben gesund und glücklich sein?

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