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„Diesen Schritt habe ich bis heute nicht bereut.“

Von einem, der Wirtschaftsingenieur sein könnte – mit ausgezeichneten Job- und Verdienstmöglichkeiten. Stattdessen ist er Erzieher und lieber glücklich.
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Interview: Isolde Hilt

Sebastian Kopp gab sein Studium im Wirtschaftsingenieurwesen auf, damit einhergehende Karrierechancen sowie ein Gehalt, das um ein Vielfaches über dem eines Erziehers liegt. Warum macht einer so etwas? Der junge Mann, der in der Jugendhilfestation St. Martin der KJF Regensburg in Amberg als Erzieher arbeitet, hat für sich erkannt, dass einem die Arbeit mit Menschen etwas gibt, das durch nichts zu ersetzen ist: „Das, was ich täglich an Lebensfreude zurückbekomme, ist so viel wertvoller und mit Geld nicht aufzuwiegen.“

 

Du hast einmal Wirtschaftsingenieurwesen studiert. Was kann man denn mit diesem Studium anschließend beruflich alles machen?

Beim Wirtschaftsingenieur sind zwei große Bereiche miteinander verknüpft – der wirtschaftliche und der naturwissenschaftliche Bereich. Daraus ergibt sich ein weit gefächerter Aufgabenbereich. Der Wirtschaftsingenieur agiert als Schnittstelle zwischen Wirtschaft und Technik – unter anderem in den Bereichen Logistik, Controlling, Marketing und Vertrieb. Zu seinen Aufgaben gehören zum Beispiel Produktionsabläufe planen, wirtschaftliche und technische Prozesse optimieren, Projekte betreuen, Betriebe beraten oder Management.

In welche Richtung könnte man sich weiter spezialisieren?

Man könnte promovieren oder sich durch Fortbildungen zum Beispiel auf Bau- und Immobilienmanagement, Energiemanagement, Hygienemanagement oder Human Engineering spezialisieren.

Wie sind die Jobaussichten und Verdienstmöglichkeiten als Wirtschaftsingenieur?

Sehr gut. Eine Bindung an ein Unternehmen ist nicht festgeschrieben. Die Selbstständigkeit oder auch ein Arbeitsplatz in Wissenschaft und Forschung sind möglich. Im Vergleich zum Beruf des Erziehers sind die Gehälter wesentlich höher. Ein Wirtschaftsingenieur verdient beim Einstieg im Durchschnitt fast 46. 000 Euro* im Jahr. Nach fünf Jahren steigt das Einkommen auf ca. 78.000 Euro durchschnittlich.

Zu all dem hast du irgendwann nein gesagt, weil du feststellen musstest, dass das auf Dauer nichts für dich ist. Weshalb?

Ich merkte relativ schnell, dass der wirtschaftliche Bereich keine Perspektive für mich bereithält. Mein damaliger BWL-Professor war von Anfang an sehr offen zu uns und machte deutlich, dass es vor allem um Zahlen geht und dass hinter diesen Zahlen oftmals Menschen bzw. Arbeitnehmer stehen. Es gehe um Optimierung von Betrieben und Prozessen, nicht um soziale Erwägungen. Was damit gemeint sei, könnten wir uns selbst ausmalen.

Ich hatte auch kein Interesse am wirtschaftlichen Bereich. Es war immer eher eine Qual als Freude. Die Vorlesungen waren nötiges Übel. Zu den naturwissenschaftlichen Seminaren und Vorlesungen ging ich gerne. Nach drei Semestern war ich nur noch vereinzelt in Vorlesungen, die mir Spaß machten. Dadurch hatte ich mehr Zeit, mir über meine Zukunft Gedanken zu machen.

Heute bist du Erzieher. Bist du glücklich mit deiner jetzigen Berufswahl?

Bis heute habe ich diesen Schritt nicht bereut. Als Wirtschaftsingenieur hätte ich natürlich mehr verdient. Allerdings bin ich jetzt in einer Situation, in der ich täglich gerne aufstehe und ebenso gerne in die Arbeit gehe. Es macht einfach Spaß, tagtäglich mit Kindern und Jugendlichen zu arbeiten, sie bei ihrer Entwicklung zu beobachten und zu unterstützen.

Waren die Leute in deinem Umfeld von deiner Entscheidung überrascht? Wie haben sie reagiert?

Meine Eltern waren anfangs schon etwas geschockt. Sie wollten wissen, warum, haben mir aber gleichzeitig weiterhin ihre Unterstützung angeboten. Nachdem der erste Schreck vorbei war, waren sie froh, dass ich mich für einen Beruf entschieden habe, der mich erfüllt und mir Freude macht. Ich wollte meine Eltern nicht enttäuschen, da sie mich jahrelang moralisch und finanziell unterstützt hatten. Deshalb brauchte ich lange, bis ich es ihnen sagte. Ich selbst fühlte mich zeitweise als Versager, der es nicht schafft, das Angefangene durchzuziehen.

In meinem Freundeskreis war meine Situation schon länger Thema. Hier wurde meine Entscheidung akzeptiert und unterstützt. Durch einen Freund kam ich auch mit dem Beruf des Erziehers in Kontakt. Er befand sich damals in der Erzieher-Ausbildung. In vielen Gesprächen bekam ich Einblick in seine Arbeit. Er bestärkte mich, ebenfalls die Ausbildung zum Erzieher zu beginnen.

Was liebst du an deinem Job?

Es macht einfach Freude, Kinder und Jugendliche bei ihrer Entwicklung zu beobachten, daran teilzuhaben und sie dabei zu unterstützen. Auch der Kontakt zum Umfeld der Kinder ist sehr bereichernd und bietet die Möglichkeit, andere Lebenswelten nachzuvollziehen, kennen und schätzen zu lernen.

Am meisten liebe ich es, mit den Kindern zu arbeiten. Hier kann ich den Alltag flexibel und frei gestalten und gleichzeitig meine Stärken und Interessen mit einbringen. Ich bewege mich gern, bin gerne draußen und für alle Arten von Sport offen. Mit motorischer Förderung und dem Überwinden persönlicher Grenzen kann ich das oftmals schlechte Selbstbild, das Kinder von sich haben, verbessern helfen und ihnen Erfolgserlebnisse verschaffen. Es ist toll zu beobachten, wie die Kinder aufblühen und sich mehr und mehr öffnen. Zudem spiele ich Gitarre und habe viel Spaß daran, den Kindern die Freude an der Musik zu vermitteln. Hier in der Jugendhilfestation haben wir ein Schlagzeug, Gitarren, ein Keyboard, einen E-Bass und vieles mehr. Auch hier ist es schön, die Neugier der Kinder zu beobachten und zu sehen, wie stolz sie sind, wenn sie durch Üben den nächsten Schritt meistern.

In Ferienfreizeiten können wir den Kindern und Jugendlichen Aktionen anbieten, die sie sonst kaum erleben könnten: zum Beispiel klettern, mehrtätige Radtouren, Höhlenbefahrungen, Campen, Nacht- und Fackelwanderungen. Mir geht das Herz auf, wenn mich die Kinder zufrieden anlachen und glücklich sind – ein Gefühl tiefster Zufriedenheit.

Du würdest einen Beruf im sozialen Bereich empfehlen, oder?

Ja, unbedingt, weil alleine die Interaktion mit Menschen zur eigenen Zufriedenheit beiträgt. Als Erzieher hat man einen vielseitigen und abwechslungsreichen Tag, keiner ist wie der andere. Ich kann meine Stärken und Fähigkeiten einbringen und meine eigenen Ideen verwirklichen. Ich habe die Möglichkeit, andere Lebenswelten – kulturell und sozial – kennenzulernen, die mein Leben bereichern. Kindern kann ich Werte für eine offene und soziale Gesellschaft vermitteln und sie dazu ermutigen, aktiv an ihrer Zukunft mitzuwirken.

Noch etwas, das dir wichtig ist, dir am Herzen liegt?

Ich habe, von vielen Zweifeln geplagt, eine Entscheidung getroffen, die sich im Nachhinein als die beste Entscheidung meines Lebens herausgestellt hat, auch wenn der Beruf des Erziehers auf den ersten Blick – finanziell gesehen – nicht so lukrativ ist. Das, was ich aber täglich von den Kindern an Lebensfreude zurückbekomme, ist so viel wertvoller und mit Geld nicht aufzuwiegen. Daher kann ich alle, die ähnliche Bedenken haben und sich unsicher sind, nur dazu ermutigen, diesen Schritt ebenfalls zu gehen.

 

* Quelle: Gehalt.de 2017

Erstveröffentlichung dieses Interviews im Magazin „Aktion Kontakte“ der Katholischen Jugendfürsorge der Diözese Regensburg e. V., Ausgabe 1/2018

Dieser Beitrag ist urheberrechtlich geschützt.

 

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