Interview: Petra Bartoli y Eckert
Doris Wilflingseder ist eine ganz besondere Frau. Sie sticht aus der Menge – nicht nur, weil ihre blonden Haare meist bunt gefärbt sind. Die Innsbruckerin ist Professorin für Infektionsbiologie und Immunologie. Als Wissenschaftlerin setzt sie sich seit vielen Jahren für Grundlagenforschung ohne Tierversuche ein. Erfolgreich!
Im April 2022 wurde sie dafür mit dem österreichischen Staatspreis zur Förderung von Ersatzmethoden zum Tierversuch ausgezeichnet. Wir haben mit ihr über ihre Arbeit und ihre Haltung gesprochen.
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Du bist Infektionsbiologin und Immunologin an der Universität in Innsbruck. Ist das etwas, was du schon immer werden wolltest? Oder gab es davor andere Berufsideen?
Ursprünglich wollte ich eigentlich Tierärztin oder Verhaltensforscherin werden. Dann habe ich aber angefangen, mich während meines Zoologiestudiums für die Zellbiologie zu interessieren. Dies erschien mir im Endeffekt zukunftsträchtiger als die Verhaltensforschung. Die führe ich nun dennoch in sehr kleinem Maßstab in der Zellkultur in weiterem Sinne durch. Denn ich untersuche, wie die Zellen von unterschiedlichen Individuen auf Krankheitserreger reagieren.
Du forschst an Gewebemodellen, um dem komplexen Verhalten unseres Immunsystems auf die Spur zu kommen. Bisher waren in der Forschung Tierversuche das übliche Vorgehen. Du machst es anders. Wie bist du auf die Idee gekommen, eine andere Richtung einzuschlagen?
Ich habe mir bereits im Studium geschworen, dass ich nie Tierversuche machen möchte. Deshalb habe mich sowohl für meine Diplom- als auch für die Doktorarbeit bei Arbeitsgruppen beworben, wo ausschließlich mit Zellkulturen gearbeitet wird. Zum Glück hat sich vor allem in den letzten 10 Jahren sehr viel bei der Stammzellforschung und bezüglich besseren 3-dimensionalen Modellen getan. Das spielte mir natürlich in die Hände.
Ich untersuche daneben Wechselwirkungen von menschlichen Krankheitserregern mit menschlichen Zellen. Und ich beschäftige mich damit, wie unser Immunsystem auf Infektionen reagiert. Ein Beispiel, an dem ich forsche, ist das humane Immundefizienzvirus, HIV-1. Dieser Krankheitserreger, ein Retrovirus, greift Mäuse nicht an, Mausversuche bringen daher keinerlei Erkenntnisgewinn. Mit komplexen Zellkulturen können wir sehen, was beim Eintritt des Virus in eine menschliche Zelle geschieht. Diese Erkenntnisse in guten Modellen sind sehr wichtig, um neue, innovative Wege gegen das Virus zu entdecken.
Ein weiteres Beispiel, woran wir in meiner Arbeitsgruppe arbeiten, ist das neuartige Coronavirus SARS-CoV-2. Hier hatten wir bereits ein optimiertes Modell des Atmungstraktes und der Lunge zur Hand, als das Virus die Welt überrollte. Insofern konnten wir mit unseren Studien, was das Virus an der Barriere des Atmungstraktes bzw. der Lunge auslöst, sofort loslegen und auch mögliche alternative Behandlungsstrategien aufzeigen.
Wie kommt deine neue Richtung bei Kolleginnen und Kollegen aus der Forschung an? Triffst du immer auf offene Ohren?
Oftmals ist noch Überzeugungsarbeit zu leisten. Häufig wird argumentiert, dass die in vitro Modelle – also die Modelle in der Zellkulturschale – noch nicht so komplex sind wie zum Beispiel eine Maus. Das stimmt natürlich noch, jedoch entwickelt sich das Gebiet der Zellkultur rasant weiter. Und die Reproduzierbarkeit der Versuche in unseren optimierten Modellen ist sehr gut im Gegensatz zur Reproduktionskrise in Mausversuchen.
In der Zwischenzeit gibt es glücklicherweise bereits viele Forscher*innen, die mit tierversuchsreduzierten oder -ersetzenden Methoden und Modellen vertraut sind. Das ist sehr erfreulich. Aber natürlich müssen wir viel tun, um einen Paradigmenwechsel hin zu Alternativen zu Tierversuchen tatsächlich zu initiieren.
Was fasziniert dich an deiner Arbeit?
Ich habe das Glück, eine Arbeit zu haben, die sehr kreativ ist. Und sie ist – auch nach über 25 Jahren – nie langweilig. Es ist eine Arbeit, bei der wir Zusammenhänge von Krankheiten und unserem Körper erforschen können. Ich empfinde es als Privileg, dass ich viele interessante Köpfe im Laufe meiner Wissenschaftskarriere kennenlernen durfte. Auch finde ich es sehr spannend, Student*innen und Jungwissenschaftler*innen über neue Modelle und Methoden in menschlichen Zellkulturen aufzuklären und neue Technologien zu unterrichten. Ich denke, dass genau die jungen Leute die richtige Zielgruppe darstellen, um tatsächlich den bereits zuvor genannten Paradigmenwechsel durchführen zu können.
Was glaubst du: Wie wird Forschung in der Zukunft aussehen? Werden wir irgendwann komplett auf Tierversuche verzichten?
Wie man jetzt am Beispiel der SARS-CoV-2 Impfung gesehen hat, wurden die Impfstoffe innerhalb kürzester Zeit zugelassen – bevor alle sonst üblichen Tierversuche durchgeführt wurden. Das war unter anderem möglich, weil man schnell Daten aus zellbasierten Tests und computerunterstützten Untersuchungen generieren konnte.
Die Entwicklung von Modellen, die den menschlichen Körper immer realistischer nachbilden, schreitet rasant voran. Zellmodelle können mit sogenannten in silico Analysen (also Computeranalysen) kombiniert werden, die eine bessere Vorhersagekraft als Tierversuche haben. Deshalb bin ich zuversichtlich, dass die Forschung generell in Zukunft mehr in diese Richtung geht. Und ich hoffe, dass man dadurch auf jeden Fall viele Tierversuche reduzieren und irgendwann auch ganz ersetzen kann.
Was tust du, wenn du nicht gerade im Labor bist und neue Wege in der Forschung gehst?
Besonders gerne bin ich mit meinem Lebensgefährten Markus und meinen zwei Hunden Joice und Ciroc unterwegs. Joice ist ein ehemaliger Kettenhund, der anschließend viereinhalb Jahre im Tierheim war. Wir gehen in die Berge, zum Schwimmen, auf Entdeckungsreisen durch Europa, zum Rodeln, oder wir gehen Skitouren. Außerdem spiele ich gern Tennis, geh gern auf Konzerte und kleine Festivals. Und ich treffe mich gern mit Freunden in einer Cocktailbar in Innsbruck.
Hier geht es zum Bericht über die Verleihung des österreichischen Staatspreise an Prof. Dr. Doris Wilflingseder:
https://www.i-med.ac.at/mypoint/thema/762028.html
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