good news in English!

Das Nachrichten-Portal für eine bessere Welt.

Grenzen setzen:

Wie gelingt es, auch mal Stopp zu sagen?

Besser auf sich achten – dazu gehört auch Grenzen setzen. Warum das manchmal so schwerfällt und warum es sich lohnt, es zu lernen, verrät Franziska Iwanow.
Gefällt dir? Vielen Dank fürs Teilen!

 

Die Gastkolumne mit Franziska Iwanow


Impulsfrage: Was ist dein erstes Gefühl, wenn du das Stichwort "Grenzen" hörst?

Nimmst du eine selbstbewusste Haltung ein, richtest dich auf und fühlst dich sicher, weil du weißt, dass du deine Grenzen benennen und durchsetzen kannst? Oder machst du dich eher klein, sinkst in dir zusammen und fühlst dich gestresst, weil das oft so eine schwierige Sache ist?

Das Thema „Grenzen“ ist so groß, vielfältig und individuell. Lass uns verschiedene Aspekte von Grenzen betrachten, herausfinden, warum das Setzen von Grenzen vielen Menschen schwerfällt und was dabei hilft, bestimmt und klar zu sich zu stehen.

 

Begrenzung – mal Sicherheit, mal Enge

Gehen wir davon aus, dass Grenzen zunächst weder gut noch schlecht sind. Auf der einen Seite dienen uns Grenzen als Schutz. Sie geben Halt und Orientierung, helfen dabei zu erkennen, was für uns okay ist und was nicht mehr. Im Umgang mit anderen Menschen sind sie nötig, um ein respektvolles Miteinander zu ermöglichen. Auf der anderen Seite können Grenzen einengen, uns in Komfortzonen verharren lassen und neue Impulse verhindern.

Wir alle haben verschiedene Grenzen: körperlich, emotional, ethisch, Kapazitätsgrenzen. Wir haben unsere inneren Grenzen, die durch Erfahrungen und unsere Erziehung, geprägt sind – abhängig von den eigenen Werten und verhärtet durch Ängste und Glaubenssätze. Außerdem sind wir in äußere Grenzen eingebunden, z. B. kulturell, gesetzlich, politisch oder klimatisch.

Wenn wir selbst unsere eigenen Grenzen achtsam und sanft verschieben, indem wir uns Ängsten stellen, die Komfortzone erweitern, etwas Neues probieren usw., ist Platz für Wachstum, Freude und Stolz.

 

Jeder Mensch hat andere Grenzen

Werden Grenzen ungewollt übertreten, von uns selbst oder von anderen, ist das mindestens unangenehm, häufig ziemlich schmerzhaft und in schweren Fällen traumatisch. Grenzüberschreitungen durch andere können unbemerkt und ohne böse Absicht passieren, einfach, weil das Gegenüber unachtsam war und/oder selbst ganz andere Grenzen hat. Manche Grenzverletzungen entstehen aus Gleichgültigkeit und Ignoranz. Und dann gibt es Übergriffe, bei denen das Gegenüber bewusst Grenzen übertritt, bis hin zur Strafbarkeit.

Gewisse Grenzen gelten immer, andere unterscheiden sich, je nachdem, wer mein Gegenüber ist: Ich möchte nie geschlagen werden, diese rote Linie gilt immer.
Ich mag es nicht, wenn mir Fremde in der Schlange an der Kasse auf die Pelle rücken, die gleiche Nähe ist bei meinem Partner oder Freundinnen aber völlig okay. Mal fällt es leicht, mich abzugrenzen und Nein zu sagen, in anderen Bereichen ist es immer wieder aufs Neue eine Herausforderung. Meiner Familie und Freund*innen kann ich sagen, wenn ich Ruhe und Zeit für mich brauche. In der Arbeit fällt es mir deutlich schwerer, auf meine Bedürfnisse und Kapazitäten zu achten.
Menschen, von denen ich weiß, dass sie es gut mit mir meinen, verzeihe ich eher ein unangebrachtes Einmischen, eine gut gemeinte Bevormundung oder einen verunglückten Witz als anderen.

 

Impulsfrage: In welchen Lebensbereichen fällt es dir leicht, deine Grenzen zu formulieren?

Warum fällt Abgrenzung oft so schwer? In der Theorie ist es eigentlich ganz einfach: Nein sagen, wenn man nein meint. Stopp sagen, wenn jemand zu weit geht. Und doch gibt es unzählige Gründe, warum zwischen Wissen und Machen manchmal Welten liegen. Ängste und Glaubenssätze wie zum Beispiel „Ich habe kein Recht auf meine Grenzen“ sind verbreitete Ursachen.

Mögliche Ursachen, warum Grenzen ziehen manchmal so schwerfällt

• Vielleicht hast du nie richtig lernen können, Grenzen zu setzen und merkst deswegen gar nicht, wann eine Grenze erreicht ist.

Wenn kleine Kinder zu ihren engsten Bezugspersonen unsichere Bindungen haben, können sie kaum ein Gefühl für eigene Grenzen entwickeln, weil sie mehr damit beschäftigt sind, die Bedürfnisse der anderen zu lesen: Wie muss ich sein, um   Aufmerksamkeit und Fürsorge zu bekommen? Wie darf ich nicht sein? Die Bedürfnisse der anderen sind wichtiger als meine.

Oder das Abgrenzen wurde nicht ernst genommen, übergangen, belächelt oder mit Liebesentzug oder physischer Gewalt bestraft. Abgrenzung wird dann (meistens unbewusst) mit Verlustangst und Angst vor Strafe verknüpft und ist automatisch bedrohlich. Grenzüberschreitungen hinzunehmen, erscheint im Vergleich zu den erlernten Konsequenzen als das kleinere Übel.

• Du möchtest niemanden verletzen oder vor den Kopf stoßen. Dein Gegenüber könnte dein „Nein“ als Zurückweisung empfinden.

• Du willst nicht unhöflich oder gar egoistisch sein.

• Das eigene Selbstbild lässt gesunde Grenzen nicht zu. Zum Beispiel: Er braucht jetzt Ruhe (Kapazitätsgrenze), will aber auf keinen Fall faul oder schwach sein. Sie findet frauenfeindliche Witze doof, will aber nicht als humorlose Zicke gelten.

• Angst vor Konflikten: Verbittest du dir die ständigen abwertenden Kommentare deines Schwiegervaters, gibt es Streit. Lässt du dir die grenzüberschreitenden Einmischungen der Nachbarin nicht gefallen, wird es vielleicht anstrengender, als wenn du es weiterhin   runterschluckst.

• Äußere Grenzen, die reale Konsequenzen hätten: Trägt man die Firmenphilosophie nicht mit und wehrt sich gegen unbezahlte Überstunden, wird man gefeuert.

 

Impulsfrage: Was sind deine familiären Prägungen? Wie wurde dir der Umgang mit Grenzen vorgelebt? 

Warum es wichtig ist, Grenzen zu setzen

Es ist also absolut nachvollziehbar, wenn du zu den Menschen gehörst, die mit den eigenen Grenzen ihre Schwierigkeiten haben. Habe bitte Geduld, gib dir Zeit und sei sanft mit dir, während du übst, für dich einzustehen!
Zu üben ist wichtig, denn das Setzen von Grenzen ist ein Akt der Selbstachtung. Ohne das Erkennen und Zeigen seiner Grenzen wird man nicht nur leichter ausgenutzt („Kannst du mal eben kurz…?“), sondern ist auch immer mit einem Fuß im Selbstverrat, weil man sich und die eigenen Bedürfnisse nicht wichtig (genug) nimmt.

Setzt du hingegen gesunde Grenzen, wirkt sich das unmittelbar auf dein Selbstbewusstsein und dein Wohlgefühl aus. Deine Mitmenschen wissen, woran sie bei dir sind, wenn du ihnen mit freundlicher Klarheit begegnest und dich und deine Bedürfnisse ernst nimmst. Gesunde Abgrenzung bedeutet mehr Ausgeglichenheit, weil du gut mit deinen Ressourcen haushaltest und deinem Körper zuhörst. Du gibst dir Grund für Selbstvertrauen, wenn du loyal zu dir stehst und Ja zu dir sagst, auch wenn das ab und an ein Nein für jemand anderen bedeutet.

Impulsfrage: Wie würde es dein ganz persönliches Leben verbessern, wenn du dir deine Grenzen zugestehst?

 

Wie lerne ich, Grenzen zu setzen?

Es ist wichtig zu wissen, dass Grenzen setzen und sie durchzusetzen nicht dasselbe sind. Manchmal werden Grenzen zum Teil wiederholt sehr klar und deutlich gesetzt, das Gegenüber ist aber trotzdem übergriffig.
Oder man ist so in einem angstvollen Erstarrungsmodus, dass das Setzen von Grenzen in diesem Moment schlichtweg nicht möglich ist. Das gilt vor allem für toxische Beziehungen (familiär, in Freundschaften, Partnerschaften oder beruflich) und Gewalt.
Es liegt nie an dir, wenn in diesen Fällen deine Grenze überschritten wird! Bitte hole dir Unterstützung von außen und lass dir unbedingt helfen.

 

Grenzen setzen – Schritt für Schritt

Für alle anderen Situationen kannst du mit einer guten Portion Selbstfürsorge, Mut und Humor viele kleine Schritte gehen. Du kannst es dir leichter machen, wenn du mit den Menschen anfängst zu üben, bei denen du dir sicher bist, dass sie es gut mit dir meinen. Trau deinen Lieben zu, dass sie es aushalten, wenn du zu deiner Meinung, deinen Bedürfnissen und Grenzen stehst.

• Wenn du neugierig bist, versuche (eventuell auch mit professioneller Unterstützung) herauszufinden, woher deine Schwierigkeiten kommen. Für eine Veränderung ist das nicht zwingend nötig. Viele Menschen sind erfahrungsgemäß aber deutlich gnädiger und geduldiger mit sich, wenn sie die Ursachen des eigenen Verhaltens verstehen.

• Ganz wichtig: Gib dir selbst die ausdrückliche Erlaubnis, dass du wie jeder andere Mensch auf der Welt Grenzen hast, dass du sie haben, ausdrücken und zur Not sogar verteidigen darfst. Als mündiger erwachsener Mensch brauchst du keine Erlaubnis von anderen!

• Lerne, deine Grenzen wahrzunehmen. Am Anfang erkennst du wahrscheinlich erst nach einer Grenzüberschreitung, dass da gerade eine Grenze war. Weil du dich auf einmal unwohl fühlst, weil du vielleicht wütend oder genervt bist, weil du merkst, dass du gerade etwas tust, was du nicht willst. Das ist normal und gehört zum Lernprozess. Verurteile dich nicht, sondern klopfe dir auf die Schulter, dass du es bemerkt hast. In der nächsten ähnlichen Situation kannst du schon ein bisschen eher darauf achten.
Zum einen kannst du trainieren, auf deinen Körper zu achten, um Grenzen zu erspüren. Wann stockt dein Atem? Wann beißt du die Zähne zusammen? In welchen Momenten machst du dich klein?
Zum anderen lohnt es sich, sich mit den eigenen Werten auseinanderzusetzen. Kennst du deine Werte, erkennst du auch schneller, wann diese Werte verletzt werden.

 

Grenzen deutlich machen gehört dazu!

• Drücke deine Grenzen freundlich und gleichzeitig bestimmt und klar aus. Ein Nein mit entschuldigendem Lächeln und Fragezeichen wird leicht überhört. Eine aufrechte Haltung und eine deutliche Stimme drücken aus, dass du es ernst meinst. Das lässt sich auch dann üben, wenn du dabei noch eine große Portion Unsicherheit im Bauch hast. Formuliere deine Grenze kurz und prägnant ohne Rechtfertigung oder Entschuldigung.

Deine Lieben werden sich weniger Sorgen um dich machen, wenn sie sehen, dass du dich gut um dich selbst kümmerst. Außerdem hilft es, sich gleichwertig auf Augenhöhe zu begegnen, wenn man die Grenzen des/der anderen kennt und nicht Rätsel raten muss. Viele Grenzüberschreitungen passieren tatsächlich unabsichtlich, weil die Beteiligten nicht wissen, dass sie eine Grenze übertreten.

• Erweitere dein Selbstbild, indem du akzeptierst, dass auch die unerwünschten Seiten ein Teil von dir sind. Frage dich häufiger, wie du bist (jetzt gerade in diesem Moment mit all den Gefühlen, die da sind) und wer du sein willst, statt wie du sein solltest oder wie dich   andere vermutlich haben wollen. In manchen Situationen ist es völlig okay, auch einmal egoistisch zu sein oder nicht allen Regeln der Höflichkeit zu folgen.

• Übernimm die Verantwortung für deine Gedanken, Gefühle und Handlungen und lass die Verantwortung für die Gedanken und Gefühle von anderen bei ihnen.

• Überprüfe dein Umfeld. Hast du Menschen um dich, die dir langfristig immer wieder verärgert vorwerfen, dass du deine Grenzen setzt? Die sich schwertun, diese zu akzeptieren, ohne sich mit dir zu freuen, dass du gut für dich sorgst? Dann frage dich, ob das die richtigen Menschen für dich sind. Das gilt auch für das Arbeitsumfeld.

• Halte das schlechte Gewissen aus. Das gehört am Anfang einfach oft dazu. Stehe zu deiner Grenze. Wiederhole deine innere Erlaubnis, atme weiter und vertraue darauf, dass das mit der Zeit ganz von allein besser wird.

Impulsfrage: Was ist dein erster Schritt und wie feierst du dich für jeden Erfolg?

Es lohnt sich auf jeden Fall!  Nicht vergessen: Zwei Schritte vor und einen zurück ist der Tanz des Lebens. Viel Freude beim Üben 🙂

 

Franziska Iwanow

… lebt mit ihrem Mann, 4 Kindern und einem Familienhund in Regensburg.
Seit 2009 arbeitet sie in eigener Praxis als Systemische Beraterin und Entspannungspädagogin. Sie leitet Familienaufstellungen und veröffentlicht seit 2020 zusammen mit ihrer Freundin Sophie den Podcast Mutmachgespräche.
Franziska liebt Theater, Opernbesuche, Konzerte, lange Spaziergänge an der Donau und ist immer gespannt auf Lebensgeschichten, die Mut und Zuversicht wecken. „Etwas zu good news for you beitragen zu dürfen, ist mir eine große Freude!“

 

Zum Nachhören! https://franziska-iwanow.com/podcast-mutmachgespraeche/

Und in diesem Podcast von Franziska Iwanow geht es auch um Grenzen: https://open.spotify.com/episode/1QZ7UuD1sbGPKRgeaZxNrq?si=ce4e21565d5d4a3b

 

Dieser Beitrag ist urheberrechtlich geschützt.

 

Passend zum Thema!

Geschichten vom Leben und anderen Katastrophen

Schreibe einen Kommentar

Deine Daten werden verschlüsselt übertragen. Deine IP-Adresse wird nicht erhoben.
Infos zum Datenschutz

Herzlichen Dank, dass du unsere Arbeit für good news for you unterstützen willst.
Es gibt dafür folgende Möglichkeiten:

Einmalspende

Triodos Bank
IBAN: DE31 5003 1000 1039 6430 10

oder via PayPal:

Abonnement

Ein Abonnement, um unsere Arbeit regelmäßig zu unterstützen, kann man über Steady abschließen. Steady ist ein Portal, das unabhängigen, freien Medien hilft, ihre Arbeit fortzuführen:

Bitte in diesem Fall die Cookies zulassen, damit ihr unser Video, in dem wir unsere Arbeit vorstellen, auch sehen könnt.

Geschenk

Verschenke ein Abonnement über Steady.

Jeden Sonntag ein neuer Newsletter!

Das good news telegram

mit Nachrichten, die gut tun!

In diesem Monat verlosen wir 3 x Tualoop, ein cooles Outdoor-Spiel für die ganze Familie! Gestiftet von TicToys.de aus Leipzig, die mit nachhaltigen Spielwaren für generations­übergreifendes Spielen stehen.

Jetzt kostenlos erhalten!