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Gut Hötzing:
Wenn sich dir eine ganz andere Lebensaufgabe stellt

Was tust du, wenn du als junges Paar plötzlich ein großes historisches Gut erhältst? „Wir haben die Vernunft und die Sicherheit erst einmal auf die Bank gesetzt und angefangen.“
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von Isolde Hilt

Gut Hötzing – ein Ort der Poesie. Wo es einem leichtzufallen scheint, in Bildern zu sprechen, die anderswo nicht so leicht aufsteigen … Es macht große Freude, Theresa, der jungen Gutshofbesitzerin, zuzuhören. Zu sehen, wie ihre Augen leuchten und sie ins Schwärmen gerät, wenn sie von diesem Stückchen Land erzählt.

Gut Hötzing ist ein historischer Gutshof, in absoluter Alleinlage zwischen Roding und Cham in der Oberpfalz in Bayern gelegen. Der Hof erstreckt sich über 2,5 Hektar mit 14 Gebäuden darauf. Herzstück ist das Schloss Gut Hötzing, dessen Grundmauern auf das Jahr 1003 zurückgehen. Herzensanliegen ist die Sanierung, für die sich die Lösung – wie sich das finanziell stemmen lässt – erst noch zeigen muss. Eine selten gewordene Lindenallee, ausgezeichnet als Naturdenkmal, führt direkt zum Anwesen der Familie Stangl.

Schon länger habe ich nicht mehr einen solchen Ort erlebt, der einen augenblicklich in seinen Bann zieht. Ich traue mich fast wetten, dass wir den schönsten Tag des Jahres für unseren Klausurtag auf Gut Hötzing geschenkt bekommen haben. Erst ein, zwei Tage zuvor, erzählt uns Theresas Mann Jens später, hätten sich die Linden in der Allee und auch die anderen Bäume auf dem Grundstück in ihr zartes, frisches Blattgrün gekleidet. So, als wüssten sie, dass in drei Tagen die erste Hochzeit des Jahres zwischen ihnen stattfindet.

Das Anwesen steckt voller Geschichten – auch weil so Einiges noch nicht saniert ist. Da wird die eigene Phantasie gleich quicklebendig. Und dann ist da die junge Familie, die angetreten ist, diesen besonderen Ort zu erhalten. Eine eigene Geschichte, der sich bestimmt noch viele Kapitel hinzufügen. Die ersten durften wir schon in den Blick nehmen …

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Wie seid ihr als junges Paar zu Gut Hötzing gekommen?

Das ist eine etwas turbulente Geschichte … Meine Eltern haben das Anwesen 2008 erworben. Sie hatten damals in der Zeitung gelesen, dass der lang unbewohnte Hof abgerissen werden soll. Ein Investor wollte dort einen Solarpark errichten.

Meine Eltern starteten optimistisch. Sie nahmen die Grundstrukturen des Gutshofs in Angriff und begannen, den Rossstall und die Wagenremise zu sanieren. Leider erkrankte mein Vater an einem sehr aggressiven Gehirntumor. Das Projekt Hötzing wurde kurzzeitig auf Eis gelegt. Und plötzlich war es unsere „kleine Baustelle“.

Wenn man vorher etwas ganz anderes gemacht hat, steht man vermutlich erst einmal vor diesem großen Anwesen und fragt sich: „Und jetzt? Was machen wir damit?“ Wie lief bei euch dieser Entscheidungsprozess? Was habt ihr alles in Betracht gezogen?

Am Anfang waren wir allein durch die Größe des Orts sehr überfordert. Die Fixkosten und der Unterhalt, die Pflege des Anwesens und die sich dahinter versteckende Bürokratie waren unglaublich zeit- und kräftezehrend. Zu dem Zeitpunkt waren Jens, mein Mann, und ich auf uns allein gestellt. Auch waren wir frisch Eltern geworden. Unser Sohn war gerade acht Wochen alt.

Zu Beginn konnten wir uns gar nicht in der Zukunft auf diesem Hof sehen. Es schien kein tragfähiges Business-Konzept zu geben, und wir hatten keine Idee, wie wir all diese Aufgaben allein bewältigen sollen. Der Gedanke an einen Verkauf war natürlich auch da. Doch je länger wir hier waren, desto mehr zog uns dieser Ort in seinen Bann. Und dann haben wir die Gedanken der Vernunft und Sicherheit erst einmal auf die ruhige Bank gesetzt und einfach angefangen.

Was macht diesen Ort so besonders?

Diese ganz besondere, eigene Atmosphäre. Die Zeit hier tickt irgendwie anders. Es ist, als würde man in eine Art „Zwangs-Entschleunigung“ geraten. Man kann gar nicht anders, als sich immer wieder einmal hinzusetzen und den Ort auf sich wirken zu lassen. Es ist so einmalig hier und so wohltuend.

„… und langsam wächst man zusammen“: Wie hat euch das Leben hier verändert?

Ich denke, wir sind geerdeter geworden, ruhiger. Wir haben unseren Rhythmus mehr an den dieses Ortes bzw. der Natur angepasst. Auch in unseren Entscheidungsprozessen wurden wir ruhiger und klarer. Wir erlebten hier viele ungewöhnliche Herausforderungen, Widerstände von außen, risikobehaftete Situationen. Doch zugleich lernten wir viel mehr, die Situation erst einmal so anzunehmen, wie sie ist, und uns Lösungsmöglichkeiten aus verschiedenen Perspektiven anzusehen. Und auch besser darauf zu hören und zu vertrauen, was unsere Vision, unser Herzensweg ist.

Einiges ist schon geschafft. Mit den ersten Sanierungsmaßnahmen sind auch erste Einnahmequellen entstanden. Was kann man bei euch alles machen?

Wir haben einen schönen Eventbereich gestaltet, bestehend aus der Kulturscheune und einem dazugehörigen großzügigen Gartenareal mit zwei großen Naturteichen und einem Outdoorplatz. Das ist ein beliebter Ort für Hochzeiten und Betriebsfeiern – umgeben von all der schönen Natur.

Im Rossstall und in der Remise sind zwei liebevoll gestaltete Seminarräume sowie eine Suite zum Übernachten entstanden. Und unser „Schloss“ wird gerne als Fotolocation genutzt.

Wie reagieren die Leute, wenn sie bei euch sind?

Die Menschen müssen sich erst einmal umschauen, wenn sie ankommen. Es gibt so viele Besonderheiten zu sehen, die für das Auge eher selten sind. Allein die lange Lindenallee verleiht dem Ort schon etwas Magisches. Dann steht man vor dem historischen Tor mit den Drachenköpfen, die aussehen, als würden sie direkt einem Märchen entspringen. Und dann ist man überhaupt erst am Grundstück. Das alte Schloss hat seine ganz eigene Ausstrahlung. Die Wasserflächen spiegeln die blühenden Bäume … Da muss man einfach ankommen!

Das Gut ist groß. Das größte Gebäude – euer „Schloss“ – sieht aus, als sei ihm in einem ersten Schritt die Dornröschenhecke weggenommen worden. Wie geht es damit weiter?

Da steht noch ein kleines großes Fragezeichen dahinter. Architektonisch und historisch ist es definitiv das spannendste Gebäude hier, aber auch das finanziell risikoreichste. Zudem sind damit einige Auflagen des Denkmalamtes verbunden. Da hält sich die Planungseuphorie in Grenzen.

Wir würden das Gebäude gerne minimal sanieren. Also wirklich das Nötigste machen und versuchen, den Zeitgeist, der dort innewohnt, zu erhalten. Es gibt zum Beispiel eine alte Schmiede in dem Gebäude, die wunderschön ist. Der alte Blasebalg, die verrußten Wände … Ich würde den Raum gerne so in seiner Ursprünglichkeit erhalten und den Raum nutzbar machen, ohne ihm diese Besonderheit zu nehmen.

Wir schließen die Umsetzung aktuell nicht aus, konkrete Pläne bzw. eher Möglichkeiten aber haben sich noch nicht aufgetan.

Wie finanziert man so etwas – diese schrittweise Sanierung?

Diese Frage stellen wir uns selbst immer wieder. Meistens so wie die Sanierung: Schritt für Schritt.

Ihr lebt mit eurem Gut so richtig auf dem Land. Geht euch manchmal auch etwas ab?

Ab und zu eine bessere Internetverbindung wäre schon etwas, aber in ein paar Wochen erreicht sogar uns das Glasfasernetz – juhu! Und wenn man so einen arbeitsintensiven Alltag hat wie wir, wäre so ein Lieferdienst schon ein netter Luxus. Aber vielleicht besser so, sonst würde ich viel zu oft etwas bestellen, anstatt zu kochen 🙂

Habt ihr bei so viel Arbeit auch noch Freizeit für euch oder sieht man das Leben noch einmal anders?

„Suche dir eine Arbeit, von der du keinen Urlaub mehr brauchst.“ Diesen Spruch habe ich einmal irgendwo gesehen und der kommt mir gerade in den Sinn. Ja, es ist wirklich viel Arbeit, ja, es bringt uns regelmäßig an Grenzen. Und ja, ab und zu hätten wir gerne einfach ein freies Wochenende mit Ausschlafen und Frühstück am Bett.

Aber der Luxus, hier die für uns bestmögliche Vereinbarkeit von Familie und Beruf leben zu dürfen und zudem so unterschiedliche Aufgaben zu haben, überwiegen für uns definitiv. Und es macht auch wirklich Spaß. Man sieht, wie das Gut immer mehr Gestalt und Form annimmt. Zu sehen, was man mit den eigenen Händen schaffen kann, gibt viel Zufriedenheit.

Was war ein besonders schönes Erlebnis hier auf Gut Hötzing für euch?

Es ist eher eine Reihe von vielen kleinen Erlebnissen … Der erste Sommer am Hof. Als unser Sohn zum ersten Mal an einem der alten Apfelbäume hochgeklettert ist. Das Entdecken der verschiedenen Wildtiere, die hier leben. Wenn im Frühling der Wind über den Hof geht und einem tausende weißer Apfelblüten um die Nase wehen …

Es sind aber auch die kleinen Erfolge. Wenn ein Raum oder Bereich fertiggestaltet wurde. Die Freude und gelöste Stimmung auf einer Hochzeit miterleben. Oder entspannten Teilnehmerinnen und Teilnehmern nach der Yogastunde einen Kuchen mit Äpfeln aus dem eigenen Garten servieren.

Was möchtet ihr auf keinen Fall mehr missen?

Das Leben in der Natur und die Freiheit zu haben, eigene Ideen zu kreieren und umsetzen zu können.

Noch etwas, das euch wichtig ist, das euch am Herzen liegt?

Unsere Freunde und unsere Familie. Die bauen uns nicht nur wieder auf, wenn wir einmal einen herben Rückschlag erlebt haben. Sie helfen auch immer wieder mit und teilen mit uns die schönen Momente. Wir haben auch ein tolles Team an der Seite, das uns bei den größeren Events unterstützt.

 

Weitere Infos zu Gut Hötzing gibt es hier: https://www.gut-hoetzing.de/

 

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