Die Pandemie trifft verschiedene Länder unterschiedlich hart. Es ist in der westlichen Welt schon nicht einfach, in anderen Ländern wie Indien jedoch wirkt sich die Ausgangssperre noch einmal ganz anders aus. Als unsere Autorin Kristin Frauenhoffer erfuhr, dass in Indien eine komplette Ausgangssperre verhängt worden ist, wusste sie, dass sie etwas für die Menschen in ihrem Herzensland tun muss. Sie startete kurzerhand eine private Spendenaktion.
Ein persönlicher Bericht von Kristin Frauenhoffer
Wir leben gerade in einer surrealen Welt. Seit ein Virus unseren Alltag bestimmt, sind mit einem Mal viele Menschen bedürftig geworden. Sogar die, die nie gedacht hätten, dass sie einmal Hilfe von anderen bitter nötig haben würden. Die einen brauchen Hilfe, weil ihnen alle Aufträge wegfallen und sie bangen müssen, ihre Miete nicht mehr zahlen zu können. Die nächsten sehnen sich nach Entlastung im Familienalltag und haben großen Bedarf an Kinderbetreuung. Wieder andere haben das gegenteilige Problem: Ihnen fehlen soziale Kontakte, weil sie aufgrund der Ausgangsbeschränkungen ihre Freunde und Familie nicht treffen dürfen. Das betrifft neben Singles besonders auch ältere sowie gesundheitlich vorbelastete Menschen. Diese wiederum gehören zur Risikogruppe und haben zu Recht Angst, dass sie bei einer Ansteckung auf der Intensivstation landen.
Doch neben all dieser Bedürftigkeit, die nun inmitten unserer Gesellschaft entsteht, sind es wieder die Ärmsten der Armen, die am härtesten von den Einschränkungen betroffen sind, die die Pandemie mit sich bringt. Diejenigen, die sowieso schon wenig haben, die von der Hand in den Mund leben wie zum Beispiel die Tagelöhner und Wanderarbeiter in Indien.
Indien: Mein Herzensland im Katastrophenzustand. Ich muss helfen.
Als ich erfuhr, dass Indien am 25. März eine mindestens dreiwöchige, komplette Ausgangssperre für alle Menschen verhängt hatte, musste ich schlucken. Mir war sofort klar, dass das eine Katastrophe für Millionen von Menschen bedeutet. In Indien gibt es viele, die als Tagelöhner, als Wanderarbeiter oder auch in den kleinen Geschäften arbeiten. Sie leben quasi von der Hand in den Mund. Und nun wurde ihnen von heute auf morgen die Lebensgrundlage entzogen.
Sofort kam mir der Gedanke, dass ich etwas tun muss. Ich habe viel Zeit in diesem einzigartigen, verrückten und aufregenden Land verbracht. Neben vielen Freund*innen verbindet mich aber noch mehr mit Indien: Ich fühle eine tiefe emotionale Nähe zu den Menschen dort und ihrer Lebensart, zu ihrer Kultur, ihren Gebräuchen und ihrer ganz eigenen „typisch indischen“ Art. Deshalb hat es mich in den letzten Jahren immer wieder nach Indien gezogen und deshalb will ich, so gut es nur geht, helfen.
Für die Ärmsten der Armen könnte es fatal werden
Ich schrieb meinen Freund Sudarshan Sawale an, den ich vor mittlerweile 11 Jahren in einem Meditationszentrum in Indien kennen gelernt habe. Seitdem sind wir in Kontakt und das Meditieren verbindet uns. Er lebt in einer kleinen Stadt namens Bhandara im Bundesstaat Maharashtra nahe Nagpur. Ich fragte ihn, wie die Lage dort sei. Er sagte mir, dass es gerade für die Ärmsten der Armen fatal werden könnte, und das, obwohl es in seiner Stadt nur sehr wenige Corona-Fälle gibt. Viel schlimmer ist die Sorge vor einer Hungersnot.
Ich las mehrere Artikel. In einem von ihnen sagt zum Beispiel ein Mann in einem Slum: „Bevor uns Corona erwischt, werden wir verhungern.“ Mittlerweile hat Indien die Ausgangssperre um drei weitere Woche verlängert. Es fahren keine öffentlichen Verkehrsmittel, alle Geschäfte sind geschlossen und in manchen Gegenden, die in der so genannten „red zone“ (ein Gebiet mit besonders vielen Corona-Fällen) liegen, darf die Bevölkerung nur vor die Tür, um einkaufen zu gehen.
Keine Hilfe von der indischen Regierung
Gerade die Wanderarbeiter, die in den Städten auf Baustellen arbeiten, Kleinigkeiten auf der Straße verkaufen oder in privaten Haushalten helfen, haben nun nichts mehr zum Leben. Sie möchten zurück in ihre Dörfer, weil sie ihre Miete in der Stadt nicht mehr zahlen können, kommen aber nicht weg, weil keine Züge fahren. Ähnlich ergeht es den Arbeiter*innen, die in den umliegenden Dörfern leben. Sie können nicht mehr in die Stadt kommen, um dort zu arbeiten, und auf dem Dorf gibt es keine Arbeit. Unterstützung von der Regierung bekommen sie nicht, obwohl sie angekündigt war. Glücklicherweise gibt es auch in Indien Freiwillige, die helfen und zum Beispiel in Slums Essen verteilen. Für solche Menschen gibt es Sonderreglungen, was die Ausgangssperre betrifft. Sie dürfen, um anderen zu helfen, vor die Tür.
Unsere Spendenaktion: Schon 5 Euro helfen einer Familie für eine Woche
Mein Freund Sudarshan ist so jemand. Er hat ein großes Herz und setzt sich leidenschaftlich für andere ein. Er hat sich vor einem Jahr dazu entschlossen, einen spirtituellen Weg zu gehen und das weltliche Leben hinter sich zu lassen. Seitdem hat er mehrere buddhistische Klöster in Asien besucht. Aber wie das Leben manchmal spielt, musste er seinen Plan ändern, denn sein Vater erkrankte an Alzheimer und ist seit einem Unfall bettlägerig. Ich berichtete ihm von meiner Idee, eine Spendenaktion hier in Deutschland zu starten und er war sofort begeistert. Ich versprach ihm, mein Möglichstes zu tun und ihn zu unterstützen – mit den Mitteln, die mir zur Verfügung stehen: also mit Geld.
Wir entwarfen einen Plan, wie wir den Menschen am schnellsten helfen könnten. Sudarshans Idee ist, ein Lebensmittelpaket zu schnüren, das eine kleine Familie für rund eine Woche verpflegen kann. Enthalten sind Reis, Linsen, Öl, Mehl, Seifen und Gewürze. Ein Paket kostet ungefähr 5 Euro. Er nahm Kontakt zu einer lokalen Nichtregierungsorganisation auf, um eine Liste von bedürftigen Personen zu erhalten. Ein Regierungsbeamter, der beim nationalen Notfalldienst arbeitet, wohnt in Sudarshans Haus. Er half ihm, alle administrativen Schritte einzuleiten, damit Sudarshan möglichst schnell die Waren einkaufen, verpacken und schließlich verteilen kann.
Überwältigende Resonanz und leidenschaftliches Engagement
Ich verfasste in der Zwischenzeit einen Spendenaufruf, den ich an meine Freund*innen und meine Familie schickte. Die Resonanz war überwältigend! Fast jede*r spendete. Schon 5 Euro helfen einer kleinen Familie für eine Woche. Sehr schnell waren über 700 Euro zusammengekommen, und ich habe Sudarshan die erste Summe bereits überweisen können. Er hat inzwischen alle behördlichen Schritte durchlaufen, seine zwei Brüder und Schwager zusammengetrommelt. Schließlich wollte er Lebensmittel in Mengen einkaufen, die man alleine nicht bewältigen kann. Inzwischen hat er über 800 Kilo Reis, 100 Kilo Öl und Mehl eingekauft. Diese Mengen müssen transportiert werden. Sudarshan hat kein Auto, deshalb erledigte er seine Fahrten mit einer Auto-Riksha. Und das alles bei Außentemperaturen von über 40 Grad. In Indien hat der Sommer schon begonnen. Bei soviel persönlichem Engagement geht mir das Herz auf. Sudarshan sagt: „Ich bin überzeugt, dass menschliches Leben seinen Wert erst dadurch gewinnt, wenn wir anderen helfen.“
„Metta Sangha“: Die „Gemeinschaft der mitfühlenden Liebe“ erwacht zum Leben
Innerhalb von vier Tagen organisierte Sudarshan zusammen mit seinen Helfer*innen alle Lebensmittel, stellte die Pakete zusammen und hat mittlerweile schon 50 davon verteilt. Weitere 100 Stück fährt er in diesen Tagen aus. Dafür hat er sich einen kleinen Lieferwagen gemietet. Bei der Verteilung der Pakete sei er schon ab und zu sehr emotional, erzählt mir Sudarshan. „Es bricht mir das Herz, wenn ich die Schicksale mancher Menschen hier sehe“, sagt er.
Auf dem Weg zu einer Regierungsbehörde trafen sie zum Beispiel zwei Kinder, die beide Eltern verloren haben. Das Mädchen verkauft normalerweise Stöcke in der Stadt. Nun kann sie nicht mehr arbeiten und Sudarshan gab ihnen ein Verpflegungspaket, das sie dankbar annahmen. Er wurde auch gefragt, welche Organisation hinter der Spendenaktion stehe. Da dachte er sich kurzerhand einen Namen aus und nun heißt unsere Aktion „Metta Sangha“. „Metta“ bedeutet soviel wie „mitfühlende Liebe“ und „Sangha“ ist die Gemeinschaft. Beide Worte werden im Buddhismus benutzt. Wir sind nun also die „Gemeinschaft der mitfühlenden Liebe“. So werden wir auch in dem Zeitungsartikel genannt, der in der indischen Presse veröffentlicht werden soll.
Die Spendenaktion für Indien geht weiter, so lange wie nötig.
Ich werde ihm nun die weiteren Spenden – immerhin noch einmal 1.300 Euro – überweisen, damit er möglichst schnell weitere Menschen beliefern kann. Die Spendenaktion soll weiterlaufen, zumindest so lange, bis die Ausgangssperre aufgehoben wird und die Menschen wieder arbeiten und reisen können. Wir denken darüber nach, die Lebensmittelverteilung auf andere Städte auszuweiten. Ich habe glücklicherweise auch einige Freund*innen in Mumbai, Pune und Chennai.
Wir freuen uns deshalb auch weiterhin über jede Spende – und sei sie noch so klein. Ich verspreche euch, dass eure Spenden wirklich gut investiert werden und jeder Cent bei den bedürftigen Menschen in Indien ankommt. Das heißt natürlich nicht, dass man nicht auch hier in Deutschland und in anderen Ländern für bedürftige Menschen da sein sollte. Im Gegenteil: In dieser schwierigen Zeit sollten wir alle zusammenhalten und uns gegenseitig unterstützen. Das macht uns stark und zu einer wirklich menschlichen Gesellschaft.
Eure Spenden könnt ihr gerne über PayPal an meine private E-Mail-Adresse senden:
krispies84@yahoo.de
Oder als Banküberweisung an folgendes Konto mit dem Verwendungszweck „Indien helfen“:
Inhaberin: Kristin Frauenhoffer
Bank: DKB
IBAN: DE57 1203 0000 1006 1991 19
BIC: BYLADEM 1001
Vielen lieben Dank an euch alle!
Auch hier ist jede Spende willkommen, damit die Kinder während der Pandemie überleben.
Bildung ist der beste Weg, um Fluchtursachen entgegenzuwirken
2 Antworten
Das ist so toll, dass Krissi dieses Projekt mit initiiert hat. Ich habe es bereits auf vielen Wegen weitergeleitet und hoffe, es kommen noch viele Spenden zusammen, die den Leuten vor Ort helfen!!!
Liebe Isabel, vielen Dank für dein Feedback, das immer sehr erwünscht ist 🙂 Vielen Dank auch fürs Weiterleiten. Ich hoffe sehr, dass wir noch vielen Menschen helfen können <3
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