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Das Marta Herford macht Kunst für blinde und sehbehinderte Menschen inklusiv erlebbar

Durch das Konzept besonderer inklusiver Führungen im Kunstmuseum Marta Herford bekommen blinde und sehbehinderte Menschen lebendige Eindrücke in Kunst – auch wenn ihr Sehvermögen eingeschränkt ist.
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von Petra Bartoli y Eckert

Über Kunst lässt sich im Marta Herford in Ostwestfalen – einem Museum für Kunst, Architektur und Design – nicht streiten. Nicht nur, weil da Werke namhafter Künstler*innen ausgestellt werden, sondern weil auch blinde Menschen dort auf ihre Kosten kommen.

Das Marta Herford beeindruckt! Schon von außen bringt das Museum Besucher*innen zum Staunen. Das Gebäude zählt zu den ungewöhnlichsten Museumsbauten weltweit: rote Backsteinmauern, geschwungenes Edelstahldach, weißer Gebäudekern. Im Inneren erwartet Interessierte dann zeitgenössische Kunst, viel Werke großformatig.

 

Damit Kunst für alle zugänglich ist

All das bleibt Menschen, die nicht sehen können, in der Regel verwehrt. Nicht so im Marta Herford. Das Museum hat ganz besondere Führungen konzipiert, bei denen Kunst für blinde und sehbehinderte Menschen erlebbar wird.

Wie sieht das Konzept dieses inklusiven Angebotes aus und wie wird es angenommen? Angelika Höger, die im Museum Marta Herford Führungen für blinde und sehbehinderte Menschen durchführt, erzählt mehr.

 

Wie lange gibt es das Marta Herford schon? Und was erwartet Besucher*innen, die Ihr Museum besuchen?

Das Museum wurde 2005 eröffnet. Frank Gehry, ein amerikanischer Stararchitekt, hat das ungewöhnliche Bauwerk mit seinen fließenden und kippenden Wänden entworfen. Von außen sind es die geschwungene Fassade aus dunkelroten Backsteinen und die wogende Dachlandschaft aus Edelstahl, die sofort auffallen. Im Inneren erwartet die Besucher*innen ein besonderes Raumerlebnis. Die hellen, weiß verputzten Wände scheinen zu tanzen. Gezeigt wird hier zeitgenössische Kunst in vielen Facetten. Dabei gibt es immer wieder Bezüge zu Architektur und Design.

 

Im Marta Herford gehen Sie andere Wege. Nicht nur, was die Optik des Museums betrifft. Auch Ihr Angebot ist nicht alltäglich: Sie bieten Führungen für blinde und sehbehinderte Menschen an. Wie ist die Idee entstanden und wie lange gibt es diese Führungen schon?

Uns war von Anfang an klar, dass wir ein barrierearmes Museum sein wollen und daher bei unserer Vermittlungsarbeit auch auf Menschen mit besonderen Bedürfnissen eingehen möchten. Schon wenige Wochen nach der Eröffnung des Museums fanden die ersten Führungen für blinde und sehbehinderte Menschen statt. Seitdem gehören diese Führungen fest in unser Programm.

Hier in der Region gibt es mehrere Museen, die solche Führungen anbieten. Wir Mitarbeiter*innen sind untereinander in einem konstruktiven Austausch über unsere Erfahrungen und aktuelle Entwicklungen. Wir hospitieren auch bei Kolleg*innen in anderen Häusern, um lebendige Eindrücke zu bekommen.

Außerdem stimmen wir uns ab, wann wir unsere Termine anbieten. So vermeiden wir, dass sich Termine überschneiden und können ein ausgewogenes Programm anbieten. Schließlich sind es oft dieselben Menschen hier in der Region, die Führungen in verschiedenen Museen besuchen möchten.

 

Gibt es ein bestimmtes Konzept für diese Führungen?

Im Museum Marta Herford zeigen wir ausschließlich Wechselausstellungen. Es gibt also keine Ausstellung, die dauerhaft ist. Jede Ausstellung ist anders. Damit muss auch für jede Führung neu überlegt werden, wie wir die aktuellen Kunstwerke am besten vermitteln können. In der Regel sind nicht alle Personen, die an der Führung teilnehmen, blind. Viele haben Sehbeeinträchtigungen anderer Art. Oft bringen die Teilnehmer*innen auch sehende Begleitpersonen zu den Führungen mit. Alle Personen sind in die Führung mit einbezogen, können Fragen stellen oder Anmerkungen machen. So kann sich im Gespräch auch ein Austausch über die individuellen Wahrnehmungen der ausgestellten Kunstwerke entwickeln.

Zusammen mit persönlichen Ansichten zum Thema entwickelt sich meist ein lebendiger Dialog. Ein Ausstellungsbesuch mit Museumsführung ist immer auch ein soziales Ereignis. Die Teilnehmenden verabreden sich und planen den Museumsbesuch gemeinsam. Beim Besuch selbst treffen sie auf andere Menschen, die sich ebenfalls für die Ausstellung interessieren. In der Gruppe gibt es Diskussionen über den Gehalt und die Aussagekraft der ausgestellten Kunst. Es entwickeln sich Gespräche über persönliche Ansichten auf Themen der Ausstellung und angrenzende Bereiche. Vielleicht werden auch Erinnerungen an eigene Erfahrungen geweckt und miteinander geteilt.

 

Welche Kunstwerke sind besonders interessant für Führungen für blinde und sehbehinderte Menschen?

Ich glaube, es ist gerade die große Vielfalt der Kunst, die so interessant ist. Da gibt es unendlich viel zu entdecken. In unseren Ausstellungen zeigen wir meist zeitgenössische Kunst. Hier kommen ungemein viele verschiedene Medien und Techniken zum Einsatz. Neben den klassischen Genres wie Malerei, Zeichnung, Druckgrafik und Skulptur bauen die Künstler*innen hier im Museum Rauminstallation, die teilweise eigens für diese eine Ausstellung entwickelt wird. Sie zeigen Filme, bauen kinetische Objekte oder arbeiten mit Klang. Die Kunstwerke sprechen also nicht alle nur den Sehsinn an, sie sind teilweise auch hör- oder begehbar.

Grundsätzlich geht es bei unseren Führungen für Menschen mit Sehbeeinträchtigungen immer darum, Barrieren in der Wahrnehmung auszugleichen. Wenn beispielsweise ein Bild an der Wand hängt, das eine blinde Person nicht sehen kann, dann ist eine ausführliche Bildbeschreibung das Mittel der Wahl. So bekommt der oder die Betrachter*in eine Vorstellung davon. Bei einem Film ist der Ton zu hören, aber die Handlung muss beschrieben sein.

Es ist selten möglich, dass Kunstwerke angefasst werden können. Bei einem zweidimensionalen Gemälde wäre das zum Beispiel auch gar nicht sinnvoll. Ich spreche bei jeder neuen Ausstellung immer mit der Ausstellungsmanagerin darüber, ob es einzelne Werke gibt, die die Teilnehmenden berühren dürfen. Manchmal gibt es in einer Ausstellung tatsächlich mehrere Werke, bei denen das möglich ist.
Dann können die Beschreibungen durch das sinnliche Erleben des Abtastens bereichert werden. Manchmal gibt es Werke, die eine empfindliche Oberfläche haben, aber nicht besonders zerbrechlich sind. Die dürfen wir dann nur mit Stoffhandschuhen berühren, um die Oberfläche zu schützen.

 

Wie werden die Führungen für blinde und sehbehinderte Menschen angenommen? Gibt es Rückmeldungen dazu?

Die Führungen werden sehr gut angenommen. Wir haben viele Besucher*innen, die zu jeder Ausstellung kommen. Manche melden sich sogar extra ab, wenn sie einmal einen Termin nicht schaffen. Im Laufe der Jahre hat sich so ein Kreis regelmäßiger Teilnehmer*innen gebildet. Aber es kommen auch immer wieder neue Leute dazu. Außerdem bringen manche sehbehinderte Menschen immer wieder andere Begleitpersonen mit. So erweitert sich der Kreis stetig.

 

Die nächsten Führungen für blinde und sehbehinderte Menschen im Marta Herford

Noch eine Information für alle Interessierten: Die nächsten Termine für öffentliche Führungen 2023 für blinde und sehbehinderte Menschen im Museum Marta Herford sind am Samstag 18.03., 13.05., 08.07., 09.09. und 18.11., jeweils von 14.00 bis 15.30 Uhr. Das Ticket kostet 3,50 Euro zzgl. Eintritt (mit Anmeldung, begrenzte Teilnehmer*innenzahl)

 

Mehr über Marta Herford, Museum für Kunst, Architektur und Design, findet sich hier: https://marta-herford.de/

 

Dieser Beitrag ist urheberrechtlich geschützt.

 

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