Interview: Gerda Stauner
Von Deutschland aus bis nach Westafrika zu reisen, ohne ins Flugzeug zu steigen, ist schon ein Abenteuer für sich. Als fahrbaren Untersatz einen Oldtimer-Lkw zu wählen, ist nochmal eine ganz besondere Herausforderung. Berit Hüttinger hat ihre Reiseerfahrungen im Buch „Mit dem Oldtimer durch Westafrika: Wüste, Voodoo, Viren, Federbruch“ festgehalten. Mit einem umgebauten Mercedes Rundhauber als Reisemobil, den sie „Frau Scherer“ taufte, zog sie aus, um Westafrika zu erkunden. Ihre Idee: bis zum Vodoo-Festival nach Benin, wieder zurückreisen und unsere komfortverwöhnte Welt für ein Jahr hinter sich lassen. Doch leider ging der Plan nicht ganz auf. Corona, ein Federbruch und andere Hindernisse kamen dazwischen. Doch Berit Hüttinger ließ sich davon nicht beirren und versuchte, das Beste aus den unvorhersehbaren Situationen zu machen.
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Berit, du warst nicht alleine unterwegs. Wie sah eure kleine Reisegruppe aus und wie seid ihr auf die Idee gekommen, euch gemeinsam eine Auszeit zu nehmen?
Auf unserer letzten Reise durch Westafrika war ich tatsächlich nur mit meinem Mann Heppo und unserem Hund Sidi unterwegs. Unser Reisemobil ist ein sechziger Jahre alter Oldtimer, ein Mercedes Kurzhauber, heißt Frau Scherer und benimmt sich manchmal wie eine etwas zickige alte Dame. So gesehen waren wir also tatsächlich irgendwie zu viert. Du spielst aber wahrscheinlich auf unsere erste größere Reise durch Zentralasien (2014/2015) an. Da hatten wir einige Monate unseren Freund Matthias mit dabei, der im Dachzelt wohnte. Auf Dauer wurde das aber etwas eng, so dass wir uns dieses Mal dafür entschieden haben, wieder nur in unserer gewohnten Paar-Situation zu verreisen. Heppo und ich sind ein sehr gutes Team.
Im Oldtimer durch Westafrika: Wie verlief eure Route? Wie lange dauerten die Planungen im Vorfeld?
Wir hatten uns bewusst „nur“ auf Westafrika beschränkt. Das sind die Länder, die von der Sahelzone im Norden und vom Atlantik im Süden und Westen begrenzt sind. Etwas vereinfacht gesagt, der Bauch des Kontinents Afrika. Wir planten, durch Marokko über Mauretanien nach Mali zu reisen, weiter durch die Elfenbeinküste und Ghana bis nach Togo und Benin und an den Küstenländern via Senegal und Gambia zurück.
Ich beschäftige mich ja schon immer Jahre im Voraus mit interessanten Reisezielen. Von daher war bald klar, dass wir uns für Westafrika eine gewisse Flexibilität erhalten müssen und nicht alles perfekt planen können. Hier ändern sich Situationen einfach relativ schnell, sei es politisch oder durch andere Unwägbarkeiten …
Lagen auch Länder oder Gebiete auf eurem Reiseweg durch Westafrika, die gefährlich waren?
Ja, da passt auch diese Frage dazu. Guck mal auf die Website des Auswärtigen Amtes und sieh bei Ländern wir Mali oder Elfenbeinküste nach … Da wird dir schnell ganz anders. Da gibt es politische Umbrüche (seit 2020 bereits zwei Putsche in Mali) und schlimme Krankheiten bei extrem schlechter Versorgungslage. Gerade bei der Durchfahrt durch Mali haben wir bis zuletzt gezögert und schließlich absolute Vorsicht walten lassen. Das heißt, wir haben nie wild gecampt, sondern jede Nacht an ein Hotel angedockt.
Andererseits hat uns Mali aber extrem begeistert. Wir waren zwei Wochen am Stück in Bamako und haben fast jede Nacht einen Club mit Livemusik besucht. Heppo, der selbst Schlagzeug spielt, hatte bereits am zweiten Tag private Kontakte zur Musikszene der Hauptstadt geknüpft. Er hatte bald sogar einen Auftritt in einer zauberhaften Location – im Le Lac de Lassa, einer verspielten afrikanischen Villa mit tollem Garten hoch über der Stadt.
Gab es auch brenzlige Situationen in Westafrika?
Zum Glück nicht. Wir haben meist ein gutes Bauchgefühl und ergänzen uns in unserer Mischung aus Abenteuerlust und Vorsicht. Dabei wechseln wir uns auch ab, mal bin ich die Vorsichtige, mal ist es Heppo. Tatsächlich wurden wir auf unseren mehrmonatigen Reisen noch nie bestohlen, während unser alter VW-Bus (das Vorgängerreisemobil) zuhause bereits zweimal geknackt wurde. Oft erfahren wir unterwegs so viel positive Aufmerksamkeit, Hilfestellung und Entgegenkommen, dass wir regelmäßig beschämt sind über unsere Vorurteile und unser Misstrauen.
Ihr musstet eure Reise wegen Corona frühzeitig abbrechen. Welche Erkenntnisse hast du mit nach Hause gebracht?
Auch hier waren wir echt überrascht: Während es von zu Hause hieß, es gäbe keine Masken und Desinfektionsmittel, waren die Leute in der Elfenbeinküste (wir waren bereits wieder auf dem Rückweg) da echt auf Zack. Viele trugen Masken, und vor jedem Geschäft stand jemand, der dir glibberiges, blaues Desinfektionsgel in die Hände drückte. Durch die Erfahrungen mit der hochansteckenden Krankheit Ebola waren hier alle bestens auf eine derartige Situation vorbereitet.
Durch eure vielen Auslandsaufenthalte seid ihr ja schon richtige Reiseprofis. Wie sieht euer Alltag aus, wenn ihr mit Frau Scherer, eurem Oldtimer, unterwegs seid?
Wir kaufen so gut wie nie Wasser, weil wir keine zusätzlichen Plastikflaschen in die Welt bringen wollen, die dann irgendwann nur im Meer landen würden. Von daher verbringen wir manchmal viel Zeit damit, Wasser zu suchen und zu filtern, so dass wir es gefahrlos trinken können.
Auch unsere Fahrzeiten dürfen nicht unterschätzt werden. Wir reisen mit einer durchschnittlichen Reisegeschwindigkeit von 29 Kilometer pro Stunde – in Bewegung wohlgemerkt! Und dann ist da noch die tägliche Stellplatzsuche. Aber der Weg ist das Ziel und bei all diesen Situationen erleben wir immer sehr viel Schönes. Ein Gespräch an der Quelle, wo wir uns wie alle anderen mit unseren Kanistern anstellen. Oder ein traumhafter Stellplatz in der Wüste, wo wir nachts kleine agile Echsen beim Klettern in den kargen Büschen beobachten.
Gibt es etwas, das du nach längerer Zeit in eurem mobilen Zuhause vermisst?
Unterwegs vermisse ich oft Freunde und gute Gespräche. Wir lernen zwar viele Leute kennen, aber so richtig tief wird es eher selten. Dafür fehlt dann leider oft die Zeit.
Und ganz am Anfang einer Reise kommt immer die Phase, in der ich bei Heißhunger an Brezen denken muss. Was ich sehr genieße, ist die Ungebundenheit des Reisens und den Luxus, keine (unangenehmen) Briefe öffnen zu müssen.
Welchen Tipp würdest du jemandem mit auf den Weg geben, der sich, so wie du und Heppo, für eine gewisse Zeit von unserer komfortverwöhnten Welt verabschieden möchte?
So eine Reise ist sicherlich nicht für jeden etwas. Aber wer grundsätzlich Lust auf Abenteuer hat, wird schnell herausfinden, dass er einen Großteil der Dinge gar nicht vermissen wird. Die allermeisten Menschen, die wir bisher auf unseren Reisen getroffen haben, besitzen so viel weniger als wir in Deutschland oder Europa. Das rückt den Blick zurecht, wenn wir Zuhause mal wieder auf das frustrierende Vergleichsspiel mit unseren Nächsten hereinzufallen drohen. Wir haben ein fast sechzig Jahre altes Reisemobil und keinen neuen Toyota Landcruiser. Wir wohnen auf einem gepachteten alten Hof und nicht in einer schicken Eigentumswohnung. So what? Wir haben so viel und sollten sehr dankbar dafür sein, dass wir auf der Sonnenseite des Lebens geboren worden sind.
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Berit Hüttinger ist Autorin, Grafikdesignerin und Illustratorin und hat bereits zwei Reisebücher veröffentlicht. 2018 erschien „Roadtrip mit Frau Scherer“ bei Delius Klasing und 2022 wurde „Mit dem Oldtimer durch Westafrika“ beim Motorbuch Verlag veröffentlicht. Berit Hüttinger hält auch Reisevorträge, das nächste Mal am 30. Juni in der Buchhandlung Carl Mayr in Amberg.
Mehr über Berits Arbeit erfahrt ihr hier: https://polymorph-design.de/
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