von Gerda Stauner
Als ich vor eineinhalb Jahren im unbewohnten Elternhaus meines Mannes stand, hatte ich noch keine Ahnung davon, was mit einem Umbau auf uns zukommen würde. Damals träumten wir tatsächlich davon, dort bereits nach sechs Monaten Sanierung Weihnachten feiern zu können. Diese utopische Idee mussten wir schnell aufgeben und ich jede Woche aufs Neue lernen, geduldig zu bleiben.
Als mein Mann mit der Idee ankam, sein Elternhaus zu sanieren, war ich alles andere als begeistert. Ich wollte das Projekt zwar nicht verhindern, sagte ihm aber, dass ich mich raushalten würde und er es alleine umsetzen müsse. Doch nach und nach fand ich doch Gefallen an der Idee und begleitete ihn schließlich an einem Wochenende, um das Haus in einem kleinen, abgeschiedenen Dorf auszuräumen. Dann begann der schwierige Teil: Durchbrüche mussten gemacht, Fenster zugemauert und neue Wände eingezogen werden. Zu diesem Zeitpunkt hatten wir noch die, wie sich später herausstellte, unrealistische Vorstellung, nach einem halben Jahr Umbau dort Weihnachten feiern zu können. Doch nach und nach wurde uns klar, dass wir eine Menge Handwerker brauchen würden, die uns bei der Sanierung unterstützten.
Warten auf der Baustelle
Und an dieser Stelle begann ich gezwungenermaßen, mich meiner größten Schwäche zu stellen: meiner Ungeduld. Denn wir waren nicht die einzigen, die auf der Suche nach einem Mauerer, einem Dachdecker, einem Heizungsbauer oder einem Elektriker waren. Wenn man nicht gerade an einem Großprojekt arbeitet, ist es nicht ganz einfach, Handwerker zu bekommen. Doch wir hatten großes Glück und fanden nach längerem Suchen regionale Betriebe, die die Arbeiten übernehmen wollten. Was wir aber nicht bedacht hatten: Die Handwerker planten teilweise Monate im Voraus und konnte deshalb nicht sofort mit den Arbeiten beginnen. Drei Monate nach Baubeginn wurde uns klar, dass wir Weihnachten wohl in unserer Wohnung und nicht im Elternhaus meines Mannes verbringen würden.
Urlaub statt Umbau
An dieser Stelle kam Stillstand in unser Vorhaben. Da wir viele Arbeiten nicht mehr selbst machen konnten, und die Handwerker uns noch nicht eingeplant hatten, orientierten wir uns kurzerhand um. Gemäß dem Motto „Das Gras wächst auch nicht schneller, wenn man daran zieht“ packten wir unsere Sachen, um uns auf den Weg zu unserem Neffen nach Norwegen zu machen. Wir wollten ihn schon seit Längerem in seiner Hütte besuchen und nutzten die Gelegenheit.
Als wir wieder zurückkamen, begannen die ersten Betriebe mit ihrer Arbeit am Haus. Die neue Raumaufteilung ließ erahnen, wie es einmal aussehen würde und ich träumte von den nächsten Sommerferien, die ich hier verbringen würde. Doch als wir kurz vor Weihnachten den Keller aufgraben und Abflussrohre installieren mussten, schien die Fertigstellung in weite Ferne zu rücken. Schließlich versetzte uns auch noch der Dachdecker und vertröstete uns auf das neue Jahr.
Und immer wieder: warten
Doch der Dachdecker kam nicht im Januar und auch nicht im Februar. Schließlich wurde es Frühjahr, und meine Ungeduld wuchs und wuchs. Zum Glück begann der Heizungsbauer wie abgesprochen mit seiner Arbeit, und im Haus ging wieder etwas vorwärts. Als nach Ostern dann endlich das Dach neu gedeckt war, fing ich wieder zaghaft an davon zu träumen, den Sommer im Haus verbringen zu können. Doch dann wurde der eine Handwerker mit seiner Arbeit nicht rechtzeitig fertig, weshalb der andere nicht mit seinem Gewerk beginnen konnte. Jede Woche mussten wir einen neuen Plan machen, uns abstimmen und alles wieder auf null setzen.
Es gab immer wieder Situationen, in denen meine Ungeduld überhandnahm und ich zu zetern begann. Mein Mann holte mich dann meist wieder auf den Boden zurück und mir wurde irgendwann klar, dass meine Aufregung überhaupt nichts brachte. Wenn ich nun einen Anruf bekomme, dass sich eine Arbeit verzögert, schicke ich nur noch eine kurze Nachricht an meinen Mann und denke nicht weiter darüber nach. Das Leben mit einer Baustelle hat mir letztlich geholfen, meine größte Schwäche einigermaßen in den Griff zu bekommen.
Endlich fertig? Noch nicht ganz
Ich würde mich zwar immer noch nicht als geduldigen Menschen bezeichnen. Aber mich bringen unerwartete Veränderungen mittlerweile nicht mehr so stark aus der Fassung, als dies noch vor 18 Monaten der Fall war. Nun gehe ich durch unser Haus und sehe, was wir alles geschafft haben. Und die vielen Kleinigkeiten, die noch nicht erledigt sind, bereiten mir keine Sorgen mehr. Wenn wir nun Weihnachten endlich dort feiern werden, ist es egal, ob die Treppe einen neuen Belag hat oder ob der Windfang gestrichen ist. Wichtig ist, dass ich mit meiner Familie in unserem Haus sein werde und wir zusammen die Herausforderung eines sehr komplexen Umbaus gemeistert haben.
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Zum Podcast „Ich lerne das Warten“ von MDR Wissen geht es hier: https://www.mdr.de/wissen/podcast/challenge/geduld-ueben-warten-lernen-100.html
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