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SONNENTOR:
„Das beste Vorbild für ein Unternehmen ist die Familie.“

Sonnentor mit Sitz in Niederösterreich macht vor, dass man auch anders erfolgreich wirtschaften kann, indem man sich auf das Wir und gemeinsame Wohl ausrichtet und nicht auf den schnellen Profit.
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von Gastautorin Claudia Eisenrieder

Die Geschäftsführung von SONNENTOR

Werte wie Offenheit, Kooperation, Mitentscheidung und Solidarität bestimmen das unternehmerische Handeln von SONNENTOR-Gründer Johannes Gutmann. Sie haben die Bio-Kräuterhandelsgesellschaft zu einem sehr erfolgreichen Unternehmen wachsen lassen. Mehr als 900 Produkte werden in eigenen SONNENTOR Geschäften, in Bioläden und im Onlinehandel vertrieben. Insbesondere in Österreich, aber auch in Deutschland und 50 weiteren Ländern sind die biologischen Tee-Kräuter und Gewürze geschätzt. Und obwohl SONNENTOR ständig wächst, fragt der eigensinnige Andersmacher Johannes Gutmann konsequent: „Brauchen wir wirklich immer mehr und mehr? Macht uns Konsum glücklich? Und was ist eine Alternative zur Monsterwirtschaft?“ Im Interview mit Claudia Eisenrieder beantwortet er diese Fragen auf seine Weise.

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Herr Gutmann, in den Werbeanzeigen Ihres Unternehmens heißt es oft: „Und er heißt auch noch Gutmann!“ Was ist für Sie ein guter Mann bzw. ein guter Mensch?

Ein Mensch, der nachhaltig lebt. Ein guter Mensch achtet den Traditionsvertrag. Er blickt in einer wertschätzenden Weise auf die Welt. Er berücksichtigt die Wirkungsketten und sieht, wie sein Handeln die Menschlichkeit, das Klima und die Diversität beeinflusst. Einen guten Menschen leitet nicht die Gier, sondern das Wohl aller.

Als „der Gutmann“ habe ich viel von meinen Eltern gelernt. Das waren bescheidene Bauern, die immer den Kreislauf der Natur mitdachten und einen starken lokalen Bezug hatten. Sie wussten, was ihren Böden guttut und wie sie am besten damit arbeiten. Ihr Wirtschaften war immer auf das „Wir“ ausgerichtet, auf das Wohl der Familie und nicht auf den schnellen Profit.

 

"Unsere Firmenphilosophie im Sinne der Gemeinwohl-Ökonomie:
Wenn man das, was man hat, miteinander teilt, geht es allen gut."

Wie zeigt sich dieser gute Mensch bei SONNENTOR?

Da möchte ich kurz auf meinen Anfang als Unternehmer zurückkommen: Ich habe quasi als Arbeitsloser gestartet und hatte kein Geld. Und so habe ich gemerkt, was meine wirklichen Bedürfnisse sind und was mich begeistert. Dann habe ich überlegt, wie ich aus dieser Begeisterung heraus meine Existenz aufbauen kann. Ziemlich schnell wurde mir klar, dass das beste Vorbild für ein Unternehmen die Familie ist: wenn man wie eine Familie agiert, das heißt, wenn man langfristig aufeinander Acht gibt, gerne miteinander arbeitet, miteinander spricht und gemeinsam isst. Und wenn man auch das, was man hat, miteinander teilt, dann geht es allen gut. Dann entsteht nicht nur Familiensinn, sondern auch das Vorbild für eine Firmenphilosophie, in der stimmige und nachhaltige Wertschöpfungs- und Wirtschaftskreisläufe wirken.

Wir bei SONNENTOR haben von Anfang an wie eine Familie miteinander gearbeitet. Darum wirtschaften wir erfolgreich und erreichen unsere Ziele. Wichtig ist, dass wir nicht nur in allgemeinen Wachstumsphasen gut dastehen, sondern auch in Krisenzeiten. Gerade die Corona-Jahre haben uns deutlich unsere Resilienz gezeigt.

 

Ihr Unternehmen folgt dem ethischen Wirtschaftsmodell der Gemeinwohl-Ökonomie. Wie wirtschaften Sie?

Wir haben von Anfang an nach den Grundlagen dieses Wirtschaftsmodells gearbeitet. Nur habe ich vor 35 Jahren nicht gewusst, dass das Gemeinwohl-Ökonomie heißt (lacht). Für mich hieß es eben familiär. Aber der Gemeinwohl-Ansatz hat mir beigebracht, dass man die Nachhaltigkeit messbar und auch vergleichbar machen kann. Die Erfolgskriterien sind in Form einer Gemeinwohl-Bilanz niedergeschrieben.

Wir definieren unser Arbeiten mit Hilfe der Gemeinwohl-Matrix. Entlang von Werten und sozialen Gruppen ist darin unser unternehmerisches Handeln gegliedert. Die zentralen Werte sind Menschenwürde, Solidarität und Gerechtigkeit, ökologische Nachhaltigkeit sowie Transparenz und Mitentscheidung. Die Gruppen, mit denen wir in Berührung kommen, sind Lieferant*innen, Eigentümer*innen und Finanzpartner*innen, Mitarbeitende, Kund*innen, Mitunternehmen sowie das gesellschaftliche Umfeld. Aus den Schnittmengen der Werte und Gruppen entstehen dann 20 konkrete Handlungsfelder. Mit diesen können wir unseren Beitrag zum Wohl der Menschen und des Planeten berechnen. Zudem ist die Matrix ein Messinstrument für unserer ethisches Verhaltens.

 

Die Gemeinwohl-Ökonomie wurde 2010 in Österreich von Christian Felber als alternatives Wirtschaftsmodell entwickelt. Bis heute haben sich über 1.000 Unternehmen in 35 Ländern diesem Modell verpflichtet. SONNENTOR arbeitet seit 2011 mit der Gemeinwohl-Bilanz. Sie sind also ein Pionierunternehmen. Was hat Sie so schnell von dieser Art des wirtschaftlichen Denkens und Handelns überzeugt?

2008 habe ich unseren ersten Nachhaltigkeitsbericht geschrieben und mich im Land für einen Nachhaltigkeitspreis beworben. Der Gewinner des Wettbewerbs war dann der österreichische Mineralöl-, Gas- und Chemiekonzern OMV. Dadurch habe ich den Glauben an die Nachhaltigkeitsberichte verloren.

Kurz darauf durfte ich Christian Felber und seine Idee der Gemeinwohl-Ökonomie kennenlernen. Ich war begeistert. Warum? Ich habe festgestellt, dass ich mit diesem Wirtschaftsmodell unsere Mitarbeitenden abholen kann. Ich bitte sie an einen Tisch und öffne mich als Unternehmer einer demokratischen Struktur der Mitwirkung und Mitbestimmung. Persönlich habe ich erkannt, dass ich mit vielen kritischen Fragen nicht allein bin. Und mehr noch, dass uns die Kooperation im Haus, die gemeinsame Diskussion einen Schub in die richtige Richtung geben kann.

 

„Obwohl oder gerade weil wir uns gegen schnelle Spekulationsgewinne entscheiden, wachsen wir ständig.“

Wie hat sich das ausgewirkt?

Im Rückblick kann ich sagen, dass mir durch diese kooperativen Entscheidungsprozesse viele Dummheiten erspart geblieben sind, die ich seinerzeit als Unternehmer gerne umgesetzt hätte. Der konstruktive Input meiner Mitarbeitenden ist ein riesiges Gut. Mit dieser Erfahrung und fundiert durch die katastrophalen globalen Entwicklungen kann ich sagen, wir bleiben uns treu. Wir folgen nicht den gängigen kapitalistischen Lehrbüchern, sondern dem Prinzip der Sinnvermehrung anstelle der Gewinnvermehrung. Unsere Sinnkriterien stehen deutlich in der Bilanz. Und obwohl oder gerade weil wir uns gegen schnelle Spekulationsgewinne entscheiden, wachsen wir ständig. Wir sind international tätig und heute ein Gemeinwohl-Konzern, der auf Kooperation statt Konkurrenz setzt.

 

Bitte nennen Sie ein Beispiel, wie Sie dank der Gemeinwohl-Bilanz die Entwicklung Ihres Unternehmens positiv gesteuert haben.

Für uns stellt sich regelmäßig die Frage, ob und wie wir expandieren wollen. Unsere Produkte sind in Österreich sehr geschätzt, und es wäre einfach, sie in weiteren 3.000 konventionellen Geschäften des Einzelhandels zu platzieren. Wir – ein rund 20-köpfiges Gremium aller führenden Abteilungsleiter und ich – haben uns aber gegen diesen Weg entschieden. Wichtig ist, dass ich als Firmeninhaber auch nur eine Stimme habe und die Mehrheitsentscheidung akzeptieren muss. Bezogen auf die Gemeinwohl-Bilanz bedeutet das beispielsweise, dass im Handlungsfeld „Innerbetriebliche Mitentscheidung und Transparenz“ positiv gearbeitet wurde. Weiterhin haben wir bei dieser Entscheidung auch das Handlungsfeld „Solidarität und Gerechtigkeit in der Zulieferkette“ berücksichtigt. Wir wollen den Warenimport nach unseren fairen, ökologischen und transparenten Standards abwickeln und nicht durch schnellen Zukauf, den eine solche Expansion mit sich brächte. Zudem wird in dieser Entscheidung die „Ethische Kund*innenbeziehung“ mitgedacht. Unsere Stammkundschaft soll die Produkte wie gehabt in unseren SONNENTOR-Geschäften, ausgewählten Bioläden oder Reformhäusern finden und sich auf Service und Beratung verlassen können.

 

Als Johannes kennen Sie die Menschen im Waldviertel. Ihre Kooperationspartner sind bäuerlich geprägte Familien, die Tourismuswirtschaft und kleine Unternehmen. Mit allen arbeiten Sie auf Augenhöhe zusammen. Was hat SONNENTOR in Ihrer niederösterreichischen Region bewirkt?

Johannes Gutmann und die Ursprungsbäuerinnen und -bauern

Grundsätzlich haben wir Wertschöpfungsprozesse angestoßen. Ich habe mir hier meinen eigenen Arbeitsplatz geschaffen. Mittlerweile arbeiten rund 500 Menschen im Unternehmen bzw. bei unseren Kooperationspartnern. Das Schöne ist, dass die gesamte Wertschöpfungskette von unserem nachhaltigen Kreislaufgedanken getragen ist. Damit habe ich quasi das 150 Einwohner*innen zählende Dorf Sprögnitz wachgeküsst (lacht). Unsere Abgaben fließen durch Steuern in die Kommune. Gleichzeitig investieren wir als Unternehmen in Sozialleistungen, die wir als sinnvoll erachten und die die Kommune so nicht leistet. Zum Beispiel entlasten wir mit unserem Betriebskindergarten oder unserem Gesundheits- und Bildungsprogramm die öffentliche Hand. Wichtig ist sicherlich auch, dass wir die Infrastruktur der Region vorangebracht haben.

Auch wenn die fehlende Unterstützung durch die Kommune oft schmerzte, kann ich heute sagen, dass dies letztlich ein Geschenk war. So haben wir unsere eigenen Qualitätsstandards umgesetzt.

 

„Ich will nicht der Goldsack sein,
der sich andernorts mit neokolonialen Strukturen seinen Beutel füllt.“

Als Unternehmer arbeiten Sie auch mit über 1.000 Biobauern und -bäuerinnen auf der ganzen Welt zusammen. Wie steigert Ihr Unternehmen dort das Gemeinwohl?

Als ich die ersten Auslandsprojekte begonnen habe, wurde schnell klar, dass die dortigen bäuerlichen Familien und Kooperationen vor denselben Problemen stehen wie die hiesigen Bauern. Sie möchten fair behandelt und bezahlt werden und langfristige Kooperationen eingehen. Sie brauchen verlässliche Partnerschaften. Folglich war mein Schluss, so wie zu Hause will ich auch international agieren. Ich will nicht der Goldsack sein, der sich andernorts mit neokolonialen Strukturen seinen Beutel füllt. Unser erstes Auslandsprojekt war zum Beispiel in Tschechien. Wir haben sehr gute Erfahrungen gemacht. Im kommenden Jahr wollen wir die erste Gemeinwohl-Bilanz in Tschechien erstellen. Damit tragen wir die Idee in ein weiteres Land und fördern Mitbestimmung, demokratische Entscheidungsprozesse und Transparenz. Und wir können damit auch unsere Wertschätzung für den tollen Input unserer tschechischen Partner*innen zeigen. Wir arbeiten an einem gemeinsamen Ziel, fördern Strukturen und sinnerfülltes Arbeiten – und damit das Gemeinwohl.

Anbaupartner für Lavendel in Albanien

Als Inhaber eines Kräuterhandels „muss“ ich Sie noch abschließend fragen: Was essen Sie heute zu Mittag und welches ist ihr Lieblingsgewürz?

Ui, ich weiß gar nicht, was es heute gibt, denn bei uns wird gegessen, was auf den Tisch kommt (lacht). Ich weiß nur, dass ich zusammen mit meinen Mitarbeitenden in unserem Firmenrestaurant ein frisches, selbst gemachtes, vollwertiges und leckeres Bio-Mittagessen genießen werde. Das Essen ist übrigens für alle kostenfrei und auch ein kleiner Baustein in unserer Gemeinwohl-Bilanz. Hiermit verpflichten wir uns der „Förderung des ökologischen Verhaltens der Mitarbeitenden“.  Ja, und als Waldviertler ist mein Lieblingsgewürz natürlich das „Erdäpfelgewürz“. Auf unseren sandigen Böden wachsen Kartoffeln nämlich wunderbar und sind vielleicht sogar die besten der Welt.

 

Weitere Infos gibt es hier: https://www.sonnentor.com/de-at

 

Mehr zum Thema „Gemeinwohl-Ökonomie“!

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