von Kristin Frauenhoffer
Es war ein Mann, ihr damaliger Freund, der Maxi Bethge auf ein Problem aufmerksam machte, das ausschließlich Frauen betrifft – obdachlose Frauen. Das Problem, um das es geht, sollte eigentlich keines sein dürfen: die Menstruation. Nach wie vor ist dieser natürliche Vorgang des weiblichen Körpers ein gesellschaftliches Tabuthema. Dabei betrifft es ein Drittel der Weltbevölkerung Monat für Monat. Frauen, die keine Wohnung haben, sind davon nicht ausgenommen. Nur, wie soll man ohne Geld an Tampons und Binden kommen? Und wenn man keine hat, wie behilft man sich?
Kaum jemand macht sich darüber Gedanken, außer die zirka 100.000 wohnungslosen Frauen, die in Deutschland jeden Monat in eine schwierige Situation geraten. Immer wieder müssen sie sich auf’s Neue die Frage stellen: Soll ich mir wirklich für das wenige Geld, das ich habe, teure Tampons und Binden kaufen?
Dass in Deutschland Menstruationsprodukte mit 19 Prozent besteuert werden statt mit 7 Prozent wie andere Produkte des täglichen Bedarfs, kommt erschwerend hinzu. Seit Jahren machen sich Frauen dafür stark, das zu ändern. Glücklicherweise gibt es seit neuestem einen Vorstoß in der Bundesregierung, den Steuersatz zu senken. Wenn alles läuft wie geplant, tritt ab 1. Januar der niedrigere Steuersatz von 7 Prozent in Kraft.
Tampons und andere Hygieneartikel für die Menstruation hat kaum jemand im Blick
Maxi Bethge und ihrem damaligen Freund war sehr schnell klar, dass sie helfen wollten. In Großbritannien und den USA gab es bereits Projekte, die Hygieneprodukte für obdachlose Frauen zur Verfügung stellten. „Aber hier bei uns scheint niemand daran zu denken. Da werden erst einmal nur Essen und eine Unterkunft angeboten“, sagt Maxi. Zwar rufen die Betreiber von Wohnheimen und Obdachlosenunterkünften immer wieder zu Sammelaktionen für Hygieneartikel auf, doch tauchen auf der Liste der benötigten Dinge nur Zahnbürsten, Deo und Duschgel auf. Spezielle Bedürfnisse von Frauen scheinen die wenigsten zu beachten.
Fehlende Körperhygiene kann zu Gesundheitsproblemen führen
Dabei geht es nicht nur um mangelnde Körperhygiene. Das Fehlen von Menstruationsprodukten kann zu ernsten gesundheitlichen Problemen führen. Denn die Frauen werden kreativ, wenn sie sich Tampons und Binden nicht leisten können. Sie behelfen sich mit Socken, Servietten, Plastiktüten oder alten Lumpen, um das Blut aufzufangen. Hinzu kommt, dass sich die meisten auch nicht regelmäßig waschen können. Die Folge können Infektionen oder sogar ein toxischer Schock sein.
„Free tampons for homeless women“ ist geboren
Maxis erste Anlaufstelle bei ihren Recherchen zum Thema Tampons waren die Obdachlosenunterkünfte in ihrer Heimatstadt Berlin. Dort bestätigte man ihr, dass immer wieder Hygieneprodukte benötigt würden, aber oft nicht genug vorhanden seien. Bei den Tamponherstellern stießt Maxi dagegen auf verschlossene Türen. Keiner erklärte sich bereit zu helfen.
Deshalb startete sie im Sommer 2016 eine Spendenaktion über eine Onlineplattform. Ihre Aktion nannte sie „free tampons for homeless women“. Ihr Ziel war damals, 1.000 Euro einzunehmen: „Die hatten wir innerhalb von einem Dreivierteljahr gesammelt“, berichtet die 30-Jährige.
Die GEBEWO Soziale Dienste und „The Smiling Kangarooh“ sind dabei
Heute ist aus der einmaligen Idee zu einer Spendensammlung ein dauerhaftes Projekt geworden. Als Projektpartner und Abnehmer der Spenden hat sich eine soziale Organisation – die GEBEWO Soziale Dienste in Berlin – gefunden. Sie kümmern sich speziell um die Bedürfnisse von Frauen, die keine Wohnung haben und betreiben einige Notunterkünfte in der Hauptstadt. Ist ein Bett frei, kann man dort zwei Wochen schlafen, ohne sich ausweisen zu müssen. Da die meisten Frauen in Deutschland aufgrund von Gewalterfahrungen in der Familie oder mit dem Partner wohnungslos geworden sind, leben sie in ständiger Angst, gefunden zu werden. Daher wird die Notunterkunft gern genutzt, um kurzfristig unterzutauchen.
Ein anderer Kooperationspartner ist der Weinladen „The Smiling Kangarooh“. Dort kann man den Charitywein „Dickes B“ kaufen, dessen Erträge in soziale Projekte wie das von Maxi Bethge fließen. „Wir bekommen sozusagen ein Stück vom Kuchen und sind sehr froh darüber“, erzählt Maxi und verrät auch gleich, was sie als nächstes plant: „Ich träume davon, ein Charity-Event in dem Weinladen zu organisieren. Mit einem Winetasting oder ähnlichem …“
Menstruationstassen wären eine nachhaltige Alternative, sind aber unpraktisch
Ein anderer Traum, den Maxi hat, wäre die Verteilung nachhaltiger Menstruationsprodukte. Das sei auch die häufigste Frage, die ihr gestellt werde: Warum sie keine Menstruationstassen an die Frauen ausgebe? Diese sind eine nachhaltige Alternative zu Tampons und Binden, bestehen aus Silikon oder Kautschuk und können wiederverwendet werden. Gerade das aber macht sie unpraktisch: „Eine Menstruationstasse muss man nach jedem Gebrauch abkochen. Gäbe es in Berlin oder anderen deutschen Städten öffentliche Abkochstationen, wäre das kein Problem. Aber bis dahin ist das Risiko von Infektionen viel zu hoch“, erklärt Maxi. Auch das Alter der Frauen sei ausschlaggebend. Die meisten seien 50 Jahre oder älter und hätten schlicht keine Erfahrung mit Menstruationstassen.
Das Projekt soll größer werden, es fehlt gerade nur die Zeit
Maxis Ideenliste ist lang. So wäre es ihr Wunsch, das Projekt auszuweiten und möglichst deutschlandweit zu etablieren. Einen passenden Namen und eine Freundin, die sich auch engagieren möchte, gibt es schon. „Es fehlt noch die Zeit!“, sagt die Berlinerin, die hauptberuflich in einer Softwarefirma arbeitet. Dort beschäftigt sie sich mit „Change Management“. Irgendwie doch auch ein passender Titel für ihr ehrenamtliches Engagement, oder?
Interesse an „Free tampons for homeless women“ deutschlandweit?
Falls ihr jetzt inspiriert seid und euch in eurer Heimatstadt für wohnungslose Frauen engagieren wollt, dann informiert euch am besten bei Wohnheimen und Unterkünften, was benötigt wird. Ihr würdet das Leben von Frauen auf der Straße an bestimmten Tagen im Monat sehr erleichtern.
Herzlichen Dank für eure Unterstützung!
Maxi freut sich über jede Unterstützung, die ihrem Projekt „Free tampons for homeless women“ zugute kommt. Das könnt ihr hier tun: https://www.betterplace.org/de/projects/55197-kostenlose-tampons-fur-obdachlose-frauen
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