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Wege an die Spitze: Frauen in Führungspositionen

Vielen Frauen fehlen berufliche Vorbilder. In ihrem neuen Buch „Spitzenkräfte“ portraitiert Dr. Marie-Luise Braun Frauen in Führungspositionen und was sie auszeichnet.
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von Isolde Hilt

Es ist zwar schon besser geworden in den letzten Jahren, gut Luft nach oben ist aber immer noch. 2019 waren rund 30 Prozent der Führungspositionen in Deutschland mit Frauen besetzt. Im Vergleich zu anderen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union liegt Deutschland damit aber nur im unteren Drittel. Zum Vergleich: Lettland nimmt mit 46 Prozent Frauenanteil in Führungspositionen den ersten Platz ein. Der europäische Durchschnitt liegt bei 35 Prozent. *

Wie lässt sich das ändern? Ein wirksamer Weg ist, Frauen aufzuzeigen, was sich alles bewegen lässt, wenn man Verantwortung übernimmt für das, was man erreichen möchte. Bei den Recherchen zu ihrem Buch „Spitzenkräfte. Porträts von Frauen in Führungspositionen“ hat Dr. Marie-Luise Braun, wie sie in einem Interview sagt, tolle Frauen kennengelernt, die etwas bewirken und verändern wollen.

Das jüngst im oekom Verlag erschienene Buch stellt Frauen verschiedener Führungsebenen und beruflicher Sparten vor: aus Politik, Medienmanagement, Kultur, Wirtschaft und Wissenschaft, der Start-up-Szene und Beratung. 13 Persönlichkeiten schildern ihren Weg, erzählen von fördernden Strukturen auf dem Weg zu mehr Verantwortung und berichten, wie sie Hindernisse überwunden haben. Zu den Porträtierten zählen u. a. die Meeresbiologin Antje Boetius, VW-Vorstand Hiltrud Werner, die Gewandmeisterin Angelika Nowotny, 3sat-Leiterin Natalie Müller-Elmau sowie die Zimmermeisterin und Projektmanagerin Anna Dollinger.

Verantwortung übernehmen und dadurch führen, das gehe auch von unten, stellt eine weitere Interviewpartnerin – Dr. Julia Verlinden, seit 2013 Bundestagsabgeordnete für Bündnis 90/Die Grünen – fest. „Weil man mit Engagement dem ganzen Team hilft.“ Das Buch „Cheffing: Führung von unten“ vermittle, „dass man immer führt, wenn man gut ist, egal, auf welcher Position man sitzt“. Die heute knapp 40-Jährige hat es immer wieder vermocht, Vorgesetzte dazu zu bewegen, eine bestimmte Entscheidung zu treffen. Einfach, damit eine Sache, ein Projekt vorwärtsgehe.

„Frauen in Führungspositionen“ – Was zeichnet sie aus?  Neben Porträts beinhaltet das Buch eine Auseinandersetzung über die Bedeutung von Vorbildern, ein Interview dazu mit Unternehmensberaterin und Titularprofessorin Dr. Gudrun Sander aus wissenschaftlicher Sicht sowie eine Quintessenz am Ende des Buchs. Hier gibt Dr. Marie-Luise Braun einen ersten Einblick, wie das Buch entstand und was sie bei ihrer Recherche besonders beeindruckt hat.

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Nach welchen Kriterien haben Sie die Frauen ausgewählt?

Mir war es wichtig, Führungspositionen in unterschiedlichen Ebenen aufzuzeigen und auch Frauen, die in verschiedenen Branchen arbeiten. Ich habe zunächst Frauen angefragt, deren Biografie und Arbeitsweise ich spannend fand. Zu manchen hatte ich bereits Kontakt über meine Netzwerke oder durch meine journalistische Arbeit. Auf diese Weise waren verschiedene Branchen und Positionen bereits belegt. Später habe ich dann bewusst Frauen anhand weiterer Führungsebenen und Berufsfelder ausgewählt und angesprochen. Die allermeisten haben übrigens sofort zugesagt. Es gibt ja dieses Vorurteil, dass Frauen zurückhaltend seien, was den Schritt in die Öffentlichkeit angeht und solche Anfragen eher ablehnen. Das kann ich so nicht bestätigen.

Die interviewten Frauen legen den Fokus weniger auf sich selbst, sondern mehr auf die Tätigkeit oder ein übergeordnetes Ziel.

Die Frauen kommen aus unterschiedlichen Berufsfeldern. Was eint sie?

Die Frauen, die ich porträtiert habe, wollen etwas bewegen. Sei es gesellschaftlich, was die Qualität der Arbeit anbelangt oder auch hinsichtlich des Umweltschutzes. Sie legen den Fokus weniger auf sich selbst, sondern mehr auf die Tätigkeit oder ein übergeordnetes Ziel. Sie sagen sogar ganz klar, dass sie von der Position, die sie aktuell ausüben, eben nicht geträumt haben, sondern dass sich ihre Führungsaufgabe dadurch entwickelt hat, dass sie Verantwortung übernehmen und gestalten wollten.

Welche Schlüsselqualifikationen haben Sie bei Frauen in Führungspositionen festgestellt?

Alle porträtierten Frauen zeigten Klarheit, was ihre Rolle, ihr Ziel und die Qualität ihrer Arbeit anbelangt. Über ihren Führungsstil erzählten sie, dass sie ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Raum geben, selbst Verantwortung zu übernehmen und sich zu entfalten. Sie geben also das weiter, was sie selbst in ihrer Laufbahn als förderlich und wichtig erachtet haben. Aber von der Art und Weise, charakterlich sicherlich auch, waren sie alle sehr unterschiedlich. Offenbar kann man sich mit den unterschiedlichsten Eigenschaften und Arbeitsweisen auf den Weg in die Führung machen und dort auch ankommen.

Was mir aber immer wieder auffällt, ist eine unterschiedliche Bewertung von Führung und Stil: Ist eine Frau durchsetzungsstark, wird sie oft als „zickig“ oder „cheffig“ tituliert.

Konnten Sie Unterschiede im Führungsstil von Frauen und Männern feststellen? Wenn ja, welche?

Ich kann jetzt nicht sagen, dass es irgendein „typisch“ gibt, das jeweils für alle Männer oder alle Frauen gleichermaßen gilt. Was mir aber immer wieder auffällt, ist eine unterschiedliche Bewertung von Führung und Stil: Ist eine Frau durchsetzungsstark, wird sie oft als „zickig“ oder „cheffig“ tituliert. Bei Männern wird so ein Verhalten positiv bewertet – übrigens nicht nur von Männern, sondern auch von Frauen.

Das muss sich ändern. Aber es ist natürlich zäh, weil wir alle in unserer gesellschaftlichen Kultur sozialisiert sind. Es hilft aber, immer wieder darauf aufmerksam zu machen, um langsam und stetig auf die Veränderung hinzuwirken – was ich durch meine Position und Perspektive von außen bei meinen Kundinnen und Kunden, Kooperationspartnerinnen und -partnern auch einbringen kann. Und es hilft, wenn immer mehr Frauen in Führungspositionen kommen. So wird es normal, dass Frauen entscheiden und führen – und sie werden weniger über ihr Geschlecht und vorgeblich typische Verhaltensweisen beurteilt.

Was hat Sie bei Ihren Interviews am meisten beeindruckt?

Die Offenheit, mit der die Frauen von ihrem Werdegang erzählt haben – auch dann, wenn der Weg einmal nicht so schön war oder eine Weile nicht nach oben zeigte. Gefreut hat mich, dass die meisten Frauen nach dem Interview noch einmal auf mich zugekommen sind, weil ihnen noch Beispiele und Erlebnisse eingefallen sind. Sie wollten das gern ergänzen, damit andere Frauen auch davon profitieren können.

Gibt es eine Erkenntnis, die Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist?

Einmal mehr, wie großartig es ist, sich mit anderen auszutauschen. Das macht das Leben reicher, weil es hilft, eigene Erfahrungen noch einmal aus einem anderen Blickwinkel zu sehen. Ich habe tolle Frauen kennengelernt und durfte sie interviewen. Zudem haben mich vier Menschen von Anfang an – noch bevor ich einen Verlag hatte – auf dem Weg zum fertigen Buch begleitet (Fotos, Layout und Korrektorat). Auf dieses Team konnte ich mich zu 100 Prozent verlassen. Eine wunderbare Erfahrung. Jetzt läuft der Austausch mit denjenigen, die das Buch lesen. Die Gespräche dazu sind intensiv. Ich freue mich auf mehr.

Wie erging es Ihnen beim Schreiben dieses Buches? Will man als Frau anderen Frauen bei diesem doch so wichtigen Thema besonders gerecht werden?

Wichtig war mir beim Schreiben des Buchs vor allem, dass die Leserinnen – und natürlich auch die Leser – möglichst viel mitnehmen aus den Porträts. Gerecht werden möchte ich wie immer allen meinen Interviewpartnerinnen und -partnern, unabhängig vom Geschlecht oder anderen Kriterien. Besonders schön war es bei diesem Buch, dass ich das Thema selbst sehr spannend finde. Das hilft beim Schreiben natürlich ungemein.

Rückblickend die wichtigste Erkenntnis nach Abschluss Ihres Buchs zu Frauen in Führungspositionen?

Dass es sich lohnt, an einer Sache dranzubleiben. Ich freue mich, dass aus einer ersten Idee dieses Buch geworden ist, das nun andere in den Händen halten und darin lesen. Es zeigte sich zudem, dass ich über gut funktionierende Netzwerke verfüge. Ein Thema, auf das übrigens auch die interviewten Frauen hinweisen.

Was würden Sie Frauen auf ihrem beruflichen Weg mitgeben?

Probiert euch aus und lasst euch von niemandem vorschreiben, was ihr zu tun oder wie ihr zu sein habt.

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Zur Autorin

© Angela von Brill

Dr. Marie-Luise Braun ist Journalistin, Autorin und
Dozentin. Sie studierte Angewandte
Kulturwissenschaften in Lüneburg und promovierte
über Umweltjournalismus. Als Mitarbeiterin der
Deutschen Bundesstiftung Umwelt schrieb sie das
Buch »Faszination Ausstellung – Handbuch für
Umweltthemen«. 2003 gründete sie die agentur
wortgewandt, die sich der Kommunikation
gesellschaftlich relevanter Themen widmet:
www.agentur-wortgewandt.de

 

Das Buch ist im oekom Verlag in Kooperation mit der Stiftung Leben & Umwelt/Heinrich-Böll-Stiftung Niedersachsen im Juni 2020 erschienen: https://www.oekom.de/buch/spitzenkraefte-9783962382285

 

* Quelle: Statistisches Bundesamt (https://www.destatis.de/Europa/DE/Thema/Bevoelkerung-Arbeit-Soziales/Arbeitsmarkt/Frauenanteil_Fuehrungsetagen.html)

 

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