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Weil weggucken nicht geht: „Meine Reise mit der Seefuchs“

Eine junge Frau erfährt von Sea-Eye, einem Verein, der Menschen vor dem Ertrinken rettet. Sie hört, der Verein unterstütze Schlepper. Die junge Frau macht sich selbt ein Bild.
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Interview: Isolde Hilt

Judith Barth hat sich 2018 im Mai auf der Seefuchs, einem alten Fischkutter des Seenotrettungsvereins Sea-Eye, eingeschifft. Sie wollte sich selbst ein Bild von der widersprüchlichen Berichterstattung in den Medien machen. Sie wollte verstehen, warum die Arbeit der ehrenamtlichen Hilfsorganisation nach anfänglicher Begeisterung in Vorwürfe umschlug. Warum das Retten von Menschenleben plötzlich kriminalisiert wird. Warum man irgendwann nichts mehr hörte … Jetzt sind ihre Aufzeichnungen als Buch erschienen: „Meine Reise mit der Seefuchs“.

Auszug aus dem Buch „Die Menschen auf dem Meer“, utzverlag München

Wir hatten Judith damals gebeten, für unser Portal Tagebuch zu schreiben. Daraus ist ein Buch entstanden. Vor wenigen Wochen erschien „Die Menschen auf dem Meer. Meine Reise mit der Seefuchs“ im Münchner utzverlag. Dieser Bericht wertet und interpretiert nicht, er beschreibt allein, wie sich diese Fahrt auf dem Meer zugetragen hat – 14 lange Tage. Er handelt nicht davon, wie sich die „Flüchtlingsfrage“ bewältigen lässt, das ist an anderer Stelle zu klären. Er macht nur eines deutlich: Als MENSCH lässt man andere Menschen nicht ertrinken. Matthias Hoffmann, Geschäftsführer des utzverlags, erläutert, warum er diesen Reisebericht der anderen Art in sein Verlagsprogramm mit aufgenommen hat.

 

Wie nimmst du das augenblickliche Umgehen Europas mit Menschen, die versuchen, zu uns zu fliehen, wahr? Wie den Umgang mit Seenotrettungsvereinen wie SeaEye?

Dass Europa, diese mächtige Idee von Frieden, Freiheit und Wohlstand, gerade dabei versagt, sich zusammenzuraufen, wenn es darum geht, in Seenot geratene Menschen aus dem Mittelmeer zu retten, empfinde ich als unerträglich.

Es geht bei dieser Frage nicht um „Migration“, „Integration“ oder „Grenzsicherung“ und auch nicht um die Frage nach Kopftüchern in Grundschulen, sondern darum: „Wie gehe ich mit Menschen um, die vor unserer Haustüre in Not geraten?“ Darauf gibt die Werteordnung, zu der sich dieser Kontinent bekennt, nur eine Antwort. Anders zu handeln, ist Barbarei.

Private Seenotrettungsvereine werden in ihrer Arbeit schikaniert, Einzelpersonen juristisch verfolgt. Es ist umso mehr bewundernswert, dass sich immer wieder Freiwillige finden, die diese Missionen durchführen. Ihr Mut und ihr Idealismus verdienen mehr als unseren Respekt. Auch wenn sie diesen Status stets abstreiten: Es handelt sich um Helden des 21. Jahrhunderts.

 

Was hat dich dazu bewogen, die Geschichte von Judith Barth als Buch aufzulegen?

Ich fand die Idee charmant, den zeitgenössischen Wahrnehmungsgewohnheiten – dem Weiterscrollen und Suchen nach Bildern, Hintergrundinformationen und sekundenschnellem Verwerten und Einordnen von Analysen – lediglich den sachlichen und erlebnisorientierten Ton einer Augenzeugin entgegenzustellen, die nur berichtet, was geschehen ist. Nicht mehr und nicht weniger.

Das Buch hat keine Bilder, keine Links, keine QR-Codes, keine „Faktenchecks“, keine Kommentare und keine Dokumentationen. Darauf muss man sich einlassen. Damit muss man umgehen – vielleicht wieder umgehen lernen. Eigene Bilder entstehen lassen, eigene Widersprüche zum Erzählten zulassen. Ich denke mir, dass wir so einen viel tieferen und nachhaltigeren Eindruck erzeugen können. Als Verleger mit einer guten persönlichen Beziehung zur Autorin konnte ich das umsetzen. Das hat mir Freude bereitet.

Was hat dich an Judiths Geschichte besonders beeindruckt?

Judith berichtet nicht von einer ideologischen Warte aus, sie appelliert nicht, sie moralisiert nicht. Das hatte ich zunächst nicht erwartet und war überrascht, dass das im Text nicht geschieht. Aber das ist nicht Judiths Art und auch nicht ihr Anspruch.

Als Verleger hatte ich mir anfangs mehr „Drama“ gewünscht, mehr Emotion und mehr Aufregung. Aber die Sachlichkeit und Detailgetreue, die der Text präsentiert, schildert für mich sehr eindrucksvoll, dass „Große Gefühle“ auf einem kleinen Schiff keinen Platz haben, wenn rundherum Menschen in Gefahr sind. Moral zieht keine Ertrinkenden aus dem Wasser. Menschen tun es. Und diese Menschen werden seekrank, haben Hunger und Durst, ihnen ist kalt und sie bekommen Sonnenbrand. Und sie lernen, dass es auf einem Schiff keine Seile, sondern nur Leinen gibt. Erzählen, was war. Fantastisch!

Glaubst du, man kann mit Judiths Geschichte etwas bewegen?

Wenn das Buch Werbung für Sea-Eye oder allgemein für die zivile Seenotrettung im Mittelmeer macht, wenn es dabei hilft, Spenden oder persönliches Engagement zu generieren, so ist dies ein schöner Effekt, den ich natürlich nach Kräften unterstütze.

Meine Aufgabe als Verleger ist es allerdings, den Leserinnen und Lesern für ihr Geld ein gutes Buch zu geben. Wenn die Geschichte dann die Menschen bewegt und ihnen hilft, das, was geschieht, besser einzuordnen, umso besser.

Braucht man als Verleger inzwischen wieder Mut, Geschichten wie die von Judith zu publizieren?

Ich bin kein besonders mutiger Mensch, weder privat noch geschäftlich. Sollte allerdings jemand mit mir nicht (mehr) zusammenarbeiten wollen, weil ich dieses Buch publiziert habe, so möge er es sein lassen.

 

Zur Person

Matthias Hoffmann, geboren 1982 in Landshut, studierte in München Germanistik und Theaterwissenschaft. Seit 2019 leitet er den utzverlag – mehr unter: www.utzverlag.de/ueber-uns/team/).

Der utzverlag publiziert seit mehr als 25 Jahren wissenschaftliche Literatur sowie Fach- und Sachbücher aus allen Disziplinen. Das Buch  ist hier erhältlich: https://www.utzverlag.de/catalog/book/44767

 

 

Eine Bitte von Judith!

„Hier geht es um Menschen, die ohne unsere Hilfe ertrinken werden. Und ohne Spenden können wir diese Nothilfe nicht leisten. Also spendet, was ihr entbehren könnt!“

www.sea-eye.org

 

Dieser Beitrag ist urheberrechtlich geschützt.

 

Der Bericht von Judith Barth auf unserem Portal

Menschenrechte gelten nicht nur für Europäer*innen

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