Kommentar von Kristin Frauenhoffer
Stellt euch ein Orchester vor. Was sehen wir? Einen Dirigenten. Männer und Frauen an Instrumenten. Sie spielen ein Stück, kreiert von einem Komponisten. Ein Intendant hat das Konzert organisiert, dem Generalmusikdirektor obliegt die künstlerische Leitung.
Warum gendern wir nicht an dieser Stelle? Dirigent*in, Komponist*in, Intendant*in, Generalmusikdirektor*in …? Weil es nicht der Realität entspricht. Frauen haben es in einigen Bereichen nach wie vor schwerer als Männer.
Um beim Thema Orchester zu bleiben: In deutschen Berufsorchestern liegt der Frauenanteil in den Führungspositionen des Generalmusikdirektors, der Generalmusikdirektorin und der Intendant*innen bei nur 8 Prozent. So lautet das Ergebnis einer Studie von Frau und Musik Frankfurt/Main und musica femina München, die gerade veröffentlicht wurde. In der Wirtschaft liegt die Zahl etwas höher, trotzdem beträgt der Anteil der Führungspositionen, die Frauen besetzen, nur 27 Prozent. Des Weiteren belegt die Studie, dass der Frauenanteil am Dirigierpult gerade einmal 7 Prozent ausmacht und Werke von Komponistinnen nahezu gar nicht aufgeführt werden. Diese Zahlen legen nahe, dass es Frauen im professionellen Musikgeschäft offenbar schwerer haben als Männer. Eine Gegebenheit, die auch in vielen anderen Lebensbereichen vorzufinden ist.
Weltfrauentag: Warum reden wir darüber?
Am 8. März ist Internationaler Frauentag. Eine gute Gelegenheit, das Thema Gleichstellung näher in den Blick zu nehmen. Der Weltfrauentag, wie er auch genannt wird, ist ein wichtiger Tag, um darauf aufmerksam zu machen, dass für die Gleichstellung aller Geschlechter noch viel zu tun ist. Dass es diesen Tag gibt, war ein erster Schritt in die richtige Richtung, wie die letzten 100 Jahre beweisen. Seit der offiziellen Einführung des internationalen Frauentags hat sich viel getan, um die Rolle der Frau in der Gesellschaft zu stärken. Heute wird mehr gemacht, als dass sich Frauen an diesem einem Tag im Jahr frei nehmen und sich von ihren Männern bedienen lassen dürfen. So zumindest wurde in der DDR der Tag oft begangen. Das musste reichen für die Weiblichkeit.
Was heute selbstverständlich ist, war es bis vor allzu langer Zeit noch nicht …
Frauen können heute so viel mehr sein als Hausfrau und Mutter. Alte Rollenklischees weichen nach und nach auf, Frauen sind nicht mehr unbedingt von Männern als Geldverdiener abhängig. Sie können sich verwirklichen, dürfen sich kleiden, wie sie möchten, frei entscheiden, wohin sie gehen und mit wem. Das klingt alles so selbstverständlich, war es aber lange nicht. Noch in den 60er Jahren brauchten Frauen die Zustimmung ihres Mannes, um einer Berufstätigkeit nachgehen zu können. Sie durften auch kein eigenes Konto einrichten.
Viele kleine Meilensteine im Bemühen um Gleichberechtigung
Jeder Schritt um mehr Gleichberechtigung zählt und macht Frauen sichtbar. Seit letztem Jahr zum Beispiel gibt es einen Gesetzesentwurf, der eine Frauenquote in den Vorständen börsennotierter Unternehmen vorsieht. Oder Berlin: Hier ist der Weltfrauentag, der 8. März, seit 2019 ein gesetzlicher Feiertag. Dieser symbolische Akt verleiht dem Thema Gleichstellung mehr Gewicht.
Ein anderes Beispiel ist der Equal Pay Day. Der Tag findet immer an dem Tag im Jahr statt, bis zu dem Frauen im Vergleich zu Männern quasi umsonst arbeiten. Nach wie vor bekommen Frauen für die gleiche Arbeit 21 Prozent weniger Lohn als Männer. Das entspricht umgerechnet 77 Tagen, die Frauen umsonst arbeiten. In diesem Jahr fällt der Equal Pay Day auf den 14. März. Seit letztem Jahr gelten Menstruationsartikel nicht mehr als Luxusgüter und sind mit einem verringerten Mehrwertsteuersatz belegt.
Es dauert noch, bis wir uns gleichberechtigt fühlen
All diese kleinen und großen Veränderungen bringen uns dem Ziel der tatsächlichen Gleichstellung der Geschlechter näher. Es sind strukturelle Anpassungen, die ein Bewusstsein für Ungleichheit schaffen.
Aber was ist mit uns? Wie sehr ist traditionelles Rollendenken noch in uns verankert? Wie weit ist die Gleichstellung von Mann und Frau und anderen Geschlechtern in den Köpfen vorangeschritten? Kann es denn überhaupt eine Gleichstellung geben?
Fragen, die ich mir im Zuge der Recherche zum Weltfrauentag gestellt habe. Ich habe die Vermutung, dass die strukturellen Veränderungen den mentalen noch ein wenig voraus sind. Und dass wir noch ein ganzes Stück Weg vor uns haben, bis wir uns auch wirklich alle gleichberechtigt fühlen.
Eure Meinung zum Weltfrauentag!
Ich habe ein paar Menschen gefragt, was sich ihrer Ansicht nach für Frauen im Hinblick auf die Gleichstellung noch ändern müsste. Dabei kamen ganz erstaunliche Antworten heraus, die den Blick auf das Thema enorm erweitern. Hört selbst rein und lasst euch zu Gedanken anregen.
Und um auf die eingangs erwähnten fehlenden Werke von weiblichen Komponistinnen im Konzertkalender zurückzukommen: Es gibt großartige Werke! Einen akustischen Eindruck vermittelt BR Klassik am Weltfrauentag; am 8. März 2021 wird beinahe ausschließlich Musik von oder über Frauen zu hören sein.
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