Interview: Gerda Stauner
Der Künstler Joseph Beuys hatte vor vierzig Jahren eine grandiose Idee. Er wollte zur Kunstausstellung documenta 7 in Kassel 7.000 Eichen mit jeweils einer Basaltstele pflanzen lassen, um ein Zeichen mit Langzeitcharakter zu setzen. Damals stellte er sich vor, dass sich sein Kunstprojekt erst in hundert, zweihundert oder dreihundert Jahren komplett entfalten würde. Bis es soweit wäre, sollten die Eichen als Erinnerung daran dienen, dass sich Menschen in einer Zeit aufmachten und etwas ändern wollten, in der die Natur durch den Menschen mehr und mehr zerstört wird. Vielen Widerständen zum Trotz konnte der letzte der 7.000 Bäume pünktlich zur documenta 8 im Jahr 1987 gepflanzt werden.
DASMAXIMUM, ein Museum für aktuelle Kunst in Traunreut, hat die Idee der Eichenpflanzungen im Jahr 2015 wieder aufgegriffen. Es geht mit dem Projekt auch an Schulen, um Kinder und Jugendliche für das Thema zu sensibilisieren. Wir haben bei der Leiterin Dr. Maria Schindelegger nachgefragt, wie die Idee ankommt.
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Frau Dr. Schindelegger, wie kamen Sie mit dem Museum auf die Idee, die Eichenpflanzungen von Joseph Beuys fortzusetzen?
Unser Museumsstifter Heiner Friedrich war bereits 1982 intensiv in das Projekt „7000 Eichen – Stadtverwaldung statt Stadtverwaltung“ involviert. Mit der von ihm mitbegründeten DIA Art Foundation leistete er die Vorfinanzierung der 7.000 Basaltstelen, ohne die das Projekt nicht hätte stattfinden können. Ende der 1980er Jahre pflanzte die in New York ansässige DIA Art Foundation fünf Eichen mit Basaltstelen im New Yorker Stadtteil Chelsea.
Als Heiner Friedrich 2011 das Museum DASMAXIMUM in Traunreut eröffnete, entstand die Idee, den Gedanken der Eichenpflanzungen auch hier aufzugreifen. Die letzten verfügbaren Basaltstelen wurden aus dem heute geschützten Steinbruch bei Landsburg/Hessen angekauft. Auch der Freundeskreis des Museums brachte sich intensiv ein. So wurde die erste “Eichenpflanzung zu Ehren von Joseph Beuys” 2015 am Traunreuter Johannes Heidenhain Gymnasium realisiert, dessen Direktor Gründungsvorstand des Freundeskreises war.
Neben jeden Baum wird eine Basaltstele gesetzt. Wozu dient diese?
Die Basaltstele ist wichtig, um zu zeigen, dass diese Eichenpflanzungen mehr sind als eine gärtnerische Aktion. Joseph Beuys wählte die Materialien mit Bedacht. Auf der einen Seite der junge Baum als lebendige, organische Materie, der noch sein volles Wachstum entwickelt und in die Zukunft weist. Auf der anderen Seite der jahrmillionenalte Basalt, der durch thermodynamische Vorgänge aus der abkühlenden Lava früherer Vulkane entstanden ist. Zugleich verkörperte er für Beuys aber auch das kristalline, geistige Prinzip und steht für die Vergangenheit.
"Unser heutiges Verhalten bestimmt die Zukunft maßgeblich mit. Dafür müssen wir Verantwortung übernehmen."
Im Laufe der Jahre wird der Basalt durch Erosion immer kleiner, nährt mit seinen Mineralien den Baum, während die Eiche immer größer wird und den Stein in ihren Dimensionen dominiert. Darin steckt die Idee, Vergangenheit und Zukunft im Moment der Pflanzung zusammenzubringen, um deutlich zu machen, das beides zusammenhängt. Die Vergangenheit bestimmt die Zukunft maßgeblich mit. Es ist der Wunsch, dass ein Verständnis dafür entsteht, wie beides zusammenhängt und wir durch unser heutiges Verhalten die Zukunft mitbestimmen und dafür Verantwortung übernehmen müssen. „Die Zukunft, die wir wollen, muss erfunden werden“ sagte Beuys einmal. So geht es in den „7.000 Eichen“ und den „Eichenpflanzung zu Ehren von Joseph Beuys“ nicht allein um das Pflanzen von Bäumen. Diese sind lediglich ein sichtbares Zeichen für Beuys´Idee der Sozialen Plastik: Jeder Mensch sollte sich aufgerufen fühlen, das „Material“ der Gesellschaft mitzugestalten und im gemeinschaftlichen Handeln zum Positiven zu verändern.
Was nehmen die Kinder und Jugendlichen mit nach Hause, nachdem die Eichen gepflanzt wurden? Haben Sie den Eindruck, sie können die Botschaft von Joseph Beuys verstehen?
Ja, das ist doch genau ihr Thema! Im Moment bestimmt eine Generation, die die schwerwiegenden Folgen der Klimakrise gar nicht mehr erleben wird, sehr stark die Zukunft. Vielen Schülerinnen und Schülern ist sehr klar, dass sie selber Verantwortung für die eigene Zukunft übernehmen müssen, weil es andere nicht tun. Die Fridays for Future-Bewegung geht in diese Richtung, trägt die Zukunft ja auch programmatisch in ihrem Namen. Dieses Jahr haben wir auch ein Schulprojekt gestartet, das ZukunftsAtelier, das genau darauf abzielt: Jugendlichen in zwei Workshops den Raum geben, über notwendige Veränderungen im eigenen Umfeld nachzudenken, dafür ein visuelles Zeichen zu entwickeln (wie Joseph Beuys Baum und Stele) und damit an die Öffentlichkeit zu gehen.
Es gibt auf Ihrer Webseite eine interaktive Karte, auf der man sehen kann, wo überall Bäume gepflanzt wurden. Mittlerweile haben sich ja auch Firmen, Städte und Gemeinden an der Idee beteiligt und Eichen pflanzen lassen. Soll das Projekt noch weiter wachsen?
Auf jeden Fall. Es geht ja auch um Bewusstseinsbildung und Vernetzung. Die Idee der Sozialen Plastik und die von ihr ausgehenden positiven Veränderungen sollen weitergetragen werden. Voraussetzung, um als Kooperationspartner für eine Eichenpflanzung in Frage zu kommen, ist u. a., dass die Pflanzung dann öffentlich zugänglich ist. Und es muss natürlich auch der Wille da sein, die Ideen, die sich mit der Pflanzaktion verbinden, aktiv zu fördern und umzusetzen. Wir entscheiden da aber auch sehr individuell, ob der Kooperationspartner zum Projekt passt.
Interessierte Schulen können sich jederzeit bei Dr. Maria Schindelegger melden, um über eine Eichenpflanzung zu sprechen. Mehr Infos zum Projekt „Eichenpflanzungen“ und eine Karte der bisher gepflanzten Bäume findet ihr hier: https://www.dasmaximum.com/eichenpflanzung/
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Eine Antwort
tolle Idee!!!
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