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Arche Herzensbrücken:
Urlaub für Familien mit schwerkranken Kindern

Das Projekt „Arche Herzensbrücken“ ermöglicht Familien mit schwer erkrankten Kindern eine wohlverdiente Auszeit.
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Interview: Petra Bartoli y Eckert

Urlaub ist für viele Familien die schönste Zeit im Jahr. Man sammelt gemeinsame Erlebnisse, verbringt eine unbeschwerte Auszeit und tankt auf für den Alltag zu Hause. Gerade für belastete Familien mit einem schwer, chronisch oder lebensverkürzend erkrankten Kind wäre das enorm wichtig. Doch das ist aufgrund der nötigen medizinischen Versorgung der kranken Kinder oder auch der angespannten finanziellen Situation in vielen von Krankheit betroffenen Familien kaum zu realisieren. Sie bräuchten einen Rückzugsort, der genau auf ihre Bedürfnisse abgestimmt und gleichzeitig erschwinglich ist.

Seit 2012 bietet „Arche Herzensbrücken“ genau das für Familien aus Österreich und Deutschland an: Urlaub und besondere Aktivitäten, inklusive medizinischer Betreuung und nötiger Therapien für erkrankte Kinder, deren Eltern und Geschwister in Seefeld in Tirol. „Arche Herzensbrücken“ ist ein Projekt des in Telfs ansässigen Fördervereins „Kinder- und Jugendhospizarbeit“. Gründer und Initiator dieser Idee ist Mag. Horst Szeli. Er ist Pädagoge, Systemischer Coach, Mediator sowie Lebens-, Trauer- und Sterbebegleiter für Kinder und Jugendliche. Im Interview erzählt er, wie die Idee von „Arche Herzensbrücken“ entstanden ist und was dieses Projekts so besonders macht.

 

Arche Herzensbrücken hat sich zur Aufgabe gemacht, Familien mit schwer erkrankten Kindern einen Urlaub zu ermöglichen. Wie kommt man auf so eine Idee?

Erst einmal vorab: Ich bin kein betroffener Vater. Ich habe zwei gesunde Kinder. Die Initialzündung für das Projekt war ein Ereignis in unserem Bekanntenkreis. Mein Sohn war mit einem Jungen gemeinsam im Skiclub. 2010, als beide zwölf Jahre alt waren, hatte dieser Freund meines Sohnes einen Skiunfall. Er ist schwer gestürzt, hatte ein Schädel-Hirn-Trauma und kam auf die Kinder-Intensivstation. Bei dem Jungen kam eine starke Form von Epilepsie dazu. Er brauchte rund um die Uhr Überwachung. Die Eltern mussten auch in der Nacht wach bleiben, haben sich im Zwei-Stunden-Rhythmus abgewechselt. Die Mutter hat ihren Beruf aufgegeben, um die Pflege des Kindes leisten zu können. Das bedeutete auch, dass sich das Familieneinkommen halbiert hat. Alles war so eine enorme Belastung, dass die Familie nach zwei Monaten mit ihren Kräften am Ende war.

Ein Gymnasium in der Gegend hat dann für die Familie eine Benefizveranstaltung gemacht. Mit dem Erlös sollte sie Urlaub machen und wieder durchatmen können. Die Familie hat sich also einen zweiwöchigen Urlaub in einem Familienhotel gebucht. Nach drei Tagen waren sie wieder zurück. Aber nicht, weil es einen Notfall mit dem Kind gegeben hätte. Sondern, weil der Urlaub keine Entlastung für die Familie war. Die Eltern konnten ihren Sohn keine fünf Minuten abgeben. Sie mussten sich um die gesamte Versorgung ihres Sohnes, um das Füttern, Lagern, aus dem Rollstuhl heben, selbst kümmern. Zu Hause hatte die Familie zumindest die Unterstützung der Großeltern oder von Freunden, um unter Tags auch einmal eine Stunde durchzuatmen.

Da ist mir der Gedanke gekommen: Tirol ist eine begehrte Tourismusregion. Es gibt Kinderhotels, Hundehotels – aber keine einzige Unterkunft, die auf schwerkranke Kinder eingestellt ist. Das wollte ich ändern. Ich wollte Urlaube für Familien mit einem schwer erkrankten Kind möglich machen. Meine Frau hat in Seefeld in Tirol ein kleines familiengeführtes Hotel. Sie war sofort von der Idee begeistert und hat angeboten, das Hotel zur Verfügung zu stellen. Ich habe mich um die Vereinsgründung, die Abklärung der rechtlichen Fragen, um Pflegekräfte, Therapeut*innen und Helfende gekümmert. So wurden wir zum ersten Urlaubsprojekt in Österreich für Familien, die ein schwer erkranktes Kind haben. Anfangs wusste ich natürlich nicht, was auf mich zukommt. Aber ich würde es wieder machen!

Welche Familien nutzen Ihr Angebot? Oder nach welchen Kriterien werden Familien ausgewählt? Und wie werden Familien auf Ihr Angebot aufmerksam?

Bis jetzt haben wir rund 230 Familien begleitet. Meistens sind unsere Angebote bereits im Jänner ausgebucht. Wir haben aktuell eine Warteliste und planen schon für das Folgejahr. Das Angebot ist auf die Ferienzeiten beschränkt, damit auch die Geschwisterkinder mit dabei sein können. Zu uns kommen Familien aus Österreich und Deutschland, die ein Kind im Alter von einem bis 18 Jahren mit einer schweren, chronischen oder unheilbaren Krankheit haben. Dazu gehören vor allem auch sogenannte „rare diseases“, also seltene Erkrankungen oder Mehrfachbehinderungen und palliative Erkrankungen.

Die Familien können sich bei uns ab der Diagnosestellung melden. Ausschlusskriterien gibt es aktuell nur zwei: Wir können keine Kinder betreuen, die eine Heimbeatmung brauchen. Ein weiteres Ausschlusskriterium wäre ein massiv fremdverletzendes Verhalten des erkrankten Kindes. Aufmerksam werden Familien auf uns beispielsweise über die Homepage der „Arche Herzensbrücken“ oder über Social Media. Aber auch über Kinderkliniken, Kinderpalliativ- oder Pflegedienste, die unser Projekt kennen und weiterempfehlen.

Was erwartet Familien mit ihren Kindern, wenn sie bei Arche Herzensbrücken Urlaub machen?

Lange bevor eine Familie zu uns in den Urlaub kommt, haben wir schon Kontakt. Wenn sich eine Familie – per Mail oder Telefon – bei uns anmeldet, verschicken wir erst einmal einen Anamnesebogen. Da geht es um die Erkrankung des Kindes: Braucht das Kind ein Pflegebett? Einen Infusionsständer oder Sauerstoff? Müssen Medikamente gekühlt werden? Aber auch: Was brauchen die Geschwisterkinder? Welche Vorlieben haben sie? Und auch: Was brauchen die Eltern? Was machen sie gerne? Das brauchen wir, damit wir uns optimal auf die Kinder und die Familie vorbereiten können. Jeder im Team bekommt vor der Anreise ein Briefing zur Familie.

Wenn die Familie dann für eine Woche zu uns kommt, wird sie von unserem Team an der Rezeption empfangen und individuell begrüßt. Dann machen wir ein Aufnahmegespräch und stellen den Familien das Wochenprogramm vor. In der Zeit hier erhalten die Familien pflegerische Entlastung. Sie können Angebote mit dem Therapiehund oder dem Therapiepferd nutzen. Wir bieten Kunsttherapie, Massagen oder Ausflüge an. Auch für die Geschwisterkinder gibt es Programm. Und den Eltern werden immer wieder Gesprächsangebote gemacht.

In der Regel machen drei bis vier betroffene Familien zur selben Zeit hier Urlaub, damit wir uns wirklich gut um alle kümmern können. Aber wir legen auch Wert darauf, dass es immer mehrere Familien sind, damit sie sich untereinander austauschen und unterstützen können. Das Besondere unseres Projekts ist übrigens – und das ist im deutschsprachigen Raum einzigartig –, dass gleichzeitig der normale Hotelbetrieb läuft. Die Familien mit dem schwer erkrankten Kind werden nicht separiert, sondern sind genau wie die anderen einfach Hotelgäste. So funktioniert Inklusion.

Wer gehört zu Ihrem Team? Welche Kompetenzen und Eigenschaften bringen Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit?

Mittlerweile haben wir einen Pool von rund 100 Mitarbeitenden – hauptamtliche und ehrenamtliche. Die Leitung des Teams liegt bei mir, meiner Frau als Hotelleitung und einer Palliativ-Krankenschwester, die die fachliche Koordination macht. Dann haben wir ein Pflegeteam, das die kranken Kinder betreut. Bei uns arbeiten Therapeuten und Therapeutinnen, die beispielsweise Kunsttherapie, tiergestützte Therapie oder Musiktherapie anbieten. Und schließlich haben wir noch ein Team an Ehrenamtlichen, Praktikantinnen oder Praktikanten und Netzwerkpartner*innen, die mit den Geschwistern arbeiten, das Pflegeteam unterstützen oder Ausflüge anbieten. Pro Tag sind zwischen zehn und 15 Leute vor Ort. Wir kümmern uns übrigens auch um unsere Mitarbeitenden, denn die Arbeit ist manchmal schon sehr belastend. Gerade, wenn ein Kind, mit dem man intensiv gearbeitet hat, verstirbt. Deshalb bekommen Mitarbeitende, die nah an den Familien dran sind, Möglichkeit zur Supervision.

Was sagen Eltern und Kinder zu Ihrem Angebot? Welche Rückmeldungen bekommen Sie?

Die schönste Rückmeldung, die wir bekommen, ist: „Wir möchten gerne nächstes Jahr wieder kommen!“ Wir haben viele Familien, die bereits mehrmals bei uns waren. Dann sagen uns gerade Eltern häufig, dass sie es sehr genießen würden, wieder einmal etwas Zeit als Paar verbringen zu können. Viele erzählen uns, dass der Aufenthalt bei uns ihr Highlight ist, auf das sie sich immer schon das ganze Jahr über freuen.

Wie finanzieren Sie Ihr Angebot? Welche Kosten kommen auf die Familien mit schwer erkrankten Kindern zu?

Wir finanzieren uns ausschließlich über Spenden. Unsere Idee ist es, dass Familien zu uns kommen können, wenn sie es brauchen, und nicht, wenn sie es sich leisten können. Deshalb zahlt jede Familie einen kleinen, auf die individuelle finanzielle Situation abgestimmten Eigenanteil. Die Differenz zu den tatsächlichen Kosten übernimmt der Verein. So kommen die Spendengelder gerade den Familien zugute, die es wirklich brauchen. Spenden erhalten wir beispielsweise von Privatpersonen. Oder Unternehmen unterstützen uns, die eine Patenschaft für den Aufenthalt einer Familie übernehmen. Dann gibt es auch Stiftungen, die unsere Idee gut finden, oder wir bekommen Spenden aus Benefizveranstaltungen. Wir freuen uns auf jeden Fall über jede Unterstützung!

 

So kannst du „Arche Herzensbrücken“ unterstützen:

https://www.herzensbruecken.at/spenden-helfen/online-spenden/

 

Dieser Beitrag ist urheberrechtlich geschützt.

 

Weitere Herzensprojekte für schwer erkrankte Kinder:

Make-A-Wish erfüllt Wünsche schwer kranker Kinder

Herzenswunsch-Krankenwagen macht Träume schwer kranker Menschen wahr

 

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