von Kristin Frauenhoffer
Nicht Pflanze, nicht Tier, nicht Mensch – der Pilz ist irgendwo dazwischen zu finden. Eine ganz eigene Spezies, die seit Millionen von Jahren unseren Planeten bevölkert. Was sollte an diesen Gewächsen so interessant sein? Pilze kann man essen, zumindest einige. Und sonst? Der außergewöhnliche Dokumentarfilm „Fanastic Fungi“ von Louie Schwartzberg erzählt eine einzigartige Geschichte. Danach betrachtet man Pilze mit anderen Augen. Garantiert.
Die vor gut eineinhalb Jahren erschienene Dokumentation überrascht nicht nur durch atemberaubende Naturaufnahmen in Zeitraffer, sondern bringt Zuschauer*innen Pilze als unglaublich vielfältige und nützliche Geschöpfe näher. Zum Beispiel lernt man, dass der Pilz an sich nur die Frucht und der eigentliche „Fungus“ ein Organismus ist, der sich Myzel nennt. Er verfügt über ein riesiges Netzwerk an Zellen, ähnlich dem menschlichen Gehirn oder einem Computernetzwerk. Diese „ernähren“ sich von sterbender oder toter Materie und leiten die gewonnenen Nährstoffe in den Boden zurück. Dadurch entsteht fruchtbare Erde. Stirbt beispielsweise ein Tier im Wald, übernimmt irgendwann ein Schimmelpilz die Arbeit der Kompostierung. Ein Kreislauf entsteht, der ein gesundes und stabiles Ökosystem zur Folge hat. Pilze sind die geborenen Recycler.
Fantastic Fungi: Ein riesiges Netzwerk unter unseren Füßen
Die Welt der Pilze ist bunt und vielfältig. Der Film überwältigt mit faszinierenden Zeitrafferaufnahmen und zeigt uns, wie unterschiedlich Pilze aussehen. Es gibt rund 1,3 Millionen Arten. Man sieht sie wachsen und wieder verfallen. Aber noch beeindruckender ist die computeranimierte Darstellung des riesigen Netzwerkes, das unter unseren Füßen wächst. Nach dieser Filmdokumentation geht man anders durch den Wald. Man ist sich plötzlich des Lebewesens bewusst, dass da im Boden unter einem seine Fühler in alle Richtungen ausstreckt.
Recycler und Vermittler: Was Pilze alles können
In „Fantastic Fungi“ begleiten die Zuschauer*innen den Wissenschaftler und Mykologen Paul Stamets, der das Wesen der Pilze erläutert – immer mit viel Enthusiasmus in der Stimme. Überhaupt scheinen alle interviewten Personen – seien sie Autor*innen, Ernährungsexpert*innen oder Ärzt*innen – begeistert von ihrem Spezialgebiet zu sein.
Es ist aber auch beeindruckend, was diese Organismen leisten und wie sie unsere Welt und vor allem unsere Gesundheit und die der Natur beeinflussen. Zum Beispiel kommunizieren Bäume über das Fungus-Netzwerk im Boden miteinander. Sie „warnen“ einander, wenn es einen Befall mit einem Erreger gibt und sie tauschen Nährstoffe aus. Dabei entziehen die Pilze dem Boden Stickstoff und geben ihn an die Pflanzen und Bäume über deren Wurzeln weiter. Der Fungus ist also nicht nur ein Recycler, sondern auch ein Vermittler zwischen Lebewesen und Lieferant von Nährstoffen. Doch nicht nur das: Die Dokumentation geht sogar soweit zu sagen, dass Pilze unseren Planeten retten könnten.
Pilze gegen die Corona-Pandemie?
Aktuell wie nie war eine ganz spezielle Erkenntnis des Films: Vielleicht könnte ein Fungus die Corona-Pandemie bekämpfen!
Es gibt Pilze, so genannte psilocybinhaltige Pilze, denen antibiotische Eigenschaften zugeschrieben werden. Das 1927 entdeckte Penicillin zum Beispiel entstammt einem Pilz. Seit Millionen von Jahren wehren sich Pilze mit bestimmten Chemikalien, die sie produzieren, gegen andere Fungi, Mikroben, Bakterien und Viren. Seit Jahren forschen Wissenschaftler*innen daran, wie man bestimmte Fungi als Biowaffe gegen Virus-Epidemien verwenden könnte. Wer weiß, was gerade in den Laboren dieser Welt entwickelt wird?
„Magic mushrooms“ lassen Nervenzellen wachsen
Ein nicht unwesentlicher Teil des Film beschäftigt sich dann auch mit der psychedelischen Wirkung von psilocybinhaltigen Pilzen. Angeblich könne solch ein Pilz die Neubildung von neuronalen Verknüpfungen fördern. Genau wie unsere Vorfahren offenbar durch den Genuss solcher „magic mushrooms“ ein starkes Gehirnwachstum – und damit die Zunahme ihrer Intelligenz – verzeichneten, könnten uns in Zukunft diese kleinen Gewächse vor Alzheimer schützen. In Ostasien gelten Pilze traditionell als Medizin und werden beispielsweise zur Stärkung des Immunsystems eingesetzt.
Kleiner Pilz – große Wirkung: Man erfährt viele spannende Dinge in dieser Dokumentation, die für die meisten von uns neu sein werden. Und am Ende fragt man sich, warum Pilze so ein unscheinbares Dasein fristen. Wer weiß, vielleicht sind sie ja wirklich die Lösung für viele unserer Probleme.
Der Film mit dem deutschen Titel „Fantastische Pilze“ von Louie Schwartzberg kommt jetzt endlich auch nach Deutschland. Am 9. September ist Kinostart!
Hier geht es zur Webseite: https://fantasticfungi.com
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