von Kristin Frauenhoffer
Das kleine Königreich Bhutan ist das einzige Land dieser Erde, in dem das Glück der Bevölkerung an erster Stelle steht. Statt des Bruttoinlandsproduktes gilt das „Bruttonationalglück“ als Maßstab aller staatlichen Bemühungen. Die Institutionen im Land sind verpflichtet, dieses Glück zu fördern. Bereits in der Schule lernen bhutanesische Kinder Achtsamkeit und soziale und emotionale Fähigkeiten wie Empathie, Kommunikations- und Konfliktmanagement.
Was viele nicht wissen: In Deutschland gibt es ein Ministerium, das es sich zur Aufgabe gemacht hat, das Bruttonationalglück auch hierzulande zu steigern – das Ministerium für Glück und Wohlbefinden. Noch ist die Initiative von Gina Schöler zwar kein echtes staatliches Ministerium, doch der Look ist auffallend echt – inklusive Adler und Deutschlandfarben. Eine witzige und anregende Metapher für eine Idee, die es zu verfolgen gilt.
Das dachte sich Gina Schöler, als sie 2012 ihr Glücksministerium ins Leben rief. Ziel der transmedialen Kampagne ist es, in Deutschland den Fokus wieder mehr auf das gesellschaftliche und somit auch auf das persönliche Wohl von allen zu legen. Die Initiative soll zum Mitmachen animieren: mitdiskutieren, teilen, miteinander sprechen, Ideen einbringen und vor allem selbst aktiv werden. Auf der Webseite des „Ministeriums“ finden sich zahlreiche alltagsnahe Ideen, Denkanstöße und Inspirationen für das große und kleine Glück.
Wie wollen wir leben und was zählt wirklich?
Ausgangspunkt der Initiative war eine Aufgabe, die Gina während ihres Masterstudiums Kommunikationsdesign an der Hochschule Mannheim erhalten hatte. Die Studierenden sollten den Plan für eine Kampagne schmieden, die einen Wertewandel in unserer Gesellschaft herbeiführt, gestaltet und begleitet. Alles unter dem Motto „Wie wollen wir leben und was zählt wirklich?“. „Wir fragten uns, warum das wirtschaftliche Wachstum über allem steht und warum ‚Wohlstand‘ nicht am Wohlbefinden der Bevölkerung gemessen wird“, erzählt Gina. So wie in Bhutan.
Und so entwickelte die Gruppe gemeinsam die provozierend echt aussehende Metapher des Ministeriums für Glück und Wohlbefinden. Das offizielle „graue“ Erscheinungsbild – gepaart mit frechen Aktionen, bunten Bildern und Interaktionen der Bürger*innen – ist eine gute Mischung, um in einen öffentlichen Dialog zu treten. Als das Semester um war, drohte die Idee in der Schublade zu verschwinden. Deshalb schrieb Gina noch ihre Masterarbeit zum selben Thema und erfand schließlich ihren Beruf nach dem Studium selbst. Seitdem ist sie als „Glücksministerin“ selbstständig in glücklicher Mission unterwegs.
Die Menschen spielerisch aus dem Autopilot herausholen
Dafür reist die gebürtige Mannheimerin oft quer durch Deutschland, empfängt Delegationen, hält Impulsvorträge, organisiert Veranstaltungen oder Workshops an Schulen, in Unternehmen und Organisationen. Sie schreibt Bücher und ist mittlerweile immer öfter auch im Fernsehen zu sehen. Die Konzepte und Aktionen, die sie erarbeitet, sollen etwas in den Köpfen und Herzen der Menschen bewegen: „Ich versuche, sie spielerisch aus dem Autopiloten herauszubekommen, damit sie beginnen, nachzudenken, was sie wirklich wollen, was sie glücklich macht und was sie dafür eben auch aktiv tun und verändern können“, erklärt Gina ihr Vorgehen. Das Wort Workshop wird bei ihr wörtlich genommen. Es wird viel mit den Händen gearbeitet, gebastelt, raus auf die Straße gegangen, geredet, ausprobiert und reflektiert.
Die Zutaten für die eigene Glücksformel finden und in das Leben integrieren
Mittlerweile buchen auch viele Unternehmen die Glücks-Workshops. Schließlich haben sie erkannt, dass glückliche Mitarbeiter*innen nicht nur produktiver und kreativer sind, sondern auch belastbarer, wenn es im Arbeitsalltag stressig wird. „Optimismus und Lebensfreude wirken wie ein Puffer bei Belastungen oder negativen Ereignissen“, erklärt Gina. Wie man diese Lebensfreude gewinnt, ist allerdings sehr unterschiedlich. Deshalb verteilt das Ministerium auch keine „Glücksrezepte“, dafür gebe es viel zu viele individuelle Definitionen von Glück. Vielmehr will die Initiative Menschen dazu inspirieren, selbst aktiv nach dem Glück zu suchen. Die Zutaten für die eigene Glücksformel finden und Stück für Stück in das Leben integrieren, lautet das Motto.
Glückspost und Ta-Da-Listen
Auf der Webseite des Ministeriums gibt es jede Menge Inspirationen. Zum Beispiel das Glücksglas, in dem man besondere Erlebnisse und Erinnerungen sammeln, die Glückspost, mit der man liebe Menschen erfreuen kann oder die „Ta-Da-Liste“. Als Gegenpol zu ständigen To-Do-Listen finden sich auf ihr nur Aufgaben, die Kraft spenden und Spaß machen, zum Beispiel: „Schreib auf, was du an dir magst.“ „Stelle dein Handy für eine Stunde auf Flugmodus.“ „Wirf jemandem eine nette Nachricht in den Briefkasten.“ Erweitern kann jede*r die Liste nach eigenen Vorlieben und persönlichem Geschmack. Auch Flyer, auf dem Passant*innen jeweils ein kleines Stückchen „Glück“ abreißen dürfen, kann man auf der Homepage herunterladen.
Glück in Zeiten der Krise
All die kleinen Aktionen sollen zeigen: Wir alle können etwas verändern, auch wenn es noch so klein ist. Auch und gerade in Zeiten der Krise, wie wir sie im Moment erleben, sei es wichtig, sich dieses kleine Glück vor Augen zu führen. Man müsse nicht auf Dauer glücklich sein, betont Gina, das schaffe zu viel Druck. Stattdessen solle man sich in Geduld und Gelassenheit üben und Nachsicht mit sich selbst und anderen haben. Dabei hilft gegenseitiges Verständnis, Empathie und Austausch über Ängste und Herausforderungen. So kann ein Gefühl von Verbundenheit entstehen – für Glücksministerin Gina einer der Schlüssel für ein glückliches Leben. Aber auch wiederkehrende Momente der Selbstfürsorge und der Genuss alltäglicher Dinge wie Sonne tanken beim Spazierengehen, leckeres Essen oder Tanzpausen im Teammeeting können die eigene Zufriedenheit steigern.
Detektiv der kleinen Dinge: anhalten, wahrnehmen, genießen
Gina hat sich selbst beispielsweise zur Detektivin der kleinen Dinge ernannt. „Ich versuche, dieser Berufung so oft es geht, nachzukommen. Rausgehen und die Welt entdecken, und zwar im Kleinen. Zum Beispiel auf der Straße stehen bleiben, wenn man etwas Besonderes entdeckt. Das Wunderbare im Alltäglichen erkennen“, beschreibt sie ihre Einstellung. Wir müssen nicht das Gefühl haben, die Welt von heute auf morgen retten zu können. Denn es gibt Tage, da erscheint es uns unglaublich schwierig, überhaupt Glück zu empfinden. „Aber jede*r hat seinen oder ihren Wirkungskreis und wenn jede*r von uns hier und heute und jetzt beginnt, sich selbst und andere glücklich(er) zu machen, dann sind wir alle schon ein großes Stück weiter!“, fasst Gina es zusammen. So können wir gemeinsam das Bruttonationalglück steigern, und vielleicht wird das Ministerium für Glück und Wohlbefinden dann wirklich eines Tages eine staatliche Institution.
Wollt ihr mehr über das Ministerium für Glück und Wohlbefinden erfahren, dann besucht die Webseite.
Hier findet ihr das neueste Buch „Glück doch mal“ von Gina Schöler mit 99 unterhaltsamen und kreativen Challenges, wie man sein Glück selbst gestalten kann.
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