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HaWandel Verlag:
Diese Kinderbücher zeigen, wie unsere Gesellschaft ist – vielfältig

Karin Beese wünschte sich mehr Diversität in Kinderbüchern. Weil es das aber selten gibt, gründete sie kurzerhand ihren eigenen Verlag.
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Interview: Kristin Frauenhoffer

Karin Beese setzt sich für eine vielfältige Kinderbuchlandschaft ein.

Diversität in Kinderbüchern ist ein wichtiges Thema. Zwar begegnen einem immer häufiger Held*innen, die unterschiedliche Hautfarben haben, geflüchtet sind oder ein Kopftuch tragen. Doch oft ist genau dieses „Anderssein“ dann Inhalt des Buches oder stellt den zentralen Konflikt dar. Selten trifft man auf Hauptfiguren, die ein Abenteuer erleben, das nichts mit ihrem diversen Aussehen zu tun hat.

Genau das möchte Karin Beese ändern. 2015 gründete die in Berlin lebende Mutter von drei Kindern deshalb ihren eigenen Verlag. Nach dem Motto: Wenn es etwas nicht gibt, muss man es eben erfinden. Und so entstand der HaWandel Verlag, in dessen Kinderbüchern Diversität überall sichtbar ist, aber nicht als Problem, sondern als etwas Normales dargestellt wird. Sie zeigen unsere Gesellschaft, wie sie ist – divers und vielfältig. Im Interview hat uns Karin mehr über ihr Herzensprojekt verraten.

 

Karin, wie entstand die Idee, einen eigenen Verlag zu gründen?

Meine älteste Tochter kam 2009 auf die Welt, und so beschäftigte ich mich in den folgenden Jahren immer intensiver mit Kinderbüchern. Ich wollte, dass die Bücher, die ich meiner Tochter vorlas, auf rassistische oder andere diskriminierende Darstellungen verzichten. Mir war es aber auch wichtig, dass schwarze Kinder und Children of Color im Zentrum der Handlung stehen. Leider war das damals fast ausschließlich nur dann der Fall, wenn es um Geschichten um Krieg, Flucht, Integration oder das Überwinden von „Anders-Sein“ ging.
Trotz intensiver Recherche und Austausch in verschiedenen Online-Foren konnte man einfach kaum Bücher mit BIPoC-Held*innen (Abkürzung für Black, Indigenous und People of Color) finden – vor allem keine aus dem deutschsprachigen Raum. Also beschloss ich, selbst kleine Held*innen zu schaffen. Held*innen, die hier in Deutschland gemeinsam Abenteuer erleben, ohne dass Themen wie Hautfarbe, Religion oder Familienkonstellation thematisiert oder gar problematisiert werden.

 

Und dann erschien dein erstes Buch …

Ja. So begann die Arbeit am ersten Band von „Nelly und die Berlinchen“, zusammen mit meiner Freundin Mathilde Rousseau. Uns wurde schnell klar, dass große Verlage (noch) kein Interesse an diesen neuen Held*innen hatten. Wahrscheinlich fehlte der Mut, Charaktere außerhalb der weißen Vater-Mutter-Kind-Konstellation zu zeigen. Deshalb nahm ich die Sache selbst in die Hand und gründete den HaWandel Verlag.

 

Was ist die Mission des HaWandel Verlags?

Schon sehr kleine Kinder nehmen Unterschiede zwischen Menschen wahr. Über Gesellschaft, Eltern, Familie, Kita – vor allem auch über Bücher – werden diesen Unterschieden dann „Wertungen“ zugewiesen, die oft mit Diskriminierungen einhergehen. Allein das Fehlen bestimmter Figuren führt dazu, dass Kinder, die Minderheiten oder marginalisierten Gruppen angehören, sich nicht zur Gesellschaft dazugehörig fühlen. Wie oft sieht man in Kinderbüchern zum Beispiel eine Frau am Steuer eines Busses oder eine schwarze Ärztin oder einen Politiker mit Behinderung? Oft können diese Kinder bestimmte Lebenswege und Chancen nicht für sich wahrnehmen. Deshalb ist es für sie und für alle Kinder so wichtig, sich schon in ihren ersten Bilderbüchern wiederzufinden. Und zwar nicht nur irgendwo im Hintergrund des Bildes, sondern auch als Hauptfigur.
Mit unseren HaWandel-Büchern möchten wir zwei Dinge erreichen: Sie sollen Kinder stärken und gleichzeitig gegen Rassismus und Diskriminierung wirken. Wenn sich etwa weiße Kinder mit BIPoC-Held*innen identifizieren, sich Jungs auch in Mädchenfiguren hineinversetzen oder wenn einer Figur gar kein Geschlecht zugeschrieben wird, trägt dies zu Offenheit und Unvoreingenommenheit bei Kindern bei.

 

Was sind Grundthemen in den Büchern?

Wir zeigen den Alltag von Kindern. Der ist spannend, lustig und direkt aus dem Leben. Die witzigen Alltagsabenteuer drehen sich um Themen, mit denen sich alle Kinder identifizieren können: Freundschaft, Familie und der Umgang mit Gefühlen. Fantasie und kreative Ideen spielen dabei eine wichtige Rolle, aber auch die Natur als Raum zum Spielen und Zurückziehen – egal, ob mitten in der Großstadt und auf dem Land. Nachhaltigkeit wird durch kleine Details in den Illustrationen vermittelt. So stellen wir zum Beispiel ausschließlich vegetarische Nahrungsmittel dar und zeigen emissionsarme Transportmittel. Und in unseren Büchern stehen die Kinder selbst im Mittelpunkt – ihre Gedanken, Wünsche, Hoffnungen, Herausforderungen und eigenen Lösungen. Erwachsene kommen als Nebencharaktere vor, ohne die Handlung zu bestimmen.

 

Was unterscheidet den HaWandel Verlag von anderen Kinderbuchverlagen?

Ich hatte mich damals ohne jede Vorerfahrung ins Verlagsgeschäft gestürzt und mich bei vielen Entscheidungen auf mein Gefühl verlassen. Erst nach und nach habe ich gelernt, dass einige Prozesse bei großen Verlagen ganz anders ablaufen. Teilweise kennen sich dort Autor*in und Illustrator*in eines Buches gar nicht und „Neulinge“ haben so gut wie keine Chance.

Unsere Bücher entstehen immer in einem gemeinsamen kreativen Prozess zwischen allen Akteur*innen. Neue und unkonventionelle Leute und Herangehensweisen sind sehr willkommen. Manchmal steht am Anfang nur ein Bild, um das herum sich eine Geschichte entwickelt. Oder eine tolle Geschichte ist da, die Illustrationen wachsen um die Geschichte herum und helfen dabei, diese weiterzuentwickeln. Alle Beteiligten arbeiten mit Leidenschaft und mit ganz viel Liebe zum Detail, mit Geduld, Mut, Offenheit und Ausdauer. Wir machen uns gegenseitig keinen Druck, bleiben aber dran, bis ein neues kleines Kunstwerk entstanden ist.

 

Das klingt nach viel Arbeit für einen kleinen Verlag …

Das stimmt. Aber wir haben viele kleine und große Freund*innen, die uns ehrenamtlich bei der Erstellung der HaWandel-Kinderbücher unterstützen. Für jedes Buch haben ca. 20 Personen mit unterschiedlichen Hintergründen wertvolles Feedback und Ideen eingebracht. Ihre vielfältigen Perspektiven und Kritiken machen unsere Bücher zu dem, was sie sind. Einzigartig. Und das ist genau dann gelungen, wenn man den Büchern die vielen langen Diskussionen über scheinbar unauffällige Details gar nicht anmerkt.

 

„MIRA und die Jahresuhr“ ist eines der Bücher, das etztes Jahr im HaWandel Verlag erschienen ist. Worum geht es in dem Buch und wie ist es entstanden?

BIPoC-Heldin: „Mira und die Jahresuhr“ erschien letztes Jahr.

Priscille Schmitt, die Autorin und Illustratorin, und ich sind schon seit vielen Jahren befreundet. Sie hat meine Reise mit dem HaWandel Verlag genau verfolgt. Ich hatte immer wieder Manuskripte verschiedener Autor*innen zugeschickt bekommen, die sich mit den Themen Rassismus und Diskriminierung beschäftigen. Aber genau das sollten ja nicht die inhaltlichen Themen von HaWandel-Geschichten sein.

Und dann kam Priscille und erzählte mir von ihrer Buchidee: Sie wollte ein Bilderbuch kreieren, in dem Kinder über witzige Geschichten um ein mutiges kleines Mädchen ein erstes Gefühl für den Jahresverlauf und die einzelnen Monate im Jahr bekommen. Das war perfekt! Natürlich hat mich auch der vorgeschlagene Name für die kleine Heldin des Buches überzeugt, heißt doch meine jüngste Tochter auch Mira.

Die 12 Geschichten im Buch (eine für jeden Monat des Jahres) drehen sich um den ersten Schnee, Fasching, Eiermalen, Schulanfang, Geburtstag, Weihnachtszeit … Das Buch bietet vielfältige Lernmöglichkeiten und Interaktivität. Die Kinder können im Buch zählen, suchen, erste Buchstaben lesen und so mehr über die Monate und Jahreszeiten lernen. Und ganz „nebenbei“ sieht man in den wunderschönen Illustrationen von Priscille, dass Mira eine Schwarze Mama und einen weißen Papa hat. Dass sie von einer männlichen Lehrkraft in der Schule unterrichtet wird, Freund*innen mit unterschiedlichen Hautfarben, mit Brille oder Krücken hat. Auch kann man erkennen, dass Mira ihre Abenteuer mal mit Mama und mal mit Papa, aber nie mit beiden zusammen erlebt. So können sich auch Kinder mit getrennt erziehenden Eltern identifizieren. Bei den witzigen Reimen wurde Priscille von Manuel Ambrosch unterstützt. Vor „MIRA“ schrieb er als Rapper Sprechgesangslieder und wagte sich nun gemeinsam mit uns an seine ersten Kinderbuchreime.

 

Und die gefallen Kindern ja … Lässt du die Bücher von deinen Kindern „gegenlesen“, bevor sie veröffentlicht werden?

Natürlich lesen unsere Kinder alle HaWandel-Bücher in den unterschiedlichen Stadien und bringen Vorschläge ein. Viele der Berlinchen-Geschichten sind durch eigene Erlebnisse unserer Mädels inspiriert. Meine Töchter sind aber inzwischen schon 7, 9 und 13 Jahre alt und interessieren sich nicht mehr so für Bilderbücher. Aber wenn es dann ans Reimen eines neuen Berlinchen-Buchs geht, haben alle witzige Vorschläge. Und es gibt Tage, an denen alle am Abendbrottisch nur noch in Reimen sprechen.

 

Mehr Infos zum Verlag gibt es hier: https://hawandel.de/

Und hier kann man „MIRA und die Jahresuhr“ bestellen!

 

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