Interview: Gerda Stauner
Die Geburt und der Tod sind zwei Ereignisse, die zu jedem Leben dazugehören. Aber im Gegensatz zur Geburt, die gefeiert wird und auch viel Platz im gesellschaftlichen Leben einnimmt, beschäftigen sich viele erst mit dem Tod, wenn er unausweichlich ist. Zwei junge Frauen widmen sich beruflich diesem Tabuthema. Magdalena Schwarzwald und Anni Klostermeier haben sich im Masterstudiengang Perimortale Wissenschaften kennengelernt und gründeten Anfang 2023 das Bestattungsunternehmen Plan B. in Regensburg. Im Interview berichten sie davon, was sie dazu bewogen hat, den Tod in ihr Leben zu lassen und wie unterschiedlich sich die Begleitung von Trauernden gestalten kann.
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Magdalene, wenn man dich und Anni ansieht, dann merkt man sofort, dass ihr empathische, junge Frauen seid, die mitten im Leben stehen. Wie kam es, dass ihr euch mit dem Thema Tod beschäftigt? Entstand während eures Studiums schon die Idee, ein eigenes Bestattungsunternehmen zu gründen?
Magdalena: Im Master perimortale Wissenschaften ist es Pflicht, ein Praktikum in einem Bereich zu machen, der sich mit Sterben, Tod und Trauer auseinandersetzt. Durch Zufälle bin ich in Berlin bei einem Bestatter gelandet, der den Fokus auf die Trauerbegleitung legt. Berlin war für mich eine willkommene Abwechslung und Möglichkeit, da ich ja schon zwei Kids zu Hause habe und Berlin wirklich gerne mag. Es war also nicht der Beruf an sich, weswegen ich das Praktikum gemacht habe. Und ich hätte nie gedacht, dass dieser Beruf und die Möglichkeit, Menschen in schwierigen Situationen zu unterstützen, mich derart beeindrucken werden. Aber dann war ich berührt und begeistert und habe gleichzeitig festgestellt, wie wenig divers die Bestattungslandschaft noch ist. Obwohl wir eine so diverse Gesellschaft sind und alle irgendwann sterben. Aus einem scherzhaften Gespräch zwischen zwei Vorlesungen mit Anni ergab sich dann einfach die Idee, so einen Raum in Regensburg zu schaffen.
Praktikum beim Bestatter
Anni: Ich habe noch nie Berührungsängste mit dem Thema Tod verspürt, es immer als wichtig erachtet und mit einer gewissen Neugier betrachtet. Schon in der Schule wollte ich ein Praktikum in einem Bestattungsinstitut machen, aber ich war allen zu jung. Dann nahm mein Leben einen anderen Weg und ich wurde Sozialarbeiterin. Der Tod aber hat mich dennoch nie ganz losgelassen, weswegen der Master endlich die Chance war, sich interdisziplinär und mit Aussicht auf eine berufliche Zukunft mit den Themen Sterben, Tod und Trauer auseinanderzusetzen.
Mein Pflichtpraktikum habe ich dann natürlich bei einem Bestatter gemacht. Dort habe ich gesehen, dass Bestattung mehr sein kann als das, was ich bisher hinter dem Berufszweig vermutet hatte. Damit wurde es auch für mich zu einer realistischen Option. Die Aussicht auf eine derart sinnstiftende und abwechslungsreiche Arbeit – in Kombination mit den unternehmerischen Anteilen und den Möglichkeiten durch die Selbstständigkeit – machten es für mich vor ziemlich genau einem Jahr zur besten und schlüssigsten Möglichkeit, meine professionelle Zukunft zu gestalten.
Ihr werdet sicher oft gefragt, warum ihr euch mit dem Tod beschäftigt. Was antwortet ihr darauf?
Warum auch nicht? Der Tod gehört zum Leben dazu. Es ist das eine Thema, dass uns alle betrifft und wir profitieren davon, uns ihm zu nähern und schon zu Lebzeiten nicht die Auseinandersetzung zu scheuen. Wenn man erstmal angefangen hat, sich mit Sterben, Tod und Trauer zu beschäftigen, kann man feststellen, wie vielschichtig dieser vermeintlich nur traurige Themenkomplex ist.
Tod und Sterben sind weit mehr als Traurigkeit. Das durch eine Arbeit miterleben zu können, die sich – aufgrund der Friedhofs- und Beisetzungspflicht in Deutschland – in einem Spannungsfeld von Pflicht und Notwendigkeit einerseits und individuellen Bedürfnissen andererseits in einer unwiderbringlichen intimen, sensiblen Situation bewegt, ist sowohl reizvoll als auch abwechslungsreich. Im Bereich Trauerkultur bewegt sich in unserer Gesellschaft gerade zum Beispiel durch die zunehmende Abkehr von religiösen Institutionen sehr viel. Dennoch brauchen die meisten Menschen in einer solchen Ausnahmesituation haltgebende Rituale. Diesen Wandel mitzuerleben und mitgestalten zu können, betrachten wir als großes Privileg und Aufgabe, der wir uns mit Leidenschaft stellen.
Ihr habt euch beim Masterstudiengang Perimortale Wissenschaften an der Uni Regensburg kennengelernt. An wen richtet sich dieser Studiengang?
In Deutschland sterben derzeit jährlich etwa eine Million Menschen, Tendenz steigend. Sterben ist ein Zukunftsthema einer alternden Gesellschaft. Auf Sterben, Tod und Trauer sind viele soziale Teilsysteme, Institutionen, Organisationen, Berufsgruppen und ehrenamtlich Engagierte bezogen. Trotz religiöser und weltanschaulicher Vielfalt in unserer Gesellschaft gelten die christlichen Kirchen noch immer als Kompetenzzentren gerade für Sterben und Abschied, Tod und Totenversorgung, Trauer und Trauerbegleitung.
Vor diesem Hintergrund steht der Masterstudiengang Perimortale Wissenschaften (PeWi) in besonderer Verantwortung der Fakultät für Katholische Theologie. An der PeWi-Lehre sind aber die verschiedensten wissenschaftlichen Fächer beteiligt: neben der Theologie unter anderem Humanmedizin, Rechtswissenschaft, Kommunikationswissenschaft, Pädagogik sowie Philosophie. Denn Sterben, Tod und Trauer sind zu große Themen für nur ein Fach. Sie brauchen Interdisziplinarität. PeWi ist ein deutschlandweit einzigartiges Studienangebot. Seit dem Wintersemester 20/21 kann es an der Universität Regensburg belegt werden.
Was läuft bei euch anders als beim klassischen Bestatter?
Natürlich gibt es Dinge, die wir anders angehen als manche anderen Bestattungsinstitute. Dennoch ist es uns wichtig zu betonen, dass wir in den grundlegenden Aufgaben selbstverständlich die gleichen übernehmen wie alle anderen auch. Der Unterschied liegt vielmehr darin, dass wir beide als Grundstudium Soziale Arbeit studiert und uns im Master der perimortalen Wissenschaften – also alles rund um die Themen Sterben, Trauer und Tod – weiter qualifiziert haben. Für uns steht dementsprechend die Begleitung der Menschen in ihrem Trauerprozess im Vordergrund. Obwohl wir ungerne den “Generations- oder Geschlechterkonflikt” aufmachen, sind wir eine neue Generation junger Unternehmerinnen. Soziale und ökologische Nachhaltigkeit, Vereinbarkeit von Beruf und Familie und mentale Gesundheit im Arbeitskontext, um dann auch qualitativ hochwertig arbeiten zu können, sind Teil unseres Selbstverständnisses.
Wir haben zum Beispiel nur eine geringe Auswahl an Produkten. So können wir auch nachvollziehen, wer wo und mit welchen Materialien arbeitet. Aber nicht nur hier ist uns Transparenz wichtig. Auch unsere Preise kommunizieren wir offen. Unsere Preisliste ist online einsehbar.
Ihr kennt die oder den Verstorbenen in der Regel nicht. Ist es euch wichtig, dass der Abschied auch in ihrem oder seinem Sinne wäre?
Ja, das ist uns sehr wichtig. Es ist nicht immer leicht, eine Lösung zu finden, wenn die Bedürfnisse der verstorbenen Person und die der Zu- und Angehörigen weit auseinanderliegen. Aber gerade hier finde ich den Beruf spannend. Ich bin vielleicht auf eine naive Art davon überzeugt, dass es immer einen Weg gibt, einen Abschied zu gestalten, bei dem es möglich ist, alle Beteiligten und deren Bedürfnisse zu berücksichtigen.
Mögt ihr uns Beispiele für Trauerfeiern geben, die ihr begleitet habt? Wie unterschiedlich können diese sein?
Wir haben von stillen Beisetzungen, bei denen wirklich nichts gesagt wird, bis hin zu großen Feiern mit über 500 Leuten alles dabei. Außerdem haben wir auch Beisetzungen in Kirchen oder eine Feier an einem Badesee organisiert.
Wir versuchen, individuell mit den Menschen herauszufinden, was zur Person gepasst hätte und auch für die Zu- und Angehörigen passt. Und natürlich erfindet man dabei nicht die Idee der Zeremonie oder Feier an sich neu. Das sind Strukturen, die sich ja über Jahrtausende irgendwie in der Geschichte unserer Menschheit etabliert haben. Wir versuchen sie nur gemeinsam mit den Zu- und Angehörigen mit dem passenden Inhalt zu füllen.
In den kommenden Monaten habt ihr geplant, eure Räume in der Regensburger Innenstadt auch für andere zu öffnen. Wie funktioniert eure Idee, das Tabuthema Tod salonfähig zu machen?
Es ist uns ein großes Anliegen, das Thema zu enttabuisieren und auch umfassend in den Blick zu nehmen. In unserem Bestattungshaus gibt es bereits Angebote für Zu- und Angehörige. Das sind Trauergruppen oder Workshops, um sich in einem sicheren Raum immer wieder bewusst mit der eigenen Trauer auseinandersetzen zu können. Andererseits gibt es auch kulturelle und kreative Angebote, um sich ohne akute Betroffenheit dem Thema aus verschiedenen Perspektiven neugierig nähern zu können. Deswegen sind wir auch direkt in die Altstadt gezogen und haben uns einen Laden mit großen und hellen Fenstern gesucht. Es ist uns wichtig, dass unser Laden ein Wohlfühlort sein kann, an dem man selbst und alles, was eben da ist, auch einfach da sein darf.
Künftig wollen wir verstärkt verschiedene Veranstaltungen und Workshops anbieten. Die Ideen kommen nicht unbedingt von uns, sondern auch von Menschen, die das Thema enttabuisieren oder etwas dazu beitragen wollen, Räume und Diskurse zum Thema zu eröffnen. Auch Betroffene kommen mit Ideen und Anregungen, was ihnen bei der Trauerbewältigung helfen könnte.
Wir finden gerade heraus, wohin sich unser Bestattungshaus entwickeln kann, wenn wir es ür diese Impulse von „außen“ öffnen. Es soll ein Ort der Begegnung und Verbindung sein.
Im Sommer war das Projekt ‚Sargbar‘ aus Österreich bei euch zu Gast und hat das Spiel ‚Sarggespräche‘ vorgestellt. Habt ihr das Gefühl, dass solche Initiativen helfen, die Berührungsängste im Umgang mit dem Tod abzubauen?
Gerade die Idee, im öffentlichen Raum mit dem Thema umzugehen, finden wir spannend und wichtig. Menschen sterben nicht mehr zu Hause, obwohl viele es sich so wünschen würden. Der Tod ist an den Rand gedrängt, auf gesellschaftlicher wie auch individueller Ebene. Zumindest zeigt das unsere Erfahrung. Dementsprechend versuchen wir, die Menschen auf eine sympathische Art zu konfrontieren. Den Laden direkt in der Stadt zu haben, ist Teil dieser Haltung.
Weitere Infos zu Plan B findet ihr hier: planb-bestattungen.de/
Außerdem schreibt Magdalena auf einem eignen Blog über das Thema Tod: blogs.taz.de/wiege/
Infos zum Spiel ‚Sarggespräche‘ gibt es hier: deathpositiv.at/spiel-sarggespraeche/
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