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Recyclinghaus als Prototyp für die Zukunft

Eine Familie in Hannover bewohnt das erste Haus in Deutschland, das aus recycelten Baustoffen besteht. Das Projekt wurde oft ausgebremst.
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von Oxana Bytschenko

Die Bauteile im Recyclinghaus haben eine Vergangenheit, wie zum Beispiel diese Tür mit der Aufschrift „Meeting Room“, die früher ein Teil einer Messe war. Foto: Olaf Mahlstedt

Die Fassade des Hauses besteht aus alten Saunabänken. In der Dämmung sind Kakaosäcke eingearbeitet und in den Innenwänden alte Abbruchziegel. Das Motto „Nichts verschwenden“ gilt für dieses Haus in Hannover besonders: Es ist das erste Recyclinghaus in Deutschland, beauftragt vom experimentierfreudigen Wohnungs- und Bauunternehmen Gundlach Bau und Immobilien. Gebaut vom Planernetzwerk Cityförster, bestehend aus Architekt*innen, Ingenieur*innen und Stadtplaner*innen. Das Haus hat in diesem Jahr den Innovationspreis des Bundesverbands freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen bekommen.

Unsere Häuser und Wohnungen kosten nicht nur viel Geld, sie sind auch Klimakiller. Die Bauindustrie ist für 38 Prozent der weltweiten Co2-Emissionen verantwortlich. Sie hinterlässt eine Menge Bauschutt und -materialien, die nicht wiederverwendet werden. Das will Gundlach Bau und Immobilien ändern.

Recyclinghaus reduziert die graue Energie

Das ambitionierte Vorhaben Recyclinghaus hatte ein Ziel: die Abfallmenge und die sogenannte graue Energie beim Hausbau zu reduzieren. Damit ist der Energieverbrauch gemeint, der bei Herstellung, Lagerung, Transport, Verarbeitung und Entsorgung von Produkten entsteht. Bei einem Einfamilienhaus macht die graue Energie ein Drittel des gesamten Energiebedarfs aus.

Gundlach wollte auch den Blick auf alte Gebäude ändern. Sie sollten als riesiges Rohstofflager betrachtet werden. In Zeiten von knappen Ressourcen bekommen recycelte Baumaterialien eine neue Bedeutung. Früher benutzte man auch alles wieder: Holzbalken in Häusern wurden in anderen Gebäuden verwendet. Weil es keine neuen Waschbecken gab oder wenn sie zu teuer waren, gaben sich die Menschen jahrzehntelang mit einem alten zufrieden.

Kronkorken aus der Brauerei für die Fliesen

Die Türen stammen aus einem Bauernhaus in der Nähe. Foto: Olaf Mahlstedt

So ein Waschbecken steht auch im Recyclinghaus. Die Waschschale aus Edelstahl war früher ein Sauna-Aufgussbecken. Badewanne und Spiegel haben als Fundstücke ebenfalls eine Vergangenheit. Die Eingangstür verschloss einmal ein Bauernhaus in der Nähe. Die Möbel und Innenwände sind aus gebrauchten Bauplatten einer Messe. Die Treppe ist aus gebrauchtem Stahl gefertigt. Selbst der Teppich im Recyclinghaus ist nicht neu, sondern aus Recyclinggarn. Die Mosaikfliesen in den Bädern des Hauses bestehen aus Kronkorken aus einer Brauerei und einem Burger-Restaurant.

Im Innenbereich wurde mehr als die Hälfte der Materialien wiederverwendet. Die Kakaosäcke in der Dämmung kamen vom Schokoladenhersteller Ritter-Sport. Er musste diese  vorher nach einmaliger Nutzung entsorgen. Stattdessen wärmen die Kakaosäcke die vierköpfige Familie, die im Recyclinghaus wohnt.

Die Planer*innen wollten ein 100-prozentiges Recyclinghaus schaffen. Es ist jedoch nach dreijähriger Planung nicht gelungen, auch wenn das Projekt vom Institut für Bauforschung begleitet wurde und dem KfW-55-Standard entspricht. Aber im Verlauf der Planung wurde klar, dass Deutschland noch nicht genug wieder verwendbare Bauteile hat – und dass es an Normen für diese Materialien fehlt. Vor allem bei Dichtungen und Wasserleitungen mussten die Architekten von Cityförster Kompromisse schließen. So gab es die vorgeschriebenen dreifachverglasten Fenster nicht gebraucht. Beim Bau wurde die Doppelverglasung aus gebrauchten Fenstern ausgebaut und drei Scheiben eingefügt.

In den Innenwänden wurden Abbruchziegel wiederverwendet. Foto: Olaf Mahlstedt

„Ernte“ der Recycling-Materialien in der Nähe   

Um lange Transportwege zu vermeiden, wurden die gebrauchten Bauteile in der Nähe von Hannover „geerntet“. Der Rohbau ist leimfrei und recyclingfähig. Für die Fassade, die sogar zu 90 Prozent aus gebrauchten Bauteilen besteht, kamen Eternitplatten, Profilbauglas und Wellblech zum Einsatz – sowie alte Saunabänke. Das Fundament besteht aus Recyclingbeton mit 42 Prozent Altmaterial. Im Haus sind dennoch rund 100 Tonnen CO2 gebunden, die jedoch erst nach dem Ende der Lebensdauer an die Atmosphäre abgegeben werden. Beim Bau haben die Planer*innen deshalb auch darauf geachtet, die Baustoffe sortenrein zu trennen und sie wieder demontierbar zu machen.

Das Recyclinghaus ist ein erster Versuch, die Zukunft des Bauens anders zu denken – weg vom Verschwenden, mehr zum Wiederverwenden. Das hat aber auch seinen Preis: Ein Quadratmeter des Recyclinghauses kostet etwa 6.000 Euro. Aber irgendwo sollten wir ja anfangen.

 

 

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