von Isabel Maier-Harth
Frisches Gemüse auf dem Teller, ohne jegliche Art von Chemie, am besten saisonal und regional … Davon hatte ich schon länger geträumt, aber wie soll das ohne eigenen Garten gehen? Einen Schrebergarten anmieten? Das ist richtig viel Arbeit. Einfach weiterhin im Bioladen einkaufen, wäre die einfachste Lösung gewesen. Da ist aber die Versuchung wieder groß, auch zu den nicht saisonalen Produkten zu greifen. Bisher bin ich immer samstags auf den Markt gegangen und habe dort beim Landwirt aus dem Nachbarort die konventionell angebauten Produkte für den Wochenbedarf besorgt. Da bekommt man auch nicht saisonales Gemüse, welches zugekauft ist, und noch einen kleinen Plausch inklusive für wenig Geld.
Doch dann hörte ich von der Solidarischen Landwirtschaft Regensburg, kurz SoLaWiR, die sich auf einem Acker im benachbarten Ort Kareth entwickeln sollte. Ich war sogleich sehr beeindruckt von der Idee und beschloss, das Experiment zusammen mit meinem Lebenspartner zu wagen.
Das Konzept der SoLaWiR beschreibt sich wie folgt: Ein fester Kreis von Abnehmer*innen – hier waren es anfangs circa 50 Menschen von Jung bis Alt – teilt sich Arbeit, Kosten, Risiko und Ernte einer Landwirtschaft. Damit trägt eine solche Initiative zum Erhalt oder zur Entstehung kleinbäuerlicher Strukturen in der Region bei. Die Landwirtschaft wird so wieder zu einer kulturell wertvollen, sozialen und ökologischen Angelegenheit.*
Die erste Ernte von SoLaWiR lässt nicht lange auf sich warten.
Um das Ganze erst einmal in Gang zu setzen, beteiligten sich alle bei der Anschubfinanzierung. Ein halber Hektar Acker wurde gepachtet und mit Hilfe von zwei Gärtnern im April 2019 vorbereitet und bepflanzt. Die erste Ernte ließ nicht lange auf sich warten und so gab es nach zwei Monaten im Juni endlich für jede*n Abnehmer*in das begehrte Gemüse.
Dass so ein Projekt erst einmal wachsen und gedeihen muss, wie auch die Pflanzen, zeigte sich bei den ersten Anläufen der Organisation. Es wurden Stadtteilgruppen gebildet, die pro Stadtteil das Gemüse vom Acker abholen und es untereinander verteilen, so dass nicht jede*r einzeln zum Acker fahren muss. Wie schade wäre es denn, wenn wir nachhaltig produzieren, dann aber jede*r doch wieder mit dem Auto vorfahren würde? Das wäre einfach nicht stimmig.
Eine Auswahl an Gemüse, die man so nur selten findet
Nach ein paar Wochen mitsamt Optimierung der Abläufe waren wir bald ein eingespieltes Team. Alle erfreuten sich Woche für Woche an verschiedensten Gemüsesorten:
Fenchel, Kohlrabi, Rucola, Broccoli, Blumenkohl, Zucchini, Gurken, Zuckerschoten, Bohnen, Mangold, Tomaten, Paprika, (Frühlings-)Zwiebeln, Peperoni, Zuckermais, Pastinaken, Petersilienwurzeln, Lauch, (Süß-)Kartoffeln, Karotten, Kürbis, Stangen- und Knollensellerie, Radieschen, Rote Beete, Rettich, Chinakohl, Spinat, Amarant, Weißkraut, Rotkraut, Wirsing, Grünkohl, Postelein, Rosenkohl, Schwarzwurzeln, Kräuter (Basilikum, Petersilie, Salbei, Schnittlauch, Thymian, Bohnenkraut, Zitronenverbene), aber auch die exotischere Physalis konnte man frisch geerntet genießen.
„Im Sommer wuchs uns all der Salat regelrecht über den Kopf.“
Außerdem gab es vor allem in den Monaten Juli und August eine Unmenge an Blattsalaten, die uns regelrecht über den Kopf wuchsen (Sorten im Herbst/Winter: Kopfsalat, Bataviasalat, Zuckerhut, Treviso, Radicchio, Feldsalat). Von daher war es nicht verwunderlich, dass wir Abnehmer*innen uns zwischendurch der Gemüseflut entledigen mussten, indem wir überschüssiges Gemüse, vor allem Salate, an Freund*innen und Verwandte weitergaben. Es sollte ja kein Gemüse schlecht werden!
Aber wir lernen ja nur dazu und das Wetter kann man eben auch nicht beeinflussen. So kam es, dass in angemessenem Abstand gepflanzte Salate aufgrund der Witterung plötzlich alle gleichzeitig in die Höhe schossen und wir zu zweit in einer Woche acht Salate zu „verarbeiten“ hatten.
Die Solidarität zeigt sich auch im Mitgliedsbeitrag: Dieser wird ermittelt, indem der Gesamtetat für ein Gartenjahr auf solidarische Weise durch die Mitgliedsbeiträge der Mitglieder verteilt wird. Kann jemand nicht so viel bezahlen, können andere den Beitrag ausgleichen, indem sie etwas mehr zahlen.
SoLaWiR ist bundesweit gut vernetzt und stark gefragt.
Die SoLaWiR ist mittlerweile ein eigenständiger, gemeinnützig eingetragener Verein, der in Kontakt und Kooperation mit dem Netzwerk der deutschen Solidarischen Landwirtschaft steht (www.solidarische-landwirtschaft.org).
Außerdem setzt sich die SoLaWiR auch anderweitig für den Umwelt- und Klimaschutz in der Region ein: zum Beispiel durch die Organisation von Workshops, um Wissen zu Umwelt, Naturschutz, biologischem Gartenbau, Erhalt alter und samenfester Obst- und Gemüsesorten und vieles mehr zu vermitteln.
Dass das Projekt bei den Regensburgern auf viel Begeisterung trifft, zeigt auch die große Nachfrage während des ersten Gartenjahres. So war die Liste der Abnehmer*innen für das zweite Gartenjahr, dass jetzt im März beginnt, schnell voll. Die SoLaWiR selbst kann und möchte aber gar nicht ins Unendliche wachsen, da die Organisation sonst nicht mehr zu stemmen wäre. Stattdessen möchte sie bei der Gründung von neuen SoLaWis, insbesondere in der Region, unterstützend tätig sein und ihr Wissen weitergeben.
Fragen zu SoLaWiR?
Bei Fragen, Anregungen und Interesse bitte an info@solawir.de schreiben oder sich unter www.solawir.de informieren.
Für das neue Gartenjahr durften wir auch Wünsche für die Auswahl des angebauten Gemüses abgeben. Falls sich in der Umfrage herausstellt, dass die wenigsten Mitglieder der SoLaWiR beispielsweise Bohnenkraut benötigen, so wird dies im Anbauplan berücksichtigt und weniger davon oder gar nicht mehr angebaut.
Fazit zu SoLaWiR
Ich bin froh, das Experiment gewagt zu haben und Teil dieser wundervollen Gemeinschaft zu sein. Wann hat man, in einer Stadt lebend, schon einmal die Möglichkeit, Gemüse selbst zu pflanzen und zu ernten, wenn man keinen eigenen Garten hat? Mittlerweile wagen wir uns, bedingt durch das saisonale Gemüse, auch an viele neue Rezepte. Wir essen Gemüse, das wir vorher gar nicht gekauft hätten. Natürlich ist es nicht immer leicht, im Herbst und im Winter auf gewohnte Gemüsesorten wie Zucchini und Aubergine aus dem Bioladen zu verzichten und stattdessen wöchentlich verschiedene Kohlsorten, Sellerie, Pastinaken, Rote Beete und die eingelagerten Zwiebeln, Karotten und Kartoffeln zu verarbeiten. Aber ich muss sagen, ich bin auf den Geschmack gekommen. Und mein Lebenspartner benutzt den Pürierstab für eine bunte Gemüsesuppe neuerdings auch allzu gerne!
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